Wiederansiedlung Großtrappe im Zerbster Land: Passen Artenschutz und Energiewende zusammen?
Wölfe und Luchse haben in Sachsen-Anhalt wieder ein Zuhause gefunden. Nun soll auch der schwerste flugfähige Vogel der Erde hier wieder seine Eier brüten – im Zerbster Land. Dazu haben der Förderverein Großtrappenschutz und die Stadt Zerbst eine Vereinbarung unterzeichnet.

Zerbst - Die Großtrappe kommt zurück ins Zerbster Land – schon in diesem Sommer. „Geplant ist, dass wir im August die ersten zehn Vögel vom Fiener Bruch, wo der Vogel inzwischen durch ein Aufzuchtprogramm wieder heimisch geworden ist, nach Zerbst holen“, sagte René Köhler am Dienstag bei der Unterzeichnung des Kooperationsvertrages zwischen dem Förderverein Großtrappenschutz und der Stadt Zerbst.
René Köhler ist Projektleiter im Förderverein und maßgeblich am Verbundprojekt mit dem Fiener Bruch „Wiederansiedlung der Großtrappe im Zerbster Land“ beteiligt. „Pilotprojekt deshalb“, betonte Köhler, „weil noch nie versucht wurde, die Großtrappe in einem Gebiet wieder anzusiedeln, in dem sie gänzlich verschwunden war.“ Das Gebiet liegt in einem Dreieck zwischen Schora, Zernitz und Buhlendorf ist eingezäunt, so dass die Vögel ungestört brüten und ihre Jungtiere aufziehen können.
Andreas Dittmann: Konkrete Vereinbarung statt Lippenbekenntnisse
„Nach den Lippenbekenntnissen, dieses wichtige Projekt zu unterstützen, ging es jetzt darum, ganz konkrete Leistungen beider Partner zu Papier zu bringen, die zum Gelingen des Projektes nötig sind“, betonte der Zerbster Bürgermeister Andreas Dittmann (SPD). Ganz konkret gehe es beispielsweise um die Sperrung zweier Wirtschaftswege für den Durchgangsverkehr, die das Ansiedlungsgebiet unmittelbar tangieren.
„Diskutiert wurde auch die Erweiterung des Windparks, die zur Produktion des grünen Wasserstoffs nötig wird. Hier war natürlich zu prüfen, auch im Rahmen des Genehmigungsverfahrens, ob von den Windrädern gegebenenfalls Störungen ausgehen und was kann man im Zweifelsfall als Kompensation leisten.

Ein ganz konkreter Punkt war, dass tatsächlich der Standort eines der geplanten Windräder verlagert wurde, um den Flugkorridor nicht einzuschränken, der für das Ansiedlungsprojekt der Großtrappe zwingend notwendig ist“, erklärte Dittmann. Das sei natürlich insgesamt ein Themenfeld gewesen, das die Untere Naturschutzbehörde im Bezug auf den Neubau der sieben Windräder genau im Blick hatte.
Flugkorridore für Großtrappe von großer Bedeutung
„In diesem Zusammenhang hat es direkte Gespräche zwischen dem Biomassehof als Betreiber der künftigen Windanlagen, dem Förderverein Großtrappenschutz und der Stadt Zerbst gegeben, wo wir alle Dinge tatsächlich ganz vernünftig und konstruktiv besprochen haben“, so Dittmann.
Der Flugkorridor ist wichtig, um den genetischen Austausch zwischen den Großtrappengebieten zu garantieren. „Wir sind natürlich nicht in die Luft gesprungen, als wir von dem Bau der sieben neuen Windräder gehört haben, gehen aber aus fachlicher Sicht davon aus, dass es nicht zu einer erheblichen Beeinträchtigung kommen wird. Die Bereiche, wo die Anlagen stehen, sind ohnehin keine geeigneten Nahrungs- und Brutflächen für die Trappe.
Konstruktive Gespräche mit Landwirten, der Jägerschaft und der Stadt Zerbst
Viel wichtiger ist, dass der Korridor im Fiener Bruch frei gehalten wird“, erläuterte der Projektleiter. Köhler: „Das wichtigste ist, dass wir mit allen Beteiligten – den Landwirten, der Jägerschaft, den Betreibern der Windkraftanlagen und natürlich der Stadt Zerbst – Gespräche geführt haben, die im Übrigen sehr konstruktiv verlaufen sind, und dass am Ende auch beide Projekte umgesetzt werden können, die Ansiedlung der Trappe und die Produktion von grünem Wasserstoff.“

Die Energiewende sei wichtig politisch gewollt. „Wir müssen nur darauf achten, dass der Artenschutz nicht als Kollateralschaden hinten runterfällt. Und, wie im Zerbster Land, dann konkrete Lösungsvorschläge zu finden, wird in Zukunft bei vielen Naturschutz- und Windkraftprojekten die Aufgabe sein. Hier kann unser Zerbster Projekt durchaus Vorreiter sein. Wir versuchen alles, dass es gelingt, und da sind wir auf einem guten Weg.“
Energiewende und Artenschutz nicht gegeneinander ausspielen
Das unterschreibt auch Dittmann so. „Artenschutz und Energiewende gegeneinander aufzuwiegen, macht wenig Sinn. Für uns ist wirklich der Anspruch, beides unter einen Hut zu bringen. Im Übrigen ist es auch Teil der Vereinbarung, dass wir den Förderverein frühzeitig informieren, wenn wir irgendetwas an Planungsideen in der Region entwickeln“, sagte Dittmann.
Die Kooperationsvereinbarung umfasst außerdem unter anderem die Öffentlichkeitsarbeit und die Besucherlenkung. Denn sollte das Projekt Großtrappe gelingen, soll es auch touristische Angebote geben. „Geplant ist, eine Aussichtsplattform im Auswilderungsgebiet zu errichten, so dass die Menschen die Großtrappen auch vor Ort erleben können, ohne die Vögel zu stören“, blickt Köhler in die Zukunft.
Tausende Besucher wollen Großtrappen bestaunen
Im Havelland würden jährlich viele Tausend Touristen aus ganz Deutschland, Europa, ja sogar aus Brasilien oder Japan kommen, um die einzigartigen Vögel zu bestaunen. „Das ist auch die langfristige Perspektive für das Zerbster Land“, so Köhler.
Im Anschluss an die Vertragsunterzeichnung informierte Köhler noch einmal die Mitglieder des Bau- und Stadtentwicklungsausschusses über den aktuellen Stand des Projektes. Die einzige Frage zum Projekt hatte der Ausschussvorsitzende Helmut Seidler. Er wollte wissen, ob die stillgelegte Bahntrasse Güterglück – Lindau für den Tourismus genutzt werden könnte.
„Die Bahntrasse befindet sich in Eigentum eines Unternehmens. Kontakte oder Gespräche hat diesbezüglich noch nicht gegeben“, sagte Köhler.