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"Insgesamt ist es eine riesige Erleichterung" Praxisgebühr: Ist die Abschaffung zum Jahreswechsel Fluch oder Segen?

Von Philipp Queitsch 16.01.2013, 01:27

Die Abschaffung der Praxisgebühr zum Jahresbeginn hat sicherlich viele Patienten aufatmen lassen. Für Ärzte und deren Praxis-Mitarbeiter stellen sich jedoch auch Veränderungen ein.

Zerbst l Vor allem Menschen, die wegen chronischer Erkrankungen das ganze Jahr über regelmäßig Sprechstunden besuchen müssen, dürften durch die Abschaffung der Praxisgebühr und die finanzielle Entlastung mit einem besseren Gefühl zum Arzt gehen. Aber wird der Patient auf Dauer wirklich entlastet? Wir fragten bei hiesigen Hausarztpraxen nach: Potenzial für verschiedene Einschätzungen.

Überblick könnte verloren gehen

Uta Koppeng aus der Praxis von Dr. Beate Grübler sieht in der Abschaffung der 10 Euro im Quartal für jeden Patienten vor allem eine Arbeitserleichterung. "Für uns fällt viel Schreibkram weg. Das entlastet uns sehr", betont sie. Ob die Entscheidung über die Abschaffung jedoch auf lange Sicht sinnvoll ist, bezweifelt sie. "Ich finde, dass die Patienten auch auf eine andere Art hätten entlastet werden können. Das Geld könnten Krankenkassen beispielsweise in eine bessere Vorsorge stecken. Umfangreichere Gesundheits-Checks wären vielleicht eine Möglichkeit." Wenn die 10 Euro nicht mehr gezahlt werden müssen, könnten Wartezimmer bald noch voller werden, da die Hemmschwelle, zum Arzt zu gehen, genommen würde.

Frau Dr. Christine Lux sieht das ähnlich. Sie benennt ein weiteres Problem: "Zum einen ist das schon eine riesige Erleichterung in der täglichen Arbeit. Zum anderen könnten Hausärzte auch schnell den Überblick über ihre Patienten verlieren", erklärt sie. Viele würden die Abschaffung der Praxisgebühren als Startschuss sehen, auch ohne Überweisung zum Facharzt zu gehen.

Dieselben Bedenken hat Dr. Frank Jensen. Er sieht jedoch keine volleren Wartezimmer als Konsequenz. "Ich glaube, dass bei geltender Praxisgebühr die Menschen öfter zum Arzt gingen. Da die Gebühr immer für ein Quartal zählte, wollten viele die gezahlten 10 Euro ,ausnutzen\'. Insgesamt ist die Abschaffung aber schon positiv zu betrachten, da sich für uns ein deutlich geringerer Verwaltungsaufwand ergibt und die Patienten vorerst Geld sparen", verdeutlicht er. Dass Menschen ohne eine Überweisung zu Fachärzten gehen, sieht er auch als Problem. "Ohne Überweisung bekommen wir vom jeweiligen Facharzt keinen Befund und wissen daher nicht genau über unseren Patienten Bescheid." Das gelte für alle Fachärzte außer Gynäkologen.

Weniger Schreibarbeit

Schwester Stefanie Hinkel aus der Praxis von Dr. Walter Elß sieht ebenfalls die Vor- und Nachteile, die von ihren Kollegen benannt wurden. "Es ist schon eine Erleichterung unserer Schreibarbeit, aber auf lange Sicht wissen wir noch nicht, welche Auswirkungen das haben könnte", gibt sie zu verstehen.

"Das ist ein zweischneidiges Schwert", meint auch Dr. Birgit Stoye. Für das Personal sei es schon eine enorme Erleichterung, aber auch sie befürchtet den Verlust der Kontrolle über die Patienteninformationen. "Ohne den Befund des Facharztes können wir den Patienten nicht bedenkenlos behandeln, weil wir nicht seine gesamte Krankengeschichte kennen", erklärt sie.