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Haydns "Jahreszeiten" begeistern im Havelberger Dom / Publikum spendet begeisterten Applaus Höhepunkt im Kultursommer

Von Brigitte Strugalla-Voltz 11.07.2015, 01:01

Mit den "Jahreszeiten" von Joseph Haydn war am Wochenende der Höhepunkt des Havelberger Kultursommers im Havelberger Dom zu erleben. Die vielen Besucher bedankten sich bei den Musikern mit lang anhaltendem Applaus für ihre Leistungen.

Havelberg l Das große Konzert des Havelberger Kantatenchors ist traditionell der Höhepunkt des Kulturjahres in der Domstadt. In diesem Jahr waren im Dom unter der Leitung von Domkantor Matthias Bensch Joseph Haydns "Die Jahreszeiten" zu hören. Zusammen mit der Aufführung der "Schöpfung" mit den Chören des Chorverbandes der evangelischen Kirche unter der Leitung von Lothar Kirchbaum am Sonntag zuvor bot Havelberg damit ein wahrhaftiges kleines Haydn-Festival. Die Konkurrenz zu dem viel bekannteren und auch angeseheneren großen Oratorium aber braucht der Kantatenchor keineswegs zu fürchten, denn trotz der großen Hitze war der Dom gut gefüllt, und die Zuhörer folgten der Musik mit großer Aufmerksamkeit und Begeisterung.

Unterstützt wurde der Havelberger Chor wie bei Mozarts "Requiem" im vorigen Jahr durch den Chor des Hamburger Mozarteums, der schon seit längerer Zeit unter der Leitung von Matthias Bensch singt. Auch hier zeigte sich, soweit sich das aus dem Zuhörerraum beurteilen lässt, eine beeindruckende Singqualität, wobei die Havelberger Sängerinnen und Sänger sich keinesfalls verstecken müssen. Besonders die Frauenstimmen steigerten sich im Lauf des Konzerts und beeindruckten beispielsweise in der schwierigen Fuge des "Weinfests" am Ende des dritten Teils mit klarem und fröhlichem Gesang. Die Männerstimmen hatten besonders in den vielen Forte-Stellen unter der Wucht des Orchesters zu leiden; so waren einige schöne Passagen leider kaum zu verstehen.

Lebhafte Interpretation

Die Magdeburger Philharmoniker arbeiteten engagiert und mit hohem Tempo. Die drei Solisten, ganz unterschiedliche Stimmen, ergänzten sich hervorragend und überzeugten in den Terzetten mit feinem Haydn-Klang. Stephanie Henke sang die "Hanne" mit voluminösem, klaren Sopran, Clemens Löschmanns beeindruckte nicht nur durch seinen warmen, klangvollen Tenor, sondern auch durch seine lebhafte Textinterpretation, und Michael Rapke, nicht zum ersten Mal in Havelberg zu hören, gab die schönen Arien des "Simon" mit seinem schlanken und sensiblen Bariton. Schade, dass seine durchdachte Interpretation gerade in wichtigen Stellen, zum Beispiel im großartigen Finale, gegen die Fortissimi des Orchesters wenig Chancen hatte.

Natürlich fesselte besonders Haydns wunderbare Musik die Zuhörer im Dom. Die "Jahreszeiten" mit ihren Naturschilderungen, mit den kleinen, fröhlichen Einwürfen wie Hahnenkrähen, muhenden Kühen oder Gewehrschüssen machen einfach Spaß beim Zuhören. Dass sie nicht ganz so edel und erhaben daherkommen wie die fast sakrale "Schöpfung", muss nicht unbedingt als Nachteil empfunden werden. Haydn hatte bekanntlich mit seinem zwar gleichaltrigen, aber überaus fortschrittlichen und selbstbewussten Texter, dem niederländischen Diplomaten in kaiserlichen Diensten Gottfried van Swieten, so viel Streit, dass er die Arbeit an den Jahreszeiten mehrmals beenden wollte. So aber gelang den beiden im Leben ungemein erfolgreichen älteren Herren eine spannende Synthese.

Lebenserfahrung zu spüren

Der fast 70-jährige Haydn, als Dorfjunge in der Donauebene groß geworden, am Wiener Stephansdom geschult, als Lakai in barocken Fürstendiensten und über die Begeisterung in der Weltstadt London zum berühmtesten lebenden Musiker geworden, fasst hier noch einmal seine Lebenserfahrung, seine riesige Kreativität und sein unglaubliches kompositorisches Können zusammen. Die aktuelle Geschichte - französische Revolution, Beginn der Industrialisierung, Aufkommen des Bürgertums - all das klingt in Text und Musik mit.

Dass ein weiteres Oratoriums-Projekt mit van Swieten nach diesen zwei Jahren intensiver Arbeit an den Jahreszeiten nicht zustande kam, ist wohl bedauerlich. "Die Schöpfung" und "Die Jahreszeiten" stehen so als großes Finale am Ende eines überreichen Musikerlebens.

Im Havelberger Dom gab es begeisterten und lang anhaltenden Applaus.