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Zufall sorgt für Klarheit über die Herkunft der Arbeit 600 Jahre altes Relief erinnert an zerstörte St.-Jakobi-Kirche

Arbeiter haben beim Bau am Rande des Dom-Kreuzgangs zwei Kunstwerke
entdeckt. Ein altes Foto legt nahe, dass die Bildtafel aus der
St.-Jakobi-Kirche stammt, die sich am Nordende der Jakobstraße befand.

Von Martin Rieß 27.02.2014, 08:02

Magdeburg - Altstadt l Ein paar alte Zeitungsreste ließen den Schluss zu: Das Relief und die Schrifttafel, die vor wenigen Wochen in einer zugemauerten Nische des Konsistoriums direkt am Kreuzgang des Doms gefunden wurden, sind in den Wirren der Nachkriegszeit hierhergelangt.

Auf dem Relief ist noch in einem Rahmen die Kreuzigung Christi, am Kreuzesbalken Mond und Sterne, Engel mit den Leidenswerkzeugen, Frauen und Männer und die Reste einer Figur mit Rüstung zu erkennen.

Bereits wenige Tage nach dem Fund am Dom stand mit großer Wahrscheinlichkeit fest: Die Bildtafel stammt nicht von hier, sondern aus der St.-Jakobi-Kirche, deren Reste 1959 abgebrochen wurden. Dass die Identifizierung des von Experten als sehr qualitätsvolle Arbeit eingeschätzten Werks so schnell ging, ist einem Zufall zu verdanken: Die Stiftung hatte die Abbildung dem Domexperten Dr. Heiko Brandl vorgelegt. Und als Katrin Steller sie sah, die derzeit über Skulpturen vom Gouvernementsberg promoviert, erkannte sie die Arbeit wieder: Auf einem alten Foto der St.-Jakobi-Kirche ist sie samt Inschrift am Choraußenbau zu erkennen.

Ralf Lindemann, Baudirektor der Stiftung Dome und Schlösser in Sachsen-Anhalt, hat das Kunstwerk am Dienstag in Augenschein genommen. Er sagt: "Ungewöhnliche Dinge finden wir ab und zu - zum Beispiel den Rest eines historischen Gebäudeteils im Schloss Leitzkau bei Arbeiten im Jahr 1997." Auch der Magdeburger Dom ist immer wieder für Überraschungen gut: 400 Jahre alte Putzritzungen waren hier entdeckt worden, ebenso wie ein Metallanker als bautechnische Besonderheit. Stiftungssprecherin Eta Erlhofer-Helten ergänzt: "Das Besondere im Falles des Reliefs ist aber, dass es sich um ein Kunstwerk aus einem völlig anderen Gebäude handelt."

Ans Tageslicht gekommen waren die beiden Fundstücke übrigens bei Arbeiten an einem neuen Aufzug. Der soll vom Kreuzgang des Magdeburger Domes barrierefrei aus zugänglich sein und in eine bislang ebenso dringend benötigte wie nicht vorhandene Toilette für Besucher des Doms führen. An dem Projekt wird bereits seit längerem gearbeitet.

Carsten Sußmann von Sußmann + Sußmann - Architekten und Ingenieure" erinnert sich an den Tag der Wiederentdeckung des Reliefs: "Die Handwerker hatten kurz nach Beginn der Arbeiten an der zugemauerten Nische die beiden Fundstücke entdeckt und uns sofort Bescheid gegeben. Damit hatten wir nicht gerechnet - und waren erst einmal baff." Eine Verzögerung der Bauarbeiten habe dies aber keinesfalls bedeutet. "Da die beiden Stücke nur hinter der Mauer abgestellt waren, konnten sie relativ einfach beiseite gehoben werden", berichtet Carsten Sußmann. Auch der Untergrund habe sich als unproblematisch erwiesen - anstelle von archäologischen Fundstücken fand sich an dieser Stelle nur eiszeitlicher Sand, so dass es auch aufgrund von Grabungsarbeiten keine Unterbrechung gegeben hat. Die Hoffnung ist, dass der Aufzug zur neuen Toilette im Sommer fertig sein wird.

Was derweil aus den Funden aus der Mauernische wird, ist noch offen. Ralf Lindemann sagt: "Für die Relieftafel mit der Kreuzigungsszene ist die Herkunft ja geklärt. Damit gehört das Kunstwerk der Altstadtgemeinde." Falls diese keinen Wert auf die Tafel legen sollte, müsse neu überlegt werden. "Auf jeden Fall ist es ja ein einzigartiges museales Erinnerungsstück aus einer alten Magdeburger Kirche - selbst wenn mit dem Abriss der Ruine 1959 der historische Kontext verloren gegangen ist."

Bei dem zweiten Fundstück handelt es sich um eine Tafel im Format 23 mal 58 mal 10 Zentimeter. Auf ihr ist in gotischen Minuskeln mit Versalien die Inschrift "Heyne Rascel vnde/Ylse sin husurowe un(de)/ katherina sin dochtere" zu erkennen - was in niederdeutscher Sprache auf einen gewissen Heyne Rascel, seine Frau Ylse und seine Tochter Katharina hinweist. Wahrscheinlich dokumentiert der Stein die Stiftung einer bürgerlichen Familie aus der Zeit um 1500, vermutet Dr. Cornelia Neustadt von der Inschriftenkommission der Sächsischen Akademie der Wissenschaften.