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Bodenschätze Vor 50 Jahren: Startschuss für Tagebau im Harz

Am 15. November 1973 begann der Kalksteinabbau in Elbingerode im Oberharz. Wo der Schatz aus dem Oberharz eingesetzt wird und wie sich das Unternehmen verändert hat.

Von Günther Breutel 15.11.2023, 14:45
Gigantische Ausmaße hat der Kalkstein-Tagebau südlich von Elbingerode heute.
Gigantische Ausmaße hat der Kalkstein-Tagebau südlich von Elbingerode heute. Foto: Günther Breutel

Elbingerode. - Heute vor 50 Jahren, am 15. November 1973, wurdegrünes Licht zum Start des Kalksteintagebaues Elbingerode gegeben. Den symbolischen grünen Knopf drückte der damalige Erste Sekretär der SED-Bezirksleitung Magdeburg, Alois Pisnek, im Beisein der Werksangehörigen und Planer. Eine große Lagerstätte von hochwertigem Kalkstein am Südrand der Stadt Elbingerode veranlassten die Kalkwerke Hornberg und Rübeland, für ihre Produktion von vielfältigsten Kalkprodukten neue Rohstoffquellen zu erschließen. Die aus dem vorigen Jahrhundert stammenden Kalksteintagebaue waren so gut wie restlos ausgebeutet. Ein neuer, ergiebiger Tagebau wurde deshalb erschlossen.

Dieser hat derzeit ein Ausmaß von 1.200 Metern Länge, 800 Meter Breite und eine Tiefe von drei Sohlen à 30 Meter, insgesamt also 90 Meter. Dies ergibt eine Fläche von 96 Hektar. Er versorgt noch heute die Fels-Betriebsteile Rübeland und Hornberg mit dem Rohstoff Kalkstein.

Die Vorkommen im „Elbingeröder Komplex“ weckten schon im auslaufenden 19. Jahrhundert die Begehrlichkeit des Bauwesens und weiterer Wirtschaftszweig. Der Kalkstein hat mit einem Kalziumkarbonatgehalt von bis zu 98 Prozent eine ungewöhnliche Reinheit, so dass er günstige Voraussetzungen für die Entwicklung einer einträglichen Kalkindustrie bietet.

Lohn und Brot für 1.000 Leute

Ab 1886 entstanden größere Kalkwerke. Sie bildeten 1898 die „Vereinigte Harzer Kalkindustrie“ mit Sitz in Elbingerode. 1.000 Arbeitskräfte fanden hier Lohn und Brot. Sie lieferten Kalkstein und Branntkalk für industrielle Prozesse, für das Bauwesen sowie für die Landwirtschaft. Nach mehreren unterschiedlichen Firmierungen entstand 1970 der VEB Harzer Kalk und Zementwerk (HKZW). Nach der politischen Wende wurde 1990 daraus der Treuhandbetrieb Harz Kalk GmbH. 1991 erwarb die Goslarer Fels-Werke GmbH diese und wurde dadurch der zweitgrößte Kalkbetrieb in Deutschland.

Im Jahr 1962 wurde durch das Hornberger Kalkwerk eine geologische Erkundung des „Elbingeröder Komplexes“ in Auftrag gegeben. Dabei wurde ermittelt, dass sich südlich von Elbingerode die wertvollste Kalksteinlagerstätte der DDR befindet. Diese sollte nun die Grundlage für die weitere Kaliproduktion bilden. Aus diesem Grund wurde 1968 im sogenannten Aufbaustab des neu gegründeten HKZW die Planung eines gemeinsamen Kalksteintagebaues für beide Werke begonnen. Unter der Leitung des aus dem Zementwerk Rüdersdorf delegierten Ingenieurs Dieter Madel wurde ein Team aus Spezialisten verschiedener Fachgebiete gebildet. Alfred Völkel, Hans Schumm, Andreas Kuntzsch, Rainer Berger, Gerhard Kuhn, Ottfried Vollmer und Siegfried Brix begannen mit der Planung.

Staatsplanvorhaben

Da mit der Erkundung des Hornberger Kalkwerkes wichtige geologische Erkenntnisse gewonnen wurden, konnten diese Dokumente sofort in die Tagebauplanung einfließen. Die Planungen waren 1970 beendet, und das Vorhaben wurde zum „Staatsplanvorhaben“ erhoben. Sichtbares Zeichen war die Schaffung der Aufschlussfigur − das ist ein bergmännischer Begriff für Vorbereitungsarbeiten für den Abbau des Kalksteins − an der Susenburger Straße, der sogar einen eigenen Gleisanschluss vom Elbingeröder Westbahnhof bekam. Damit waren Lkw-Transporte zur Anlieferung der benötigten Baumaterialien minimiert worden.

An diesem Platz wurden alle Großgeräte wie fahrbare Brecher oder Hochlöffelbagger montiert. Auch die meisten Förderbandanlagenteile wurden per Reichsbahn angeliefert. Im Jahr 1973 wurden zahlreiche Einzelobjekte realisiert (siehe Infokasten).

Am 5. April 1971 wurde mit dem Aufschluss des Tagebaues begonnen. Als Ausgangspunkt wurde ein kleiner alter Steinbruch, unmittelbar an der Susenburger Straße gelegen, genutzt. Dieser hatte schon eine Tiefe von 14 Metern. Zuerst wurde das Deckgebirge abgetragen. Diese Erdstoffe und der überwiegende Teil des Kalksteins wurden von Anfang an zu umweltfreundlichen Lärmschutzdämmen auf den dem Wohngebiet zugewandten Seiten verbaut. Weitere Schritte zur Erschließung der Lagerstätte erfolgten. Nach diesen konnte der Kalksteinabbau beginnen.

Millionenschwere Förderung

Seitdem wurde aus dem Tagebau Elbingerode bis zum jetzigenZeitpunkt die unvorstellbare Menge von ca. 155 Millionen Tonnen Kalkstein gefördert. Bemerkenswert ist, dass die 1973 in Betrieb genommenen fahrbaren Brecheranlagen noch heute ihren Dienst verrichten. Die für die Kalkwerke speziell konstruierten Brecher zerkleinern den durch Sprengungen gewonnenen grobstückigen Kalkstein auf die für den Bandtransport und für die Brennöfen notwendigen Korngrößen von maximal 120 Millimetern. Beladen werden diese Brecher heute von den größten Radladern der Welt mit 12 Kubikmetern Schaufelinhalt.

Der sowjetische Bagger EKG 4,6 im Jahr 1974 beim Beschicken der fahrbaren Steinkegelbrecher.
Der sowjetische Bagger EKG 4,6 im Jahr 1974 beim Beschicken der fahrbaren Steinkegelbrecher.
Foto: Sammlung Andreas Kuntzsch

Zur jetzigen Zeit wird mit der gleichen Technologie der Kalkstein abgebaut und bearbeitet und der vielfältigen Verwendung zu geführt. Die Technik wurde modernisiert und dem Arbeits- und Umweltschutz große Bedeutung eingeräumt. Beschäftigt sind im Tagebau im Schnitt 30 bis 35 Arbeitskräfte. Pro Arbeitstag werden 8.000 bis 10.000 Tonnen Kalkstein für gebrannte und ungebrannte Produkte abgebaut.

Lange Produktpalette

Lang ist die Produktpalette, deren Ausgangspunkt der Kalkstein ist. Viele Tonnen werden für die Rauchgasentschwefelung von großen Kohlekraftwerken geliefert. Diese werden mit Zügen vom Kalkwerk Rübeland und Hornberg zu den Verbrauchern transportiert. In der chemischen Industrie, in der Stahl-, Kunststoff-, Leder-, kosmetischen und Glasindustrie sowie in der Landwirtschaft und im Bauwesen wird der Kalk verwendet. Einen großen Anteil der Produktion haben die Herstellung von Katzenstreu und der sogenannte „Zuckerstein“, der in den Zuckerfabriken zum Bleichen des Rohzuckers benötigt wird.

Zu besichtigen ist der Tagebau übrigens von einem Aussichtspunkt, der mit Schautafeln und einem Stempelkasten der Harzer Wandernadel bestückt ist.