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Ostern Die süße Seite Sachsen-Anhalts

Bolchen in Magdeburg oder Zetti in Zeitz: Ostern ist für die Süßwarenindustrie Sachsen-Anhalts einer der wichtigsten Verkaufszeiten.

26.03.2016, 23:01

Magdeburg l Der klassische Hase aus Vollmilch, der bei Wergona in Wernigerode (Landkreis Harz) hergestellt wird, ist besonders gefragt.

Das Unternehmen ist einer der größten Hohlkörperproduzenten Europas. Rund 27 Millionen Schokoladen-Osterhasen sowie 40 Millionen Ostereier laufen in dem Werk am Stadtrand jährlich vom Band. Hinzu kommen 27 Millionen Weihnachtsmänner. Bereits im Dezember haben die rund 260 Wergona-Mitarbeiter mit der Produktion für das Oster-Geschäft begonnen. „Jetzt werden die Maschinen gewartet. Viele Mitarbeiter haben frei“, sagt Geschäftsführer Rüdiger Bonner, der seit 2002 das Sagen bei Wergona hat. Damals hatte das Unternehmen, das zur mittelständischen Rübezahl Schokoladen GmbH mit Sitz in Dettingen/Teck bei Stuttgart gehört, nur 40 Mitarbeiter. Wergona ist rasant gewachsen, erzielt mittlerweile einen Jahresumsatz von rund 80 Millionen Euro. Bei nahezu allen großen Supermarktketten gibt es die süßen Produkte aus Wernigerode. Im Mai wird die Produktion wieder hochgefahren. Dann zieht in den Wergona-Hallen schon der Weihnachtsmann ein.

In mehr als 50 Länder werden die süßen Produkte aus Wernigerode exportiert. 13 000 Tonnen Schokolade werden pro Jahr bei Wergona verarbeitet. Naschen ist im Wernigeröder Schokoladenwerk erlaubt. Wenn Rüdiger Bonner zugreift, nennt er das Qualitätskontrolle. „Ich verkoste immer wieder. Schokolade macht nicht dick, Schokolade macht nur glücklich“, sagt er und lacht.

Naschkatzen im Osten hatten es vor dem Fall der Mauer schwer: Mit billigen Ersatzstoffen ließ die DDR-Führung teure Lebensmittel aus dem Westen nachahmen. Als 1968 in Deutschland mit Schokolade überzogene Cornflakes und Mandeln auf den Markt kamen, zog der Süßwarenhersteller Zetti wenig später nach. 1974 liefen in Zeitz (Burgenlandkreis) zum ersten Mal die Knusperflocken aus Schokolade und Knäckebrot vom Band. Heute sagt Wolfgang Sablotny: „Die Knusperflocken sind ein traumhafter Erfolg.“ Denn die mit Schokolade umhüllten Knäckebrotstückchen treffen noch immer den Nerv der Kunden.

Wolfgang Sablotny hat Zetti nach der Wende übernommen und das Unternehmen auf Kurs gebracht. Doch kurz nach dem Mauerfall hat es Zetti schwer. Denn viele Ost-Markenartikel sind nach der Wende zunächst unverkäuflich, weil West-Hersteller mit ihren Produkten die Märkte besetzen. Von vielen Vertretern großer Handelsketten hört Wolfgang Sablotny damals diesen Satz: „Die Zeit der DDR-Produkte ist vorbei.“ Glauben will der gebürtige Norddeutsche daran aber nicht. Stattdessen engagiert er den Komiker Eberhard Cohrs, den in den folgenden Jahren die Stimme der Marke Zetti wird. Neu-Chef Sablotny ist aber auch ein knallharter Sanierer. Er stellt das Sortiment um. Mehr als 30 Artikel fallen dem Rotstift zum Opfer.

Heute arbeiten fast 100 Mitarbeiter im Werk. 2015 erzielte Zetti einen Umsatz von rund 33 Millionen Euro. Erst vor drei Jahren hat Sablotny für rund acht Millionen eine neue Fertigungslinie aufbauen lassen. Drei neue Produkte bringt Zetti dieses Jahr auf den Markt.

21 Tage dauert die Produktion der gefüllten Dragee-Eier – vom Eingießen des Zuckerwassers in die Maisstärke-Form, dem Ankristallisieren, den vielen Drageevorgängen bis zum Schluss dem Glänzen mit Bienenwachs. Die kleinen bunten Eier gehören zu den absatzstärksten Artikeln von Bodeta aus Oschersleben. Insgesamt 4800 Tonnen Süßwaren verlassen im Jahr die Fabrik im Landkreis Börde. „Seit Ende September haben wir für das Ostergeschäft produziert“, verrät Dirk Thielemann, der bei Bodeta für Marketing und Vertrieb zuständig ist.

Bodeta (abgeleitet vom Bodetal) ist 1892 in Oschersleben als Firma Becker & Schmidt gegründet worden. Noch heute wird auf dem historischen Firmengelände produziert. 120 Mitarbeiter sorgen für fast 14 Millionen Euro Jahresumsatz. Neben den Ostereier-Dragees sind vor allem die in grün-schwarzem Papier verpackten Eukalyptus-Bonbons gefragt. Seit 1992 gehört Bodeta einer Holding in der Schweiz. „In unseren Marktnischen haben wir uns durchsetzen können“, sagt Thielemann. Damit der Erfolg bleibt, investiert Bodeta. Bis 2018 werden für rund zwei Millionen Euro neue Maschinen gekauft. Künftig sollen dann noch mehr Bonbons aus Sachsen-Anhalt ihren Weg in die Supermarktregale finden.

Seit März des vergangenen Jahres gibt es auf der Nordseite der Grünen Zitadelle in Magdeburg einen Laden, aus dem süßer Duft nach draußen auf den Gehweg strömt. Elke Freiberg hat hier ihre Bonbon-Manufaktur. Bolchen hat die 55-Jährige ihre kleine Handwerks-Stube getauft. Eine Hommage an ihren Vater, der früher immer gesagt hat: „Gib mir mal ein Bolchen.“

Bis zu 1000 Stück der süßen Drops stellt Elke Freiberg täglich her. „Der Renner sind meine Schoko-Kirsch-Bonbons mit einem Hauch von Chili“, erklärt sie. Zu Ostern hat die Bonbon-Frau eine ganz besondere Kreation entwickelt: einen Lutscher in Osterhasen-Ohren-Form. Am heutigen Sonnabend gibt es den orangefarbenen Lolli zu jedem Einkauf dazu – als Dankeschön an ihre Kunden, die seit einem Jahr die Bonbons aus Magdeburg kaufen.

Elke Freiberg hat ihr Handwerk während eines vierwöchigen Kurses in einer Bonbon-Manufaktur in Augsburg gelernt: In einem Kupfertopf kocht die Bonbon-Frau zunächst den Grundstoff für die handgemachten Süßigkeiten, eine Mischung aus Wasser, Zucker und Glukose. Später wird die Masse in einen Edelstahlrahmen gefüllt und mit natürlichen Aromen vermischt. Anschließend formt Freiberg die Bonbons.

Seit den Siebzigerjahren ist die süße Arbeit kein Ausbildungsberuf mehr. In Sachsen-Anhalt gibt es neben der Manufaktur von Elke Freiberg noch einen weiteren Bonbon-Mann in Zeitz. Das Handwerk ist selten geworden.