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8. Frauenfrühstück in Genthin Vom Knistern zwischen Müttern und Töchtern

Das Frühstückstreffen für Frauen hat mit der jüngsten, nunmehr achten Veranstaltung in Genthin weiter an seiner Erfolgsgeschichte geschrieben. Knapp 150 Frauen aller Generationen kamen am Sonnabend im Hotel/Restaurant Müller zusammen.

Von Simone Pötschke 20.10.2014, 03:20

Genthin l Schon Tage, bevor das Frühstückstreffen kalendarisch in greifbare Nähe rückte, mussten die Veranstalterinnen die Notbremse ziehen. Ausverkauft bis auf den letzten Platz - hieß es.

"Gute Referate und eine nette Atmosphäre haben uns auch bei den vorangegangenen Veranstaltungen viel Resonanz beschert", resümierte Kristin Schlag, eine jener zahlreichen Frauen der evangelischen Kirchengemeinde, die sich in die Organisation des Frühstücks einbringen. Daran wurde nun angeknüpft. Diesmal gab es als Einführung in das Vortragsthema allerdings kein kleines Theaterstück wie üblich, sondern ein Interview mit Ute und Charly Sander in ihrer Eigenschaft als Mutter und Tochter. "Das war mal etwas ganz anderes, nichts Vorgegebenes, sondern live", freute sich Kristin Schlag.

Am Sonnabend referierte Anneke Pilgrim aus Berlin, früher Politologin in der Politikberatung und jetzt als Reittherapeutin tätig, über das Thema "Spannung garantiert. Von Töchtern und ihren Müttern". Wie bei Frühstücktreffen gewohnt, erfuhr das Thema des Referates eine professionelle, aber zugleich unterhaltsame Erörterung.

Anneke Pilgrim fand den Einstieg in das Thema über eine Anzeige einer Kosmetikfirma in einer Illustrierten, die das schönste Mutter-Tochter-Paar suchte. Sie sei über diese Anzeige gestolpert, weil sie mit einem Idealbild von Mutter und Tochter spiele, sagte die Referentin. Für viele, so Pilgrim, stelle sich diese Beziehung hingegen spannungsreich und kompliziert dar. Die Referentin lud die Zuhörerinnen ein, aus der Tochterperspektive diese schwierige Beziehung zu betrachten.

Dies habe auch ihr persönlich im Umgang mit ihren eigenen zwei Töchtern geholfen, betonte die Referentin.

Anneke Pilgrim ging in ihrem Vortrag ausführlich und rhetorisch gewandt auf typische Spannungen zwischen Mutter und Tochter ein, bei der Frisur, in der Hauhaltsführung, bei Ehemann und Familien. Sie nannte etliche Beispiele von individuellen, versteckten Botschaften der Mütter an ihre Töchter und von vorher bestimmten Gefühlsmischungen und Verhaltensmustern, die bei Telefonaten oder Besuchen zum Vorschein kommen. Sie erörterte auch die so genannte Gesprächsspirale, bei der jede Seite nur das wahrnimmt, was sie zu hören glaubt.

Pilgrim ermunterte die Frauen, für sich die Frage zu beantworten, wie es ihnen in einer solchen Beziehung geht und für sich zu klären, was ihr ihre Mutter nicht gegeben hat.

Sie sprach sich vehement dagegen aus, Müttern für ihr Verhalten Vorwürfe zu machen. "Wir wollen trauern, statt anklagen und Frieden finden", sagte sie.

In Gesprächen mit Frauen, die der Frage nachgehen, was sie sich von ihrer Mutter gewünscht haben, spüre sie oft Gereiztheit. Es komme dann eine "ganz ganz tiefe Traurigkeit zum Vorschein". "Nicht erfüllte Bindungsbedürfnisse erzeugen bei den Betreffenden Leerstellen, die sie lange mit sich rumtragen", sagte Pilgrim.

"Ich akzeptiere das und finde damit meinen Frieden" - Anneke Pilgrim

Um dagegen anzugehen, hätten viele Frauen Strategien entwickelt. Sie selbst, so Pilgrim, habe ein Tagebuch geschrieben, um ihren persönlichen Mutter-Konflikt zu verarbeiten. "Ja, so war es. So bin ich groß geworden. Ich akzeptiere das und finde damit den Frieden", erklärte die Referentin den Ansatz des Tagebuch-Schreibens.

Pilgrim warb in ihrem Referat um das Verständnis für die Generation der älteren Mütter. Das, was Müttern wichtig sei, übertagen sie auf ihre Töchter. Sie würden das an die Töchter weitergeben, was sie selbst gelernt haben. Die Referentin brachte ebenso den Generationskonflikt zur Sprache. Vor dem Hintergrund eines komplizierten Verhältnisses zwischen Mutter und Tochter sei es ein großes Geschenk, jemanden an seiner Seite zu haben, "der mich nimmt, so wie ich bin und ich mich geliebt fühle", sagte die Referentin.

Anneke Pilgrim führte aber auch eine Studie an, die belegt, dass die Generation der Nachkriegskinder unter dem Trauma des Krieges unfähig war, emotionale Nähe zu ihren Kindern aufzubrauen. Dem habe sich ein zweites Trauma, das Schweigen über die Ereignisse des Krieges, angeschlossen.

Schon am Montag haben Besucherinnen des Frauenfrühstücks die Gelegenheit, bei einem Gesprächstreffen in den Räumen der Adventgemeinde (Brandenburger Straße 77) das Vortragsthema zu vertiefen. Das nächste Frühstückstreffen ist geplant für Sonnabend, 11. April, um 9 Uhr. Dann wird als Referentin Carmen Seehafer aus Bitterfeld erwartet, die über "Das Schweigen der Männer" spricht.