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EM in der Schweiz Fußballerinnen machen sich Mut: „Jetzt erst recht“

Gegen das noch titellose, aber famose Frankreich wollen die deutschen Frauen das vorzeitige EM-Aus verhindern. Aber wie? Christian Wück steht vor einem für ihn und den DFB wegweisenden Spiel.

Von Ulrike John und David Joram, dpa Aktualisiert: 18.07.2025, 12:19
Bundestrainer Christian Wück: Gelingt der große Wurf doch noch?
Bundestrainer Christian Wück: Gelingt der große Wurf doch noch? Sebastian Christoph Gollnow/dpa

Basel - Der Titeltraum lebt noch. Eine Woche lang hat Christian Wück nun die tiefen Risse in der Überzeugung und auch in der Abwehr kitten müssen. Die deutschen Fußballerinnen gehen als Außenseiter in das EM-Viertelfinale gegen Frankreichs bislang furios auftretendes Team. Kriegt der Bundestrainer bei seiner Turniertaufe mit den Frauen die Kurve?

„Wir haben die Französinnen gut analysiert und wissen, was uns erwartet. Ihre individuelle Klasse ist unbestritten“, sagte Wück vor dem ersten K.-o.-Runden-Spiel am Samstag (21.00 Uhr/ZDF und DAZN) in Basel. „Wir wollen ein unangenehmer Gegner sein und unsere Qualität und Mentalität auf den Platz bringen.“

„Keiner schreibt Deutschland jemals ab“ 

Nach dem 1:4 zum Vorrundenabschluss gegen Schweden musste sich der achtmalige Titelgewinner erst mal kräftig schütteln und neu sortieren. Vor allem in der dezimierten Defensive, deren Neuaufstellung Wücks schwierigste Aufgabe ist. 

„Keiner schreibt Deutschland jemals ab, vor allem nicht die internationalen Leute. Und dann sollten es die Deutschen auch selbst nicht tun“, sagte UEFA-Frauenfußballchefin Nadine Kessler, die 2013 mit Deutschland den bislang letzten EM-Triumph feierte.

Frankreich mit „ganz schön schnellen Lokomotiven“ 

„Es ist noch nichts verloren“, betonte Ex-Kapitänin Alexandra Popp, warnte aber auch: „Bei den Franzosen kommen ganz schön schnelle Lokomotiven auf einen zu.“ 

Die Vorbereitung auf die Partie ausgerechnet im Dreiländereck Schweiz/Frankreich/Deutschland hatte Wück mit einer lautstarken und gestenreichen Ansprache auf dem Rasenplatz in Zürich-Buchlern gestartet. So energisch hatte man den 52-Jährigen bei öffentlichen Trainingseinheiten noch nicht erlebt. 

Eher zaghaft fielen zunächst die Erklärungen zur Lage der einst großen Frauenfußball-Nation aus. „Wir wissen, dass der europäische Fußball sehr dicht beieinander ist. Das ist schon eine Auszeichnung, ins Viertelfinale einzuziehen“, sagte DFB-Sportdirektorin Nia Künzer.

Frühes EM-Aus wäre herber Rückschlag

Ein Viertelfinal-Aus - wie bei der EM 2017 und der WM 2019 - wäre für den DFB und seine Bemühungen, mit der internationalen Spitze Schritt zu halten, ein herber Rückschlag. Das Vorrunden-Debakel bei der WM 2023 unter Martina Voss-Tecklenburg konnte das Team mit Olympia-Bronze unter Horst Hrubesch 2024 etwas übermalen. 

Mit einem EM-Erfolg, zumindest einem klaren sportlichen Fortschritt, soll Wück das Nationalteam in Richtung WM 2027 in Brasilien führen. Schließlich kam der Ex-Profi als Europa- und Weltmeister mit der männlichen U17-Auswahl. Der Anpassungsprozess läuft aber immer noch beim Bundestrainer, dessen Vertrag bis Ende 2026 fixiert ist. 

Wück weiß, „was er tut“ 

Vor allem das mediale Echo bei den Frauen überrascht Wück immer wieder. So wie bei der Kritik von Spielerinnen an seiner Kommunikation vor der EM-Nominierung. Oder als er zuletzt ankündigte, dass er sich mit Ann-Katrin Berger an einen Tisch setzen werde nach ihren riskanten Aktionen im eigenen Strafraum („Sonst werde ich nicht alt“). Eine Torwartdebatte wollte er dann doch nicht führen. 

Wie sie den Bundestrainer dieser Tage erlebe? Er sei im Training mal kurz laut geworden, sagte die turniererfahrene Kathrin Hendrich, aber abgesehen davon, „ansonsten sehr sachlich, sehr kommunikativ, doch recht gelassen und zuversichtlich. Er weiß, was er tut. Er glaubt nach wie vor an die Mannschaft.“ 

Das Stimmungstief nach dem Schweden-Debakel konnte Wück offensichtlich im Laufe der langen Woche bis zum Viertelfinale gegen die bislang titellosen Französinnen vertreiben. „Jetzt erst recht! Da gibt's eigentlich gar kein anderes Gefühl als Vorfreude“, sagte Berger.

„Basteln“ in der dezimierten Abwehr

Nach zuletzt massiven Abwehrproblemen und der immer wiederkehrenden Inkonstanz wissen aber alle das, was Co-Trainerin Maren Meinert aussprach: „Uns ist auch klar, dass, wenn wir nicht kompakt stehen gegen Frankreich, wir wenig Chancen haben.“

Die Neuaufstellung der Viererkette ist nun Wücks größte Herausforderung. Meinert sprach vom „Basteln“: „Wir müssen rotieren und machen das mit einem guten Gefühl.“ Rechts fehlt nach der verletzten Spielführerin Giulia Gwinn nun auch deren Vertreterin Carlotta Wamser (Rotsperre). Dafür dürfte Hendrich in die Startelf rücken. 

Aber: Sitzt die zuletzt schwächelnde Innenverteidigerin Rebecca Knaak nur auf der Bank? Wechselt Sarai Linder von links nach rechts? Riskiert es Wück, die schnelle, aber unerfahrene Münchnerin Franziska Kett auf die Außenbahn zu stellen? 

Erinnerungen an das Halbfinale von England

„Wir haben viele erfahrene Spielerinnen dabei und können mit vielen Optionen umgehen. Da braucht ihr euch keine Sorgen machen“, sagte die Ex-Wolfsburgerin Hendrich. Sie ist eine von fünf Spielerinnen, die im EM-Halbfinale 2022 gegen Frankreich spielten: Deutschland gewann nach zwei Popp-Toren und unter anderem mit Sara Däbritz, Sydney Lohmann, Jule Brand und Linda Dallmann mit 2:1. 

Bei einem Turnier haben Les Bleues noch nie die deutsche Elf besiegt. Das würde Wück nur zu gerne beibehalten. Sonst muss seine Premieren-EM mit den Frauen noch lange aufgearbeitet werden beim DFB.