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Coronavirus Schlachthöfe in Sachsen-Anhalt unter Druck

Um in Sachsen-Anhalt einen Corona-Lockdown zu verhindern, macht der Burgenlandkreis mit Tönnies-Standort in Weißenfels dem Konzern Druck.

Von Massimo Rogacki 25.06.2020, 07:18

Magdeburg l Nach dem Corona-Ausbruch in der Fleischfabrik Tönnies im Landkreis Gütersloh und dem Lockdown in der Region hält auch das Gesundheitsministerium Sachsen-Anhalt Tests in hiesigen Schlachtbetrieben für angebracht. Eine Rechtsgrundlage für verpflichtende Untersuchungen gebe es derzeit nicht. Dies sei nur bei auftretenden Infektionsfällen möglich, hieß es. Der Landrat des Burgenlandkreises, Götz Ulrich, dringt unterdessen auf regelmäßige Tests für alle Mitarbeiter des Tönnies-Standortes in Weißenfels. „Es wäre eine Katastrophe für die Einwohner und die gesamte Wirtschaft im Burgenlandkreis, wenn wir wie im Kreis Gütersloh alles herunterfahren müssten“, so Ulrich gegenüber der dpa.

Bis zum 30. Juni soll der Konzern die Kontaktdaten aller Mitarbeiter übergeben. Der Landkreis plane zudem die Versorgung unter Quarantäne gestellter Bewohner, das Hinzuziehen von Dolmetschern und beschäftige sich mit der logistischen Planung erneuter Corona-Massenabstriche. Am Freitag hatte der Kreis angeordnet, dass Beschäftigte von Tönnies-Standorten in NRW vorerst nicht in Weißenfels arbeiten dürfen.

In Sachsen-Anhalt unterhält Tönnies Produktionsstandorte in Zerbst und Weißenfels. Im Werk im Burgfenlandkreis arbeiten rund 2200 Beschäftigte. Im Mai waren dort 1200 Mitarbeiter getestet worden. Es gab keine positiven Fälle. Seit Dienstag werden auf freiwilliger Basis Mitarbeiter in Zerbst getestet.

Schleswig-Holstein hat die Regeln für Schlachthöfe bereits verschärft. Neue Beschäftigte in fleischverarbeitenden Betrieben mit mehr als 150 Mitarbeitern müssen künftig zwei negative Corona-Tests vorweisen, bevor sie die Arbeit aufnehmen dürfen. Am Dienstag wurde ein entsprechender Erlass veröffentlicht.

Hannes Loth von der AfD-Fraktion sieht die Landesregierung in Sachsen-Anhalt in der Verantwortung. Sie müsse Kontrollen in den Betrieben anordnen. Der sozialpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Tobias Krull, erwartet, dass die großen Schlachtbetriebe Mitarbeiter auf eigene Kosten testen lassen.

Linken-Fraktionschef Thomas Lippmann kritisiert die in der Branche „weit verbreiteten unwürdigen Arbeitsbedingungen“ und fehlende Arbeitnehmerrechte. Hier müsse nachgebessert werden. SPD-Fraktionsvize Andreas Steppuhn hält es neben den von Unternehmen finanzierten Kontrollen für nötig, dass die Personalausstattung der zuständigen Behörden und die Kontrolldichte erhöht werden. Nur so könne die Einhaltung der Arbeitsbedingungen kontrolliert werden.

Dorothea Frederking (Grüne) fordert einen grundlegenden Wandel in der Fleischverarbeitung. Schlechte Bedingungen für das Personal und Unterbringung auf engstem Raum müssten ein Ende haben.

Die drei großen Konzerne Tönnies, Westfleisch und PHW mit der Marke Wiesenhof hatten bereits angekündigt, die Situation der Beschäftigten verbessern zu wollen und auf Werkverträge in einigen Bereichen zu verzichten. Ein Beispiel: Der Standort von Wiesenhof mit 242 Mitarbeitern in Möckern (Jerichower Land). Ab 2021 sollen nach Angaben von PHW die mit Werkverträgen ausgestatteten Mitarbeiter in ein festes Anstellungsverhältnis übernommen werden. Laut Geschäftsführer Michael Schönewolf haben in Möckern 34 Mitarbeiter Werkverträge. Am Standort habe man keinen Corona-Fall gehabt, so der Schlachthof-Chef. Alle Urlaubsrückkehrer würden getestet, es gelten verstärkte Hygienemaßnahmen. Man stehe in engem Kontakt mit den Gesundheitsbehörden des Landkreises Jerichower Land.

Wiesenhof hat elf Geflügelverarbeitungsbetriebe bundesweit. In Sachsen-Anhalt wird außer in Möckern am Standort Reuden (Anhalt-Bitterfeld) geschlachtet. Einen Verarbeitungsbetrieb gibt es zudem in Zerbst. Bei einem Wiesenhof-Betrieb im Landkreis Oldenburg waren in dieser Woche bei 50 getesteten Mitarbeitern 23 Infektionen festgestellt worden. Auch Tönnies kündigte an, die Werkverträge ab 2021 abzuschaffen und die Mitarbeiter anzustellen. Der Konzern wolle zudem „ausreichend und angemessenem“ Wohnraum für die Beschäftigten an den Standorten schaffen.

Im westfälischen Rheda-Wiedenbrück waren mehr als 1500 Mitarbeiter positiv auf das Coronavirus getestet worden. Der Kreis Gütersloh hatte 7000 Beschäftigte und Management per Verordnung unter Quarantäne gestellt. Die nordrhein-westfälische Landesregierung erließ für die Kreise Gütersloh und Warendorf Einschränkungen des öffentlichen Lebens mit Kontaktverboten und Schließungen.