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Archäologie Bier als Reinigungsmittel

Wie lebten die Sachsen-Anhalter früher? Viele Funde erzählen ihre Geschichte. Ein Blick aufs Mittelalter.

Von Grit Warnat 03.08.2017, 01:01

Magdeburg l Kaiser Otto der Große (gestorben 973) hat der angelsächsischen Prinzessin Editha Magdeburg als Morgengabe geschenkt. Das war im Jahr 929. Editha wurde erste Gemahlin des Kaisers. Drei Jahrzehnte später, Otto der Große hatte die Ungarn in der legendä­ren Schlacht auf dem Lechfeld bezwungen, wurde er zum  römisch-deutschen Kaiser gekrönt. Magdeburg lag ihm am Herzen. Er war häufig hier und machte die Stadt zum Sitz eines neuen Erzbistums. Vor allem: Er baute Magdeburg aus.

Wie groß die Stadt war, ist nicht belegbar. „Aber mit Otto liefen die Großbauprogramme an“, sagt Ulrike Theisen vom Kulturhistorischen Museum der Landeshauptstadt. Den mächtigen Dom nennt sie ein „Mega-Bauprojekt“, in Steinarchitektur und mit großer Pracht ausgestattet. Die Wände waren farbig gefasst, die Mosaikfußböden aus Marmor mit eingelegten Mustern – im derzeit entstehenden Dommuseum wird das später einmal dargestellt. Otto holte wie auch Karl der Große alles über die Alpen. Auch den Marmor. Der kam aus der Türkei, aus Ägypten und Italien. Die Ziegel waren mit Glasur versehen. Das gab es in der Keramik eigentlich erst 300 Jahre später. Magdeburg hatte schon diesen irren Ausstattungsluxus.

Drumherum um den Dom aber war die Architektur klein. Das Standardhaus im 11. Jahrhundert war zwischen sieben und zwölf Quadratmetern groß. Darin wohnte die Familie – mit allen Tieren. Meist mit Hühnern, wer reicher war, mit einem Schwein. Die Besiedelung war dicht an dicht. Sachsen und Slawen lebten einträchtig miteinander. Eine gepflasterte Straße gab es zu jener Zeit schon. Archäologen haben Reste noch unter der Brandschicht vom großen Dombrand im Jahr 1107 gefunden. Heute ist das älteste Pflaster Magdeburgs im Kulturhistorischen Museum ausgestellt. Es ist grob und holprig.

Die Umgebung Magdeburgs hat sehr fruchtbare, ertragreiche Böden. Bauern lebten dort von der Landwirtschaft. Die Elbe bot Fischfang. In der Stadt haben sich verschiedene Handwerker niedergelassen. Otto der Große erkannte schon: Magdeburg liegt verkehrstechnisch unglaublich günstig. Der Transport zu Lande war schwierig. „Die Flüsse waren die Autobahnen des Mittelalters“, sagt Ulrike Theisen. Im Kulturhistorischen Museum ist ein Einbaum zu sehen, gefertigt aus einer einzigen Eiche. Er stammt aus Böhmen, er wurde wie Hunderte andere Einbäume nicht wieder zurückgetreidelt. Die Transportmittel wurden einfach verbrannt. Die Elbe verbindet den Süden mit dem Norden. Zudem gibt es eine West-Ost-Verbindung, den sogenannten Hellweg, eine alte Fernhandelsstraße. Der einzige Weg von West nach Ost kreuzte Magdeburg und führte an einer flachen Furt über die Elbe. Führte sie wenig Wasser, konnte der Ochsenkarren ohne Kahn passieren.

Nur reichere Haushalte haben eine Stundenkerze. Sie maßen die Zeit. Eine Stunde entsprach einem Ring auf der Kerze. Wer arm war, schaute, wann es hell wurde, und orientierte sich am Glockenschlag, wenn man denn zählen konnte. Der mittelalterliche Mensch war meistens nicht unabhängig und strikten Reglementierungen unterworfen. Morgens ging es mit dem Angelusläuten bei Sonnenaufgang los. Sechs Tage die Woche wurde garbeitet. Der Sonntag blieb dem Herrn. Zu der Zeit waren alle katholisch. Viele lebten im Einzugsbereich von Klöstern. Überhaupt war die Region dicht besiedelt. Städtische Gefüge gab es überall. Stendal, Halle, Burg, Quedlinburg, Halberstadt als Bischofssitz.

Doch zurück an die Elbe. Magdeburg entwickelt sich rasant. Unter dem bedeutenden Kirchenfüsten Erzbischof Wichmann (gestorben 1192) begann die Zeit des Bronzegusses. Die Stadt sollte viel Geld damit machen. Damals begann die Zeit des Magdeburger Rechts. Es gilt als eines der bedeutendsten mittelalterlichen Stadtrechte und breitete sich in 1000 Städten und Gemeinden in Mittel- und Osteuropa aus. Es stärkte die Interessen des Stadtbürgertums, ermöglichte neue Befugnisse in der Selbstverwaltung und im Gerichtswesen, vor allem aber stärkte es das Eigentum und den freien Handel und begünstigte einen wirtschaftlichen Aufschwung. Es wirkte wie ein Konjunkturprogramm. Auch für Magdeburg.

Damit entwickelte sich das Bürgertum. In reichen Kaufmannsfamilien hat man einen Löffel und ein spitzes Messer. Eine Gabel gab es noch nicht. Man aß Gemüse und Breie mit dem Löffel. Zur Gürtelgarnitur beim Ausgehen gehörten bei den Damen eine Geldbörse und die Schlüssel des Hauses. Je größer das Schlüsselbund, desto reicher der Besitzer des Hauses. In das Ausgehsäckchen gehörte auch unbedingt der Löffel. Das Essinstrument war dabei, falls man außerhalb aß. Das hatte was mit Hygiene zu tun. Chemische Hilfsmittel gab es nicht zum Spülen.

Man feierte gern. Man spielte gern. Mühle, Dame und Halma. Anfangs waren die Spielsteine noch aus Keramikresten, Überbleibsel, wenn ein Topf mal kaputt gegangen war. Später spielte die Bürgerschicht mit wunderschön geschnitzten Arbeiten. Überhaupt gab  es in reichen Familien immer mehr Schmückendes. Wer in der Stadt wohnte und nicht auf dem Lande, der schaute gern mal nach Luxusgütern. In der stadtgeschichtlichen Abteilung im Kulturhistorischen Museum ist ein Messergriff ausgestellt, der fein verziert eine Frau mit einem Schoßhündchen im Arm zeigt. Daneben ist der Schädel eines Zwerghundes zu sehen. Damit haben sich junge Damen, natürlich nur jene, die nie arbeiten mussten, gern geschmückt. Sich mit Minihunden sehen zu lassen, sei keine Erfindung von Paris Hilton, merkt Historikerin Theisen mit einem Schmunzeln an.

Wer Geld hatte, wurde älter als jene, die arm waren. Adlige und Kleriker konnten durchaus 40, 50, auch mal älter werden. Wer nicht frei war, wer abhängig war vom Lehnsherren, starb – gesundheitlich kaputt – viel früher. Der einfache Handwerker, der Arbeiter, der Tagelöhner im Mittelalter war schon Anfang 30 körperlich fertig. Er hatte keine Zähne mehr im Mund, schwer unter Rheuma gelitten und kaputte Knochen. Die Mädchen heirateten mit 15, 16 Jahren, die Jungen mit 17 und 18. Schnell folgen fünf bis acht Kinder. Die Sterblichkeit im ersten Kindbett war enorm hoch, zudem stirbt fast die Hälfte der Kinder.

Die Medizintechnik war eine Katastrophe. Doch was war mit Menschen, die krank, alt und siech waren? Es gab Hospize, die dank Spenden funktionierten. Seine Mitmenschen zu versorgen, gehörte zur christlichen Nächstenliebe. Selbst wer arm war, der gab ab. Geld kam von Zünften und Gilden – in Magdeburg zum Beispiel gründete die Gewandschneiderinnung das St. Annen Hospiz. Das war im Jahr 1288. Heute würden wir von Krankenhäusern und Pflegeheimen sprechen.

Ursula Theisen erzählt, dass dort bis zu 63 Menschen versorgt werden konnten. Es gab eine mobile Armenspeisung und eine Krankenfürsorge. In Magdeburg hat sich davon einiges erhalten an Lederschuhen, Schüsseln, Gläsern und individuell angefertigten Krückstöcken aus Holz. Eine Kloake verhinderte den sonst üblichen Verfall.

Doch auch die Herrschenden waren nicht gefeit, einfach so zu sterben. Schwein war gefährlich der Trichinen wegen. Im Mittelalter wurde zwar alles verbraten und verkocht, damit keine Keime mehr zurück bleiben. Doch das klappte nicht immer. Kaiser Otto wie auch sein Vater sind höchstwahrscheinlich nach Fleischverzehr an einer Trichinen- oder Salmonellen-Vergiftung gestorben.

Und natürlich hat man auch Wasser nicht einfach so trinken können. Oft war es verdreckt vom Abwasser und den Latrinen. Man lief höchste Gefahr, sich mit irgendwas anzustecken. Doch auch im Mittelalter war der Mensch erfinderisch. Er hat Bier getrunken. Durch die Gärprozesse und das Erhitzen ist dieses Getränk relativ keimfrei gewesen. Und so wurden morgens schon alkoholische Getränke konsumiert. Natürlich nur der Wahrscheinlichkeit wegen, innerlich desinfiziert zu sein.

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