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Meinung: Verantwortliche in der Politik und der Holdingleitung haben versagt / Privatisierung birgt Riskien / Staßfurter sind wieder Verlierer Leser sind traurig bis in die Tiefen ihrer Seelen

23.12.2010, 04:26

Die geplante Schließung des Krankenhauses in Staßfurt und der Verkauf der Klinikholding des Salzlandkreises, wie er gestern im Kreistag diskutiert wurde, erregt die Gemüter. Die Redaktion der Staßfurter Volksstimme ereichten viele Leserbriefe. Deren Autoren sind enttäuscht von der Klinikholding, die die Entwicklungen nicht aufhalten konnten. Außerdem stehen die politischen Verantwortungsträger in der Kritik. Das, so die Meinung in den Schreiben, rühre am Demokratieverständnis.

Nun gehen die Lichter im Krankenhaus Staßfurt zum 31. Dezember 2010 aus, es existierte dann von 1871 bis 2010. In meinem kleinen Artikel am 10. Mai in die Volksstimme war ich noch optimistisch, weil Ulrich Gerstner als Landrat von einem guten Klinikkonzept sprach, da war ich wohl zu naiv und gutgläubig.

Nach der Sanierung und dem Neubau am Standort Staßfurt (für 39 Millionen Euro) verkündete der damalige Sozialminister des Landes Sachsen-Anhalt bei der Übergabe, dass es sich hierbei um eines der modernsten Krankenhäuser in Sachsen-Anhalt handele.

Mit der Zusammenlegung der Kreise Bernburg, Schönebeck und Aschersleben-Staßfurt wurde am 17. Dezember 2008 die Holding-Gesellschaft Salzlandkliniken GmbH gegründet. Im Januar 2010 legte Peter Löbus als Chef der Klinikholding der Salzlandkliniken, in einem hausinternen Konzeptentwurf dar, "ein Bedarf wird für den Standort Staßfurt nicht mehr gesehen" und ein annähernd vollständiger Rückbau der höchst unwirtschaftlichen stationären Versorgungskapazitäten ist zwingend erforderlich und das stationäre Angebot kann aus gegenwärtiger Sicht mittelfristig nur die innere Medizin bilden (Volksstimme 14. Januar).

Herr Löbus ist ja nicht nur ein "erfahrener" Krankenhausmanager sondern auch 1. Vizepräsident des Verbandes der Krankenhausdirektoren Deutschland (VKD) sowie Vorsitzender der Landeskrankenhausgesellschaft Sachsen-Anhalt und seit 1990 Geschäftsführer des Klinikums Bernburg GmbH – man wäre ein Schelm, wenn man schlechtes dabei denkt.

Was in den nachfolgenden Monaten begann, treibt einem die Zornesröte ins Gesicht. Es ist müßig hier alles aufzuzählen. Das Konzept der Holding funktionierte nicht. Herr Landrat Gerstner war zwar anderer Meinung (mittlerweile liegt es auf Eis), ein tragfähiges Konzept wurde nicht erarbeitet. In den Gremien des Landkreises wurden nur lokale Interessen vertreten, Patienten wurden verunsichert, eine Hiobsbotschaft jagte die andere, Proteste jeglicher Art, ob 6000 Demonstranten oder rund 15 000 Unterschriften wurden nicht zur Kenntnis genommen. Stationen am Standort Staßfurt wurden geschlossen oder ganz Abteilungen verlagert.

In einem Volksstimme Gespräch vom 20. Mai sagte Sozialminister Bischoff zum Klinikstreit im Salzlandkreis: "Alle 50 Krankenhäuser in Sachsen-Anhalt haben Bestand, wenn sie kooperieren." Leider war das nicht zwischen den Standorten Aschersleben und Staßfurt möglich.

Sieben Monate später sahen die Aussagen ganz anders aus. Der gleiche Minister fordert in den Medien Betreiber auf, über die Schließung einzelner Kliniken nachzudenken. Auf die Frage: "Heißt das, die Klinikholding des Landkreises müsste sich von einem Standort verabschieden?" Bischoff: "Hier stehen in der Tat schwierige Entscheidungen an. Diese will ich durch öffentliche Äußerungen nicht gefährden."

Was denn nun? Auf der einen Seite fordert er öffentlich, und auf der anderen sieht er sie dann durch öffentliche Äußerungen gefährdet – und das aus dem Mund eines Ministers. Und weiter: Die Lage im Salzlandkreis sei ihm "völlig unverständlich". Ich frage mich, wurde sein Ministerium bewusst nicht über die Lage informiert?

"Geändert hat sich nichts: Die Hauptakteure fungieren weiter"

Aber es ging ja weiter. Die Klinikleitung und die Holding muss sich die Frage gefallen lassen, ob ihr Management nicht gestimmt hat, das am Standort Staßfurt zur gleichen Zeit neun von 13 Ärzten das Handtuch geworfen haben.

Dann drohte dem Klinikum Aschersleben-Staßfurt die Insolvenz, massiver Einbruch –über 700 Patienten kamen weniger, die Schuldigen waren vom Landrat aber schnell gefunden, nach dem Motto: Alle sind schuld nur wir nicht. Der Schwarze Peter ging an die Staßfurter, weil sie für ihr Krankenhaus kämpften, und die kaufmännische Geschäftsführerin des Klinikums Aschersleben-Staßfurt Melita Planert (Beurlaubung).

Die Hauptakteure fungieren weiter. Die letzte Rettung ist nun der mögliche Verkauf der Kliniken Aschersleben-Staßfurt, Bernburg und Schönebeck. In einem Gespräch mit den Redakteuren der Mitteldeutschen Zeitung, Angelika Adam und Lars Geipel, beantwortete Landrat Gerstner einige Fragen, wie es nach einem möglichen Verkauf weiter geht, unter anderem, dass der finanzielle Druck einfach zu groß ist und der Aufsichtsrat der Krankenhaus-Holding keine andere Möglichkeit mehr sieht, als den Verkauf der Holding als Gesamtpaket an einen privaten oder gemeinnützigen Investor.

Möglich wäre aber auch, die Krankenhäuser einzeln zu verkaufen. Nur das Krankenhaus Staßfurt zu verkaufen wäre betriebswirtschaftlich keine Option. Es steht dann weiter geschrieben, großer Verlierer der vier Klinikstandorte ist Staßfurt, das jetzt auch noch seine Innere Klinik verliert und damit praktisch in die Bedeutungslosigkeit verschwindet. Dieser Satz vom Landrat ist an Zynismus nicht zu übertreffen.

Die Mitarbeiter aus Staßfurt können jetzt an anderen Klinikstandorte der Holding umgesetzt werden. Damit werden 38 Millionen Euro, die für ein modernes Krankenhaus ausgegeben wurden, in den Sand gesetzt. Wie sagt Herr Gerstner: Sie verschwinden praktisch in die Bedeutungslosigkeit. Dieser Mann ist als Landrat nach solchen Äußerungen untragbar.

H. Ziebell

Staßfurt

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Die Arroganz der Krankenhausholding ist so groß, dass der Wille des Volkes zum Erhalt der Klinik für sie keine Bedeutung hat. Verantwortung für das Leben scheint für sie ein Fremdwort zu sein. Sie haben es mit einer Leichtigkeit geschafft, unseren Staßfurter Goldklumpen aufzulösen. (...) Wie konnte man nicht erkennen, dass es finanziell bergab geht, oder war das gegenüber der Öffentlichkeit eine gewollte Pleite? Wenn das so ist, hätte man die gesamte Riege schon längst zur Verantwortung ziehen müssen. Der Landrat, der alles im Kreis vernünftig beobachten und mit dem Kreistag regeln soll, ist überfordert und außerdem der verkehrte Mann am Platz. Alle mahnenden Worte von Bürgern und Parteien sind zerplatzt wie eine Seifenblase, und ein Gewissen scheint es bei der Holding nicht zu geben.

"Ärzte haben Eid abgelegt und sind sich als Spielball zu schade"

Das Argument, dass die Stadt keinen Zugriff zu ihrer Klink hat (Anmerk. d. red: Staßfurt will die Klinik allein verkaufen) und ihr die Hände gebunden sind, lasse ich nicht gelten. Feuerwehren können auch, wenn es brennt, Privates begehen und benutzen, um Gemeingefahren abzuwenden. Die Schließung der Klinik ist eine Gemeingefahr für das Leben, was jedem Menschen nur einmal gegeben wird. Krankenhäuser sind nun mal mit ihren Ärzten daran interessiert, Leben zu erhalten. Ich erinnere nur an den Hippokratischen Eid, den die Ärzte abgelegt haben und ihn nicht ausleben können, weil sie kein Krankenhaus haben, und als Spielball sind sie sich zu schade. Wenn ich nun noch lese, dass es bis zu einem Jahr dauern kann, ehe die Klinik verkauft wird, kommen automatisch die Nackenhaare hoch. Erstaunlich ist es schon, dass unsere Landesregierung die Angelegenheit der Staßfurter Klink offensichtlich nicht interessiert. Es gibt doch einen Gesundheits-, einen Innenminister und einen Ministerpräsidenten, der Mediziner ist, die ein Machtwort sprechen sollten. Ich bin traurig bis in die Tiefe meiner Seele, wie man mit uns mündigen Bürgern umgeht.

Manfred Lehrmann,

Löderburg

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Es ist schon erstaunlich, was alles so unter dem Deckmantel der Demokratie passieren kann. Ein Krankenhaus wird geschlossen, andere sollen privatisiert werden. Wie hieß es im November 1990: "Ihr seid das Volk, jetzt kommt die Demokratie, ihr könnt mitbestimmen!" Nun sieht jeder, was da mit gemeint war.

Auch die Hilferufe zur Landesregierung, die jetzt oft in der Volksstimme auftauchten, sind umsonst. Schauen sie sich doch den Kreistag an. Sehr viele Abgeordnete des Kreises sind auch Landtagsabgeordnete. Sie schimpfen, aber das war es auch. Denn im nächsten Jahr sind Wahlen. Darum muss man jetzt auch schimpfen. Rausgekommen ist bei noch keinem etwas.

Wir haben einen Landrat. der sich sonstwo versteckt, aber zu seinen Bürger keinen Kontakt haben will. Es sei denn, sie sind ausgesucht. Da kann man nur sagen: Hurra, die Demokratie ist da! Die Frauenklinik ist Staßfurt so schon losgeworden. Das Krankenhaus folgt rigoros.

Seit Jahren sitzen immer wieder die selben Leute in dem doch so demokratisch gewählten Kreistag. Für Staßfurt ist niemals etwas übrig geblieben. Da halten sich unsere meisten Abgeordneten doch gehörig zurück.

Ulrich Biermann.

Westeregeln

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Am 18. Dezember wurden mir die Augen geöffnet. Der Beitrag "AOK fordert die Schließung weiterer Krankenhäuser" und die Meinung unseres Gesundheitsministers dazu in der Volksstimme lassen kaum noch Fragen offen. Ich habe immer auf eine Zurechtweisung des Ministers gegenüber unserem Landrat und der Klinikleitung gehofft. Doch diese konnten und können sich der Unterstützung des Ministers sicher sein. Sie haben nichts zu befürchten. Die Verschwendung für rund 40 Millionen Euro (Anm. d. Red: Investitionen in Staßfurt) spielen für die Verantwortlichen wie bei der Schließung der Frauen- und Kinderkliniken keine Rolle. So geht man mit Steuergeldern um.

"Es bleibt keine Zeit für den Menschen und seine Bedürfnisse"

Die Aufsichtsbehörden werden unter Druck gesetzt und haben keinen Einwand. Meine Hoffnung für eine Privatisierung wird sich somit auch zerschlagen. Man wird den eventuellen künftigen Investor gegen die Wand laufen lassen. Es könnte ja auch zu einer Konkurrenz gegenüber den umliegenden Kliniken führen. Die Bemühungen unseres Oberbürgermeisters René Zok und weiterer Persönlichkeiten werden leider weiterhin ergebnislos bleibe.

Nun sollte man nicht glauben, dass mir die Kosten egal sind. Die Relationen sind jedoch entscheidend. Man kann doch die Rentabilität einer Produktionsfirma nicht mit einer Institution für die medizinische Behandlung von Menschen gleichsetzen. Die Humanität und Menschlichkeit sollte im Vordergrund stehen, bei Beachtung der Kosten.

Was man bei der medizinischen Finanzplanung offensichtlich nicht beachtet, ist die psychische Betreuung der Patienten. Dafür bleiben keine Zeit und kein Geld. Die Psyche ist der Grundpfeiler jedes menschlichen Daseins und bestimmt das Wohlbefinden, vor allem eines kranken Menschen. Doch leider sind diese Ansinnen bei der Behandlung von Patienten nicht bezahlbar. Es bleibt dem medizinischen Personal gar keine Zeit dafür, weil die Behandlung wie bei der Fließbandarbeit in einem engen Zeitrahmen und Kostenlimit stehen.

Zum Schluss rufe ich die Bevölkerung zu einer öffentlichen symbolischen Kranzniederlegung für unsere Klinik auf: Ruhe sanft!

Walter Früchtel

Staßfurt

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Ein anderes Thema in Staßfurt ist der Streit um die Garagen in Löderburg. Zu einem Leserbrief (15. Dezember 2010) von Dr. Rolf Funda, der sich mit einer Bürgerinitiative wehrt, erreichte die Redaktion folgender Leserbrief:

Werter Herr Funda, wenn Sie erwarten, dass die Herren des Staatssicherheitsdienstes als normale Menschen betrachtet werden sollen, dann kann es mit Ihrer Aufarbeitung der Verbrechen des Staates DDR an seine eigenen Mitbürger und auch an Bürger, welche in der BRD lebten, nicht weit her sein. Spione spionieren, wie der Name schon sagt. Aber die Schergen des Mielke-Dienstes morderten, entführten, sperrten weg. Diese Liste ist noch weiter ausführbar. Sollte schon die Vergesslichkeit fortgeschritten sein, empfehle ich Lesematerial wie "Gefangen in Hohenschönhausen", "Sie nahmen mir nicht nur die Freiheit" oder "Die Stasi lebt". Eines steht fest: Im öffentlichen Leben wie Bund, Land, Gemeinnützigkeit oder Vorständen von Vereinen sollten ehemalige Stasi-Mitarbeiter nichts zu suchen haben. Wer die Demokratie mit den Füßen getreten hat – und das haben die SED und ihre Diener – weint sofort, wenn man in 20 Jahren zum Glück noch nicht alles vergessen ist.

Karl Kroschke,

Neundorf