Strompreise Minister will Akzeptanz-Prämie für Windpark-Anlieger: Doch die Gesetzgebung hakt
36.000 Euro je Windrad? Sachsen-Anhalts Energieminister Armin Willingmann (SPD) fordert im Interview mehr Tempo bei der Gesetzgebung, eine Subvention der Netzentgelte und ein Überdenken der deutschen Klimaziel-Vorgabe 2045.

Magdeburg - Volksstimme: Herr Willingmann, Sie wollten Gemeinden finanziell besser an der Windkraft beteiligen um Widerstände zu brechen. Wie ist der Stand?
Armin Willingmann: Wir wollen keine Widerstände brechen, sondern Akzeptanz steigern. Wir haben aber leider immer noch kein Akzeptanz- und Beteiligungsgesetz. Kommunen würden gern mehr Windkraft genehmigen. Sie warten aber auf dieses Gesetz.
Volksstimme: Woran hakt es?
Willingmann: Unser Gesetzentwurf wird im Landtag beraten – dort geht es um letzte Details, die sich leicht klären lassen. Ich bedauere, dass das parlamentarische Verfahren so lange dauert.
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Volksstimme: Worum dreht sich der Streit?
Willingmann: Zunächst: Wirtschaftsminister Habeck hatte es ja abgelehnt, eine bundesweit einheitliche Regelung schaffen. Nun sind die Länder am Zug. Unser Ministerium hat folgendes vorgeschlagen: Jeder Betreiber zahlt jährlich eine bestimmte, feste Abgabe je Windrad an die Gemeinde - und zwar verpflichtend. Die Höhe der Summe richtet sich nach der Nennleistung eines Windrads - also unabhängig davon, ob in außergewöhnlich guten Jahren mal viel Windstrom anfällt und in schwachen mal weniger. Das gibt den Gemeinden von Anfang an Planungssicherheit. Darauf haben wir uns im Kabinett geeinigt. Vertreter der Koalitionspartner CDU und FDP sind anderer Meinung: Sie wollen, dass nach der tatsächlich gelieferten Strommenge pro Jahr bezahlt wird. Das würde zum einen bürokratischen Prüfaufwand und zum anderen wetterabhängige Zahlungen für die Gemeinden bedeuten.
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Mindestabgabe von 6.000 Euro je Megawatt vorgeschlagen
Volksstimme: Was ist bei einem modernen 6-Megawatt-Rad zu erwarten?
Willingmann: Wir haben als Mindestabgabe 6.000 Euro je Megawatt Nennleistung vorgeschlagen. Bei einer Windkraftanlage mit sechs Megawatt wären das 36.000 Euro pro Jahr. Die Gemeinden können aber auch mehr aushandeln.
Volksstimme: Wer bekommt das Geld?
Willingmann: Grundsätzlich die Gemeinden im Radius von zweieinhalb Kilometern rund um das Windrad. Bei Einheitsgemeinden hatten wir zunächst vorgesehen, dass eine Hälfte an die unmittelbar betroffene Ortschaft geht, die andere Hälfte an die gesamte Gemeinde. Nun sahen einige Bürgermeister darin eine Unwucht. Verständlich. Jetzt sollen 25 Prozent im Ortsteil verbleiben, der Rest an die Gemeinde gehen. Im Gemeinderat kann die Verteilung angepasst werden.
Volksstimme: Müssen die Gemeinden mit den Windrad-Einnahmen Schulden tilgen?
Willingmann: Nein, wir haben einen sehr liberalen Ansatz gewählt: Die Gemeinden können die Einnahmen einsetzen, wo sie wollen. Die Gelder werden auch nicht beim kommunalen Finanzausgleich oder der Kreisumlage angerechnet. Es ist ein echtes Plus und wird nicht an anderer Stelle wieder abgezogen.
Ein politisch gewollter Kohle-Ausstieg bis 2030 ist nicht realistisch
Volksstimme: Zuletzt rasten die Strompreise wegen der Dunkelflaute durch die Decke. Was läuft falsch?, Willingmann: Es ist doch klar: Wir benötigen regelbare Kraftwerkskapazität, um wetterbedingte Lücken bei Sonnen- und Windstrom zu füllen. Hier hat das Haus Habeck zu wenig geleistet, da muss eine neue Bundesregierung energischer handeln. Das zeigt auch, dass wir unsere Kohlekraftwerke in Sachsen-Anhalt noch einige Zeit benötigen und ein politisch gewollter Ausstieg bis 2030 nicht realistisch ist.
Volksstimme: Bleibt es beim Kohle-Aus 2038?
Willingmann: Das war ein politisches Ziel der Ampel-Koalition. Relevanter werden aber wirtschaftliche Entscheidungen der MIBRAG sein. Auch vor dem Hintergrund, dass 2034, wenn der Tagebau Profen erschöpft ist, keine neuen Felder und Häuser mehr abgebaggert werden dürfen.
Werden Klimaziel 2045 nicht erreichen, wenn Wettbewerbsfähigkeit auf dem Spiel steht
Volksstimme: Die EU will bis 2050 Klimaneutralität erreichen - Deutschland schon 2045. Ökonomen warnen, dass der nationale Sonderweg zu teuer ist und Industriebetriebe abwandern. Ziel verschieben?
Willingmann: Diese Frage kann man stellen, sie ist kein Tabu, wenigstens müssen wir darüber diskutieren. Wir werden das Ziel 2045 jedenfalls nicht erreichen, wenn wir dafür unsere internationale Wettbewerbsfähigkeit preisgeben müssten. Wir wollen ein Industrieland bleiben. Aber zur Wahrheit gehört auch die Tatsache, dass viele Unternehmen aus eigenem Interesse heraus weit vor 2050 klimaneutral produzieren wollen und können.
Netzentgelte und Stromsteuern müssen sinken
Volksstimme: Sie wollten sich für sinkende Strompreise einsetzen - doch für die Haushalte ist nicht viel herausgesprungen.
Willingmann: Mit dem Ergebnis bin ich unzufrieden. Zwar werden die Netzentgelte zwischen den Regionen jetzt fairer verteilt, doch das wirkt sich für Sachsen-Anhalt nur leicht dämpfend aus. Und die Stromsteuer wurde zwar für das produzierende Gewerbe gesenkt, aber nicht für übrige Unternehmen oder Haushalte. Beides ist ein Ärgernis. Meine Forderung bleibt: Die Netzentgelte, die 2024 im Schnitt bei rund 6,4 Cent pro Kilowattstunde liegen, sollten auf etwa drei Cent gedeckelt werden und die Stromsteuer muss für alle deutlich sinken.
Volksstimme: Das geht nur mit Subventionen - also Steuergeldern.
Willingmann: Ja, aber das halte ich für geboten. Die Atomkraft und die Steinkohle wurden auch jahrelang mit Milliardenbeträgen subventioniert. Außerdem ist der Netzausbau öffentliche Daseinsfürsorge; die Idee, den Ausbau rein privat zu schultern, stößt an Grenzen.
Kostengünstigere Freileitungen statt teurer Erdkabel
Volksstimme: Netzbetreiber 50 Hertz schlägt vor, statt teurer Erdkabel vermehrt günstigere Überlandleitungen zu ziehen. Befürchten Sie Widerstände?
Willingmann: Ich denke, die Lage hat sich geändert: Inzwischen hängt die Akzeptanz stärker von den Kosten als von der Art der Trasse ab. Daher bin ich ausdrücklich dafür, dort, wo es noch möglich ist, auch auf preisgünstigere Freileitungen zu setzen.
Volksstimme: Seit 25 Jahren werden Besitzer von PV-Anlagen mit festen Einspeisevergütungen belohnt: Ist das angesichts stark gefallener Anlagenpreise, der Dominanz chinesischer Produkte und steigender EEG-Kosten zeitgemäß?
Willingmann: Wir sollten künftig tatsächlich mehr auf Direktvermarktung des Sonnenstroms zu Marktpreisen setzen. Nicht nur bei großen, sondern auch bei mittelgroßen Anlagen – damit möglichst viel Sonnenstrom vor Ort verbraucht oder gespeichert wird. Die scheidende Bundesregierung hat noch einen Gesetzentwurf vorgelegt. In Sachsen-Anhalt haben wir für mittelständische Betriebe ein Programm zur Speicherförderung über 22 Millionen Euro aufgelegt: Gut zwei Millionen Euro wurden bislang beantragt.
Wasser-Wärmepumpen in der Elbe?
Volksstimme: Die Stadtwerke Magdeburg wollten eine effiziente Wasserwärmepumpe installieren, doch die Elbe darf nicht angetastet werden. Ist das nicht überzogen?
Willingmann: Es gibt dafür sicherlich naturschutzrechtliche Lösungen: Diese sind gerade Thema in der Bund-Länder-Arbeitsgemeinschaft Wasser. Wir erwarten erste Ergebnisse im ersten Halbjahr 2025. In München an der Isar und in Mannheim am Rhein werden übrigens erste Anlagen installiert. Und zeigen, dass auch dies eine sinnvolle Wassernutzung sein kann.