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Weihnachtskrippe Eine kleine Geste aus Holz

Die Weihnachtskrippe ist der Hingucker auf dem Wernigeröder Markt. Die Volksstimme hat den „Vater“ der Figuren in seiner Werkstatt besucht.

Von Ivonne Sielaff 24.12.2016, 00:01

Wernigerode l Manchmal reichen kleine Gesten, um viel zu bewirken. Keine Kostbarkeiten, teure Geschenke, sondern etwas Bescheidenes – wie eine Schale Obst. Die alte Dame, die die Früchte trägt, hat kein Gold zu geben. Sie bringt sich selbst, ihre Erfahrung, ihre Hingabe.

Die Weihnachtskrippe, in der die Figur der Seniorin steht, ist ebenso bescheiden. Nicht größer als einmal ein Meter ist der aus Holz gezimmerte Schrein. Zwischen den Treppenaufgängen des Wernigeröder Rathauses und unterhalb des Christbaums wirkt er geradezu winzig. Und dennoch: Immer wieder scharen sich Weihnachtsmarktbesucher um die Krippe, betrachten die Figuren, streicheln das weiche Fell der Schafe – eine Krippe für die Wernigeröder.

Initiiert wurde sie vom Ökumenischen Arbeitskreis der Kirchen. Der „Vater“ der Krippenfiguren ist Möbelrestaurator Christoph Felchow. 2011 Maria und Josef, in den Jahren darauf folgten Hirte, Weiser, Mädchen und Engel – 2016 nun die alte Dame.

„Für mich ist sie eine zeitgenössische Weise“, sagt der Holzkünstler. Er habe an die vielen ehrenamtlichen Helferinnen in den Kirchen, Gemeinden und Vereinen gedacht, „die so viel bewirken“. „Ihr Einsatz wird oft nicht gesehen, ist aber bedeutsam für die Gesellschaft.“

Wie er seine Idee umgesetzt hat? „Erstaunlich zeitig“, sagt Felchow. „Sonst habe ich mich immer aufraffen müssen. Die Arbeit lag wie ein Berg vor mir.“ Diesmal sei er inspiriert gewesen. Das Schnitzen ging ihm leicht von der Hand. „Es hat Spaß gemacht.“

Wie schon bei den anderen Figuren verwendete er Lindenholz. „Es lässt sich gut bearbeiten, wurde schon von den alten Schnitzmeistern genutzt.“ Dem Holz rückte er zuerst mit der Säge, dann mit Klöppel und Hohlbeitel zu Leibe.

Seit dem ersten Adventswochenende ist sein Werk zu bewundern. Auch jetzt noch – obwohl der Weihnachtsmarkt seine Pforten längst geschlossen hat. „Das größte Wunder überhaupt ist, dass in all den Jahren nie randaliert, nie geklaut wurde“, sagt er. Nachts werde das Häuschen verriegelt. Den Schlüssel verwaltet Ingunde Schoppe, eine 90-jährige Wernigeröderin. „Es ist wirklich bemerkenswert. Jeden Morgen und jeden Abend kommt sie zur Krippe, um auf- und zuzuschließen.“ Ein bisschen erinnere sie ihn an die alte Dame mit der Obstschale.

Sicher wird Ingunde Schoppe am heutigen Heiligen Abend vor dem Rathaus stehen – wie viele andere auch. „Das hat sich inzwischen zu einem Ritual entwickelt“, erklärt Christoph Felchow. Um 21 Uhr versammeln sich die Wernigeröder, um die Ankunft des Christuskindes zu erleben. Die winzige Holzfigur mit dem angedeuteten Stupsnäschen geht von Mensch zu Mensch, von Hand zu Hand.

„Ich bekomme sie als Letzter, lege sie dann in die Futterkrippe. Das ist etwas Schönes – für mich jedes Mal wieder ein ganz besonderer Moment.“ Dabei gehe es für ihn um die wahre Bedeutung von Weihnachten. „Jesus ist als Retter zu uns auf Erden gekommen, damit wir alle Gottes Kinder werden können. Für mich ist das nicht nur eine Geschichte. Ich glaube daran – aus Überzeugung.“