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Minister Thomas Webel eröffnet in Haldensleben das neue Mehrgenerationenhaus EHFA Stricken für die "neue soziale Mitte"

Von André Ziegenmeyer 09.01.2015, 02:10

Mit einer großen Feier hat die Stadt gestern das neue Mehrgenerationenhaus EHFA eröffnet. Zu den Gästen der Einweihung zählte auch Entwicklungsminister Thomas Webel. Insgesamt hat die neue "Mitte der Stadt" rund sechs Millionen Euro gekostet.

Haldensleben l "Wir sind heute zusammengekommen, um die Einweihung von Haldenslebens neuer sozialer Mitte zu feiern", erklärte Bürgermeister Norbert Eichler zu Beginn der Feierlichkeiten. "Hier und heute geht es nicht um Kommerz und Geldverdienen, hier geht es um sozialen Zusammenhalt, um den Kitt, der unsere Gesellschaft im Innersten zusammenhält."

Mit einem Blick auf den kürzlich begangenen Tag des Ehrenamtes erklärte Eichler: "Freiwilliges Engagement kann Berge versetzen. Wenn sich Freiwillige aber zusammentun und sich vernetzen, dann kann der Effekt noch ungleich größer sein. Dafür brauchen Menschen aber Räume und Gelegenheiten, und genau dies wird das zentrale Thema hier im Mehrgenerationenhaus `EHFA` sein." Ziel der Einrichtung sei es, "Menschen zusammenzuführen, ihnen Räume und Freiräume zu schaffen - zum Treffen einfach auf ein Wort oder einen guten Rat, einen Austausch, gemeinsames Planen, Arbeiten, Beraten und vielem mehr."

Bürgermeister lobt "finanzielle Punktlandung"

Gleichzeitig zeigte sich Norbert Eichler erfreut über die gelungene "finanzielle Punktlandung": "6,047 Millionen Euro betrug die 2012 geschätzte und beantragte Bausumme. 6,039 Millionen Euro werden es an tatsächlichen Kosten aller Voraussicht nach dem jetzigen Stand auch sein."

Darüber hinaus bedankte sich der Bürgermeister bei der Landesentwicklungsgesellschaft Saleg, die als Treuhänder der Stadt die Rolle als Bauherr übernahm, den beteiligten Baufirmen sowie beim Paritätischen als Träger und Betreiber des Mehrgenerationenhauses.

Thomas Webel ging in seiner Rede vor allem auf den demographischen Wandel und seine Folgen ein: "Der Zusammenhalt innerhalb der Familien ist zwar nach wie vor stark, aber das traditionelle Modell der Großfamilie, bei dem mehrere Generationen unter einem Dach oder in unmittelbarer Nachbarschaft leben, ist immer seltener anzutreffen", erklärte der Minister.

Minister bezeichnet EHFA als "Vorzeigeprojekt"

Viele Familien lebten räumlich getrennt. "Die Menschen sehnen sich nach wie vor nach Gemeinschaft, nach stabilen Beziehungen und nach familiärem Zusammenhalt", so Thomas Webel. Vor diesem Hintergrund könne das EHFA neue Möglichkeiten bieten.

"Fakt ist, dass öffentliche Orte wie Mehrgenerationenhäuser als Orte der Begegnung von Jung und Alt dadurch umso mehr an Bedeutung gewinnen. Sie sind eine zeitgemäße Antwort auf diese Herausforderung. Gezielt wird durch sie das generationenübergreifende Miteinander und Engagement gefördert und der Verein- samung begegnet."

In diesem Zusammenhang bezeichnete Thomas Webel die Haldensleber Einrichtung als "Vorzeigeprojekt". Mit rund 4,6 Millionen Euro aus der Städtebau- und Wohnungsbauförderung habe das Land den Bau des Komplexes unterstützt. "Alte und Junge werden sich bei Sport-, Spiel- und Kreativangeboten begegnen und ein neues Miteinander in der Gesellschaft ermöglichen."

An die Besucher der Einweihung gerichtet betonte der Minister: "Besuchen sie dieses Mehrgenerationenhaus und entdecken sie, welche Möglichkeiten sich ihnen hier bieten. So können auch sie den demographischen Wandel mitgestalten und Sachsen-Anhalt zu einer liebens- und lebenswerten Region entwickeln, in der auch nachfolgende Generationen gern leben."

Schwangerschaftsberatung für zwei Jahre gesichert

Vor Ort war auch Anja Naumann, Staatssekretärin im Sozialministerium. In ihrem Grußwort zeigte sie sich vor allem erfreut darüber, dass bereits bei der Eröffnung des EHFA so viele Generationen vertreten waren. Außerdem überbrachte sie gute Nachrichten für die Schwangerschafts- und Sexualberatung der Arbeiterwohlfahrt, die zu den ersten Mietern im EHFA gehört.

"Die Kolleginnen dieser Beratungsstelle sind guten Mutes, aber auch in Sorge hier eingezogen", so Norbert Eichler. "Denn das Land Sachsen-Anhalt hatte im Haushalt 2015 - nun, ich sage mal - vergessen, die Mittel für den Betrieb der Beratungsstelle vorzusehen. Doch ein Aufschrei ging durch die Stadt, 4000 Unterschriften wurden gesammelt", erinnerte der Bürgermeister an die Ereignisse der vergangenen Wochen.

Anja Naumann hielt dagegen, dass die Mittel keineswegs "vergessen" worden seien. Man habe jedoch die räumliche Nähe zu Magdeburg gesehen und überlegt, eine Beratungsstelle in einem abgelegeneren Landkreis zu unterstützen. Nun jedoch konnte sie Entwarnung geben: Zumindest für die nächsten zwei Jahre seien die Mittel für die Haldensleber Beratungsstelle sicher.

Dr. Michael Reiser wies vor allem auf die Aufgaben hin, die mit dem Betrieb des EHFA noch bevorstehen. Als Vorstandsmitglied des Landesverbandes Sachsen-Anhalt des Paritätischen erklärte er: "Dieses Haus hat sich einen Namen gegeben, der zugleich Plan und Konzept ist. Damit fängt die eigentliche Arbeit erst an." Denn die Abkürzung EHFA steht für "Ein Haus für alle". Das Projekt sei bereits oft mit Diskussionen verbunden gewesen. Aber: "Der demographische Wandel macht es möglich, neue Formen des Miteinanders zu schaffen. Es muss der Mut der Stadt Haldensleben hervorgehoben und gelobt werden, dafür dass sie in diese Richtung geht und neue Wege erproben will. Haldensleben kann mit diesem Konzept der integrativen Beratungslandschaft zum Vorbild werden."

Zu den weiteren Gästen der Eröffnung zählten unter anderem der Bundestagsabgeordnete Manfred Behrens (CDU) sowie die beiden Landtagsabgeordneten Ralf Geisthardt (CDU) und Rita Mittendorf (SPD). Zahlreiche Vertreter des öffentlichen Lebens waren ebenfalls mit dabei.

Für das kulturelle Rahmenprogramm sorgten die Steppkes der Kita Rappelkiste der Lebenshilfe Ostfalen sowie der Chor "Heidelerchen" der Volkssolidarität. Zum Abschluss des offiziellen Teils überreichten Ingeburg Rohde und Gisela Wittig von der Handarbeitsgruppe der Volkssolidarität einen riesigen Schal an Sylke Kühling, die Quartiersmanagerin des Mehrgenerationenhauses. Denn, so erklärte Stadt-Pressesprecher Lutz Zimmermann: "Zu einer Eröffnung kann man Bänder durchschneiden oder Schlüssel übergeben. Aber das hat alles nichts mit sozialer Wärme zu tun." Der Schal solle diese Wärme und den Zusammenhalt symbolisieren. "Jeder kann daran mitstricken", so Zimmermann. Daraufhin griffen Thomas Webel, Anja Naumann und Norbert Eichler gleich selbst zu den Nadeln.

Das Mehrgenerationenhaus besteht aus zwei Abschnitten. Der erste wurde bereits 2012 zur Nutzung freigegeben. Er umfasst 19 Wohnungen und zwei Gewerbeeinrichtungen an der Bülstringer Straße. Der jetzt eingeweihte zweite Teil wird von der Gröperstraße aus betreten. Der sogenannte Marktplatz bildet das Herz des Gebäudes. Darüber hinaus befinden sich im Erdgeschoss die Räume der Volkssolidarität. Am 1. April öffnet dort außerdem eine Kindertagesstätte.

Wie Dezernent Henning Konrad Otto bei einem Rundgang erklärte, befinden sich im ersten Obergeschoss Büros für nichtkommerzielle Arbeitsplätze. Interessengruppen und Vereine können sie zum Beispiel kostenlos für die Organisation von Veranstaltungen oder ähnlichem nutzen. Hinzu kommen weitere Räume, die von "temporären Dienstleistern" flexibel angemietet werden können.

"Im zweiten Obergeschoss sind Beratungsstellen untergebracht, die bisher auf viele Stellen in der Stadt verteilt waren", so Henning Konrad Otto. Auf diese Weise solle das EHFA den Bürgern eine zentrale Anlaufstelle bieten. "Ich weiß: Egal, worum es geht: In diesem Haus bin ich richtig", verdeutlichte der Dezernent.