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Wasserball Vom SC Hellas über Dynamo zur WUM

Die Elbestadt war mit 33 Meistertiteln viele Jahre ein Wasserball-Mekka. Bei Olympia oder im Europacup wurde für Furore gesorgt.

Von Hans-Joachim Malli 18.04.2020, 06:00

Magdeburg l Die roten Bademäntel der WUM-Wasserballer hängen seit dem abgesagten Punktspiel gegen den SSV Plauen schon fünf Wochen unbenutzt im Schrank. Und das wird wohl auch noch eine Weile so bleiben, denn der Deutsche Schwimm-Verband (DSV) hat die Saison in Bundesliga und 2. Liga bis vorerst zum 31. Mai ausgesetzt. So sitzen auch die Männer der Wasserball Union Magdeburg (WUM) derzeit auf dem Trockenen.

Die WUM ist das aktuell letzte Glied einer langen Reihe von überaus erfolgreichen Magdeburger Schwimm- und Wasserballvereinen, deren erster weit über die Landesgrenzen hinaus bekannter der SC Hellas war. Der wurde in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts achtmal deutscher Meister (siehe Infokasten).

Bekanntester Hellas-Athlet war Erich „Ete“ Rademacher, der als Schwimmer unter anderem 30 Weltrekorde hielt und mit der deutschen Wasserballauswahl 1928 Gold bei den Olympischen Sommerspielen in Amsterdam und vier Jahre später als Torwart Silber in Los Angeles holte. Beim Gold-Gewinn von Amsterdam gehörten mit seinem Bruder Joachim, Max Amann, Emil Benecke und Otto Cordes vier weitere Hellas-Wasserballer dem achtköpfigen Team an.

Magdeburg war 1934 Austragungsort der Wasserball-Europameisterschaft. In der eigens errichteten Europakampfbahn an der Berliner Chaussee gewann Deutschland EM-Silber.

Das gelang 32 Jahre später auch der DDR unter Trainer Rolf Bastel in Utrecht. Bastel war wie das Gros der Spieler Mitglied der SG Dynamo Magdeburg, die insgesamt 17 DDR-Meistertitel gewann. Der bald 93-Jährige, beheimatet im Magdeburger Wohngebiet Schilfbreite, verfolgt nach wie vor seinen Herzensport Wasserball, ist auch noch ab und an als Zuschauer von WUM-Spielen in der „Dynamohalle“ an der Großen Diesdorfer Straße zu Gast. Das Bad neben dem „Stadion der Bauarbeiter“ wurde 1958 als Freibad eingeweiht. 1971 wurde es überdacht und 2011 umfassend modernisiert.

Einer der Schützlinge von Bastel, der in den 1960er Jahren sowohl die SG Dynamo Magdeburg als auch die DDR-Nationalmannschaft trainierte, war Siegfried Wagener. Der mittlerweile 72-jährige Magdeburger, nach der Wende viele Jahre im Marketing für die SCM-Handballer tätig, erlebte die erfolgreichsten Dynamo-Jahre unter Bastel hautnah mit und kann sich noch an zahlreiche Europapokalschlachten der Elbestädter, die oftmals dramatisch knapp endeten (siehe Infokasten), erinnern.

Wie viele Magdeburger Kinder erlernte Wagener bei Martha „Muttchen“ Schlotter als Kind im nahe gelegenen Stadtbad schwimmen. „In der Jugend trainierte ich unter Günther Becker. Mit 17 wurde ich Oberliga-Spieler bei Dynamo, machte 1966 an der KJS mein Abi. Wasserballspiele habe ich als Kind noch im Stadtbad erlebt. Dort mussten die Spieler im flachen Nichtschwimmerbereich knien, damit das Wasser die Schultern berührte. Der Torwart konnte stehen, während vorn im tiefen Wasser der legendäre Willi ,Vati‘ Fangerow auf weite Bälle wartete“, schwelgte Wagener am Telefon in Erinnerungen.

„Waren die Hallenbäder geschlossen, trainierten wir auch mal in der früheren Europakampfbahn im Stadion Neue Welt. Das Wasser dort war meist eisig kalt und modrig“, erinnert sich der frühere Wasserballer an die Ausflüge ins Freibad.

Seinen früheren Trainer Rolf ,Rolli‘ Bastel traf er zuletzt bei einem Ehemaligentreffen im vergangenen Jahr im Hotel „Lindenweiler“. Zu Spielen des SCM und später der WUM ging Wagener eher selten. „Entweder war ich mit den SCM-Handballern unterwegs oder schaute Fußball. Die Sportschau war da Pflicht und lief immer zur selben Zeit“, begründet er seine spätere „Wasserscheu“.

Mit dem Wasserball in der DDR und Bastels Zeit als Erfolgstrainer war 1968 Schluss. Zwar wurde die DDR wie schon vier Jahre zuvor in Tokio bei den Olympischen Spielen in Mexiko mit sieben Magdeburger Dynamos im Team Sechster, doch wurde Wasserball neben anderen Ballsportarten auf Beschluss der politischen Führung zur Randsportart degradiert.

Bastel wurde daraufhin TZ-Leiter Schwimmen bei der SG Dynamo, trainierte später bis zum 80. Lebensjahr seine früheren Schützlinge als Wasserball-Oldies bei der SG Handwerk.

Nach der Jahrtausendwende wurde zunächst beim SC Magdeburg, 2000 noch in der Regionalliga, 2003/04 sowie 2005 bis 2009 in der 1. Bundesliga, und später bei der WUM versucht, an frühere erfolgreiche Zeiten anzuknüpfen.

Protagonisten der angestrebten Renaissance waren unter anderem Johannes Koch (46), Stefan Pieske, Milos Sekulic oder Knut Bastel als Trainer oder Manager. Als Schiedsrichter und Schiedsrichterbeobachter war Lutz Koch (77), übrigens nicht verwandt oder verschwägert mit Johannes Koch, bis vor zwei Jahren ein Aushängeschild des Magdeburger Wasserballs. Aktuell bemüht sich die WUM unter Präsident Silvio Schulle (52) und zahlreichen Ehrenamtlern wie Klaus-Peter und Karola Knobloch in der 2. Liga Ost darum, an alte Traditionen und erfolgreiche Zeiten anzuknüpfen.