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High Tech Park Wie der durstige Chipkonzern Intel in Magdeburg mit Wasser versorgt werden soll

Ein Wasserwerk an der Elbe könnte Intel locker versorgen - doch in er ersten Produktionsphase müssen andere Quellen angezapft werden.

Von Jens Schmidt Aktualisiert: 05.04.2024, 14:21
So soll Intel Magdeburg einmal aussehen: Das Unternehmen stellte der Volksstimme die neueste Visualisierung der geplanten Fabriken zur Verfügung. Angestrebt wird ein Baustart Ende 2024, ein Produktionsbeginn wäre voraussichtlich 2028/2029 möglich.
So soll Intel Magdeburg einmal aussehen: Das Unternehmen stellte der Volksstimme die neueste Visualisierung der geplanten Fabriken zur Verfügung. Angestrebt wird ein Baustart Ende 2024, ein Produktionsbeginn wäre voraussichtlich 2028/2029 möglich. Intel

Magdeburg - Die Wasserversorgung der künftigen Intelfabriken in Magdeburg sicherzustellen, ist nicht allein eine technische Großaufgabe – diese besitzt nach Jahren der Dürre auch eine gesellschaftspolitische Brisanz: Von 2018 bis 2022 waren die Grundwasserstände massiv gesunken, derzeit erholen sie sich wieder – doch was passiert, wenn der Konzern Ende des Jahrzehnts loslegt und es wieder jahrelang zu wenig regnen sollte?

Im „High Tech Park“ im Südwesten Magdeburgs werden Intel sowie Zulieferer ab Ende der 20er Jahre  produzieren.  Ein neues Wasserwerk an der Elbe soll in den 30er Jahren den hohen Wasserbedarf des Halbleiterherstellers decken – über eine etwa elf Kilometer lange Leitung würde das Industriegebiet versorgt. In der ersten Phase sollen Mittellandkanal und Colbitz-Letzlinger Heide die benötigen Wassermengen liefern.
Im „High Tech Park“ im Südwesten Magdeburgs werden Intel sowie Zulieferer ab Ende der 20er Jahre produzieren. Ein neues Wasserwerk an der Elbe soll in den 30er Jahren den hohen Wasserbedarf des Halbleiterherstellers decken – über eine etwa elf Kilometer lange Leitung würde das Industriegebiet versorgt. In der ersten Phase sollen Mittellandkanal und Colbitz-Letzlinger Heide die benötigen Wassermengen liefern.
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Hundertmal mehr als nötig

Der Wasserbedarf ist in der Halbleiterproduktion riesig. Die Wafer, die glänzenden Scheiben mit ihren Halbleitern und zig Milliarden Transistoren, müssen im Herstellungsprozess ständig gespült werden. Intel will intern große Mengen des Wassers aufbereiten, um den Bedarf zu senken. Dennoch: Pro Tag benötigen die beiden geplanten Fabriken laut der jetzt ausliegenden Genehmigungsunterlagen etwa 21.000 Kubikmeter Frischwasser pro Tag. Das ist fast so viel wie der Tagesverbrauch der ganzen Stadt Magdeburg – deren Haushalte und Betriebe derzeit etwa 30.000 Kubikmeter verbrauchen.

Und künftig wird der Durst des gesamten High Tech Parks noch wachsen: Intel erwägt eine Erweiterung auf bis zu acht Fabriken, hinzu kommen etliche Zulieferer. Ein Gesamtbedarf von etwa 85.000 Kubikmetern am Tag halten Magdeburgs Versorger für realistisch. Das ist viel. Einerseits.

Andererseits böte die Elbe mehr als genug, um den Bedarf locker zu decken. Denn: 85.000 Kubikmeter am Tag – das ist etwa ein Kubikmeter Wasser pro Sekunde. In Magdeburg bietet die Elbe selbst in Niedrigwasserzeiten mittlere 220 Kubikmeter pro Sekunde – teilt der zuständige Landesbetrieb für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft LHW der Volksstimme mit. Im Dürre-Sommer 2018 waren es immerhin noch 135 Kubikmeter, und selbst das historische Minimum von 102 Kubikmetern aus dem Jahr 1934 überträfe den Bedarf um das Hundertfache. Aktuell fließen in Magdeburg etwa 500 Kubikmeter Elbwasser pro Sekunde gen Hamburg.

„Das ist mehr als genug“, sagt Thomas Pietsch, Geschäftsführer der Städtischen Werke Magdeburg (SWM). „Daher planen wir den Bau eines Wasserwerks an der Elbe.“

Viel Wasser, ein Problem

Die SWM ist der größte Gesellschafter des Trinkwasserversorgers TWM, der Magdeburg und die nördliche Region Sachsen-Anhalts mit Wasser aus der Colbitz-Letzlinger Heide beliefert. Pietsch erläutert im Gespräch mit der Volksstimme die Pläne des Versorgers. Möglich wäre eine Entnahme „direkt aus der Welle“, also direkt aus dem Fluss, sagt Pietsch. Allerdings sei zu bedenken, dass die Qualität des Wassers jahreszeitlich sehr schwankt – vor allem im Herbst, wenn Laub fällt, seien viele organische Bestandteile im Fluss. „Das Wasserwerk muss aber konstant beste Qualität liefern.“ Daher komme auch eine Entnahme aus dem Uferbereich infrage: Dazu werden entlang der Elbe – vereinfacht gesagt – alle 50 bis 60 Meter Löcher gebohrt und von dort Wasser herausgepumpt. Der Boden wirkt wie ein Filter – „daher der Name Uferfiltrat für solch eine Variante“.

Die Kapazität des Wasserwerks sei noch offen, sagt Pietsch. „Doch es soll nicht allein den High Tech Park und Intel versorgen, sondern darüber hinaus auch die Stadt mit Trinkwasser. Das stabilisiert das Gesamtsystem.“

Doch die Sache hat noch einen Haken: Wenn Intel Ende der 20er Jahre die ersten Halbleiter herstellt, ist das Wasserwerk noch nicht am Netz. „Allein für die Genehmigungsplanung müssen wir vier bis fünf Jahre kalkulieren“, schätzt Pietsch. Elbe-Wasser stünde also wohl erst Anfang der 30er Jahre zur Verfügung. Was passiert bis dahin?

Was kann die Heide liefern?

Bis das Elbe-Wasserwerk liefert, soll das Reservoir der Colbitz-Letzlinger Heide den Wasserbedarf Intels in der ersten Phase sichern. Benötigt werden also etwa 21.000 Kubikmeter täglich für die ersten beiden Fabriken. Ist das machbar?

„Grundsätzlich schon“, sagt Pietsch. Der Trinkwasserlieferant versorgt mit seinen Brunnen in der Heide seit Jahrzehnten zuverlässig die Magdeburger Region. Und das auch zu DDR-Zeiten, als der Wasserbedarf deutlich höher lag als heute. Magdeburg (aktuell 240.000 Einwohner) hatte damals 50.000 Einwohner sowie etliche durstige Großbetriebe mehr als heute. Derzeit benötigt die Stadt etwa 30.000 Kubikmeter Wasser am Tag – damals lag der Verbrauch etwa doppelt so hoch, sagt Pietsch.

Würde man die Kapazität also wieder auf DDR-Niveau hochfahren, könnte man die beiden Intelfabriken ohne Probleme versorgen. Doch es gibt derzeit einen Engpass: die Ohre.

Hilft der Kanal?

Das Flüsschen Ohre ist ein natürlicher Lieferant für das Trinkwassergebiet. Dort, in der Colbitz-Letzlinger Heide, wird Wasser aus der Ohre gepumpt, wo es auf eigens angelegten Flächen versickert und die Grundwasserspeicher füllt.

Gespeist wird die Ohre vor allem im Drömling – jenem Feuchtgebiet rund um Mieste bei Gardelegen. Zu DDR-Zeiten funktionierte das besonders gut: Große Areale wurden dort für die Landwirtschaft melioriert; das Wasser gelangte über Gräben in die Ohre und weiter in die Heide. Doch die Zeiten haben sich geändert. Der Drömling, mittlerweile Naturpark, wird wieder vernässt. Die Folge: Der Trinkwasserversorger darf – bedingt durch den Wasserstand – derzeit nur deutlich kleinere Mengen als früher aus der Ohre entnehmen.

Ein neuer „Lieferant“ muss her. Die Wahl fiel auf den Mittellandkanal – die große Wasserstraße, die aus dem Westen kommend, ebenfalls den Drömling durchzieht und in Magdeburg endet.

Der Versorger TWM sei seit längerer Zeit mit dem Bundesverkehrsministerium und Genehmigungsbehörden im Gespräch über Entnahmerechte für den Mittellandkanal, sagt Pietsch – bisher benötigte man sie nicht, mit Intel ändert sich die Lage.

Pietsch erläutert die Idee: Der Kanal würde im Drömling angezapft, das Wasser fließt dort ins Areal, wird im Boden gefiltert, gelangt dann in die Ohre und schließlich ins Trinkwasserreservoir der Heide. Dem Kanal würden die abgezapften Mengen an anderer Stelle wieder zurückgegeben: Am Wasserstraßenkreuz in Magdeburg könnte man Wasser aus der Elbe in die Wasserstraße pumpen, so wäre der Schiffsverkehr nicht beeinträchtigt. Die Pumpen gibt es bereits, sie müssten allerdings erneuert werden. „Das Vorhaben lässt sich zügig umsetzen“, sagt Pietsch. So könnten rechtzeitig vor Produktionsstart die nötigen Wassermengen geliefert werden.

Für Wasserwerk und Mittellandkanal-Lösung stehen beträchtliche Investitionen an – präzise Summen liegen noch nicht vor. Pietsch schreibt: „Die Stadt Magdeburg und das Land Sachsen-Anhalt unterstützen diese Vorhaben zur Weiterentwicklung des öffentlichen Trinkwasserversorgungssystems im nördlichen Sachsen-Anhalt. Die TWM wird dafür auch Fördermittel beantragen, die das Gesamtsystem stützen und auch nicht vermeidbare inflationsbedingte Kostensteigerungen dämpfen. Die trinkwasserseitige Erschließung des High Tech Parks wird nicht gefördert.“

Das Grundwasserproblem

Mittellandkanal, Heide, Wasserwerk – Pietsch sagt: „Die Wasserversorgung für Intel und die Zulieferer ist gesichert ohne negative Auswirkungen auf den Grundwasserkörper.“ Das bedeute aber auch, dass – unabhängig davon – Anstrengungen erforderlich seien, um künftig mehr Niederschlagswasser in der Region zu halten, damit bei der nächsten Dürre die Grundwasserstände nicht wieder so stark absacken.

Im High Tech Park soll das beherzigt werden. Intel teilt der Volksstimme mit Verweis auf die Genehmigungsunterlagen mit, dass Regenwasser – etwa von Dächern und Parkplätzen – in Rückhaltebecken versickert wird.

Intel errichtet für 30 Milliarden Euro zwei Chipfabriken in Magdeburg. Sobald die EU-Wettbewerbskommission die Subvention von 9,9 Milliarden Euro genehmigt hat, soll der Bau starten. „Wir hoffen, Ende 2024 den Spatenstich zu machen“, sagte Intel-Vorstand Keyvan Esfarjani im Januar in Davos.

Der Bau der Fabriken dauert vier bis fünf Jahre, sagte Intel-Vertriebschef Christoph Schell der Volksstimme.