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Sportpolitik Kanngießer: Ehrenamt halte ich für wichtig

Im Jahr 2015 wurde Benjamin Kanngießer zum Bürgermeister der Stadt Oschersleben gewählt.

Von Stefan Rühling 05.02.2021, 03:00

Oschersleben l Im Alter von gerade einmal 35 Jahren. Doch seine Vergangenheit hat er damit nicht vergessen, engagiert er sich doch bis heute weiter in der Sportjugend des Kreissportbundes Börde. Im Gespräch mit Volksstimme-Autor Stefan Rühling berichtet er über seine Verbindung zwischen Sport und Politik.

Volksstimme: Herr Kanngießer, wie geht es Ihnen?

Benjamin Kanngießer: Gesundheitlich geht es mir erfreulicherweise gut. Ansonsten bin ich gespannt, was uns das neue Jahr bringen wird – zugleich aber auch hoffnungsvoll, dass wir in diesem Jahr wieder zu einer gewissen Normalität zurückkehren können.

Sie sind seit fünf Jahren Bürgermeister der Stadt Oschersleben. Wie viel Kontakt haben Sie da beruflich mit dem Sport?

Da gibt es zwei wesentliche Berührungspunkte, die ich hier kurz ansprechen will: zum einen ist die Stadt Oschersleben Träger zahlreicher Sportstätten. Ich meine Sporthallen, Sportplätze und natürlich die Oscherslebener Bäder. Zum anderen habe ich beruflich viel Kontakt zu den Sportvereinen der Stadt. Zahlreiche Veranstaltungen strahlen deutlich über die Gemeindegrenzen hinaus, aber auch bei den „normalen“ Wettbewerben, Wettkämpfen oder Festen unserer Sportvereine werden Kontakte gerne und gut gepflegt. Wir haben in unseren Sportvereinen mehr als 2000 Menschen organisiert, das ist schon ein erheblicher Teil unserer Bevölkerung.

Welche Bedeutung hat der Sport für Sie als Stadtoberhaupt?

Der Sport hat gesellschaftlich schon eine sehr hohe Bedeutung. Ich glaube, dass viele Menschen daher auch wirklich mit den aktuellen Einschränkungen zu kämpfen haben. Da ist zum einen die körperliche Aktivität, die ich als Ausgleich auch sehr schätze. Aber es ist auch Geselligkeit in den Teamsportarten oder generell in den Vereinen. Das fehlt derzeit vielen.

Ich will auch ganz bewusst auf die Angebote für Kinder und Jugendliche im Nachwuchsbereich hinweisen. Hier sind doch wichtige Tugenden gefordert: das fängt bei der Pünktlichkeit an und setzt sich über Disziplin zur Fairness fort. Man kann im Sport lernen, miteinander im fairen Wettbewerb zu stehen – das halte ich für eine wichtige Einstellung. Darum haben wir in den vergangenen Jahren auch begonnen, erheblich mehr Geld in unsere Sportstätten zu stecken. Wir sanieren derzeit nach und nach unsere Sporthallen, haben die Stadion-Sanierung begonnen, eine neue Flutlichtanlage in Hornhausen übergeben, den TSV Hadmersleben beim Bau und bei der künftigen Unterhaltung der Sporthalle unterstützt, Bolzplätze eingerichtet und nicht zuletzt schon ein gutes Stück des Schwimmhallen-Neubaus geschafft.

Und persönlich?

Ich persönlich vermisse gerade besonders meine Fußball-Runde, an der ich normalerweise versuche, regelmäßig teilzunehmen. Aber ich habe noch eine andere Leidenschaft: ich fahre gerne Rad. Das ist als Individualsport aktuell Gott sei Dank möglich. Auch wenn man sich manchmal aufraffen muss, belohnt mich dann doch ein Glücksgefühl nach einer ordentlichen Radtour. Das ist ein schöner Ausgleich.

Wie verläuft die Zusammenarbeit mit den Ehrenamtlichen der Vereine?

Die läuft ziemlich gut. Als Sportfreund habe ich natürlich ein offenes Ohr für unsere Sportvereine. Zudem halte ich gerade das Ehrenamt für ein wahnsinnig wichtiges Engagement für unsere Gesellschaft. Ich kann daher auch nur dazu aufrufen, hier keine Scheu zu zeigen.

Sind Sie auch in einem Verein aktiv und welche Funktion haben Sie dort?

Ich bin sogar in zwei Vereinen Mitglied – einem Fußball- und einem Radsportverein. Funktionen habe ich aufgrund der doch recht ausfüllenden Beschäftigung als Bürgermeister derzeit keine.

Wie und wann haben Sie überhaupt Zugang zum Sport gefunden?

Meine Kindheit habe ich noch ein paar Jahre in der DDR erlebt. Damals war der Sport in der Schule ein durchaus signifikanter Bestandteil des Schulalltags. Spartakiaden gehörten für mich daher recht früh zum Leben. Zudem ist mein Vater ein ehemals sehr aktiver Fußballer und guter Leichtathlet gewesen. Da war der Bezug zum Sport früh da und wurde auch vorgelebt.

Welche Sportart haben Sie als Kind betrieben?

Das war vor allem Fußball – zwar nicht richtig im Verein, aber doch in einigen Gruppen. Viel Zeit habe ich auf dem Bolzplatz auf Brinkmanns Wiese verbracht. In der Jugend war ich dann beim VfB Oschersleben aktiv.

Gibt es einen Sport, den Sie gern mal probieren würden, wofür Ihnen aber die Zeit fehlt?

Es ist in der Tat so, dass ich manchmal für den Sport nicht die Zeit finde, die ich gerne haben würde. Wenn ich allerdings wirklich gerne etwas ausprobieren wollte, würde ich die Zeit finden. Konkret habe ich da gerade keine Sportart im Sinn.

Sie sind auch stellvertretender Vorsitzender der Sportjugend Börde. Welche Beziehung haben Sie zur Sportjugend?

Da bin ich gut vernetzt – recht bald nach meinem Amtsantritt war ich bereits kooptiertes Mitglied im Vorstand der Sportjugend. Durch Ferienfreizeiten in der Vergangenheit kenne ich die meisten Verantwortlichen der Sportjugend bereits seit über 20 Jahren.

Kommen Sie als Stadtoberhaupt und in Ihrer Funktion bei der Sportjugend auch in Interessenskonflikte und wenn ja, wie lösen Sie diese?

Nein, ich sehe da keine Konflikte. Natürlich kommt es vor, dass manchmal die Vorstellungen aller Seiten nicht deckungsgleich sind. Da gehört es dann dazu, sportlich zu bleiben und gemeinsam nach einem gangbaren Mittelweg zu suchen. Fairness und Teamplay sind mir da wichtig.

Worin sehen Sie Ihre Aufgaben bei der Sportjugend?

Vor allem kann ich Mittler sein, Unterstützung auf politischer Ebene bieten und aufgrund des persönlichen Bezugs zum Sport auch die Interessen der Sportjugend vertreten. Die Vernetzung hilft da sehr.

Können Sie in Ihrem Ehrenamt ansonsten von Ihrem Job profitieren?

In der Tat. Allgemein und nicht nur auf mich bezogen halte ich - und ich darf mich wiederholen – das Ehrenamt für sehr wichtig. Man kann doch sehr viel bewegen und mitgestalten. Wenn viele unterschiedliche Menschen gemeinsam im Verein oder Verband an einem Ziel arbeiten, profitiert man von der Vielfalt. Viele verschiedene Ideen, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen. Da ist viel wahrscheinlicher der „richtige“ oder besser der erfolgversprechendste Weg dabei, als wenn man auf sich selbst gestellt ist. Darum bereichern unsere Ehrenamtler das städtische Leben ungemein und ich bin dafür sehr dankbar.

Wie schaffen Sie es, Familienleben, Job und Engagement im Sport zu vereinbaren?

Das ist manchmal gar nicht so leicht. Das Amt des Bürgermeisters ist schon recht zeitintensiv und ab und an muss ich mich regelrecht zwingen, mich sportlich zu betätigen. Umso schöner ist es dann aber doch, wenn ich nach beispielsweise nach einer langen Radtour wieder zuhause ankomme.

Was war Ihr schönstes sportliches Erlebnis und warum?

2013 habe ich gemeinsam mit meiner Mannschaft aus Sachsen-Anhalt an der Deutschen Reservistenmeisterschaft in Brandenburg teilgenommen. Wir haben nach wirklich intensiver, mehrmonatiger Vorbereitung einen hervorragenden zweiten Platz belegt – von 35 Mannschaften aus ganz Deutschland. Die Meisterschaft ist ein vor allem sportlich sehr fordernder Vielseitigkeitswettkampf. Und sich da im Wettbewerb mit langjährig sehr gut konditionierten Mannschaften messen und bestehen zu können, war eine tolle Erfahrung.

Und als Zuschauer?

Wenn größere Sportevents anstehen, versuche ich schon als Zuschauer dabei zu sein. Daher habe ich schon viel gesehen. Ob Fußball, Basketball, Eishockey, Handball – die Sportart ist eher nachrangig. Allein aufgrund der Atmosphäre lohnt sich der Weg ins Stadion oder die Sportarena.

Es gibt aber zwei Ereignisse, die mir sofort in den Sinn kommen: zuerst das Freundschaftsspiel zwischen England und Deutschland am 21. August 2007 im damals gerade eröffneten, neu gebauten Wembley-Stadion. Das Ergebnis lautete 1:2 – für die Gäste, also Deutschland. Ein schönes Erlebnis. Und als zweites ein Eishockeyspiel beim mehrfachen russischen Meister, bei dem ich zu Gast war. Hier war es gar nicht so sehr das Spiel an sich. Vielmehr wurde eine regelrechte Show um das Spiel geboten, die man mal erlebt haben muss.

Wie erleben Sie den gegenwärtigen Lockdown in der Gesellschaft?

Es ist schon recht anstrengend. Als Bürgermeister habe ich alle die Menschen im Blick, die aktuell große Belastungen aus den Einschränkungen zu schultern haben. Vieles von dem, was das Leben lebenswert macht, kann nicht stattfinden. Mit zunehmender Dauer belastet das schon und für Viele hat das auch böse wirtschaftliche Folgen.

Ich freue mich wirklich darauf, wenn unsere Sportstätten wieder von den Vereinen und unseren Bürgern in Benutzung genommen werden, wenn die Bäder wieder öffnen können und die Schüler wieder geregelten Schulsport betreiben können. Das ist jetzt nur auf den Sport fokussiert – aber wenn das der Fall ist, dann hoffe ich auch, dass alle wieder ihrer geregelten Tätigkeit nachgehen können.

Welche Erfahrungen haben Sie unter Corona gemacht, die Sie vorher so nicht kannten?

Vor allem lernt man, wie veränderlich das Leben ist. Wie schnell von einem Tag auf den anderen nichts mehr so sein kann, wie man es gewohnt ist. Dabei erkennt man auch, wie wichtig eine gewisse Flexibilität ist, um dann mit den Erfordernissen umzugehen.

Was hat sich durch die Pandemie in Ihrem Leben verändert?

Vor allem hat mich die Situation sehr nachdenklich gemacht. Viele Dinge, die sich in den vergangenen Jahren schnell und scheinbar recht getrieben entwickelt haben, stehen jetzt auf einem Prüfstand. Das ist auch eine Chance, sich auf Wesentliches zu besinnen und zu hinterfragen, ob jede Entwicklung in der vorliegenden Form sinnhaft ist.

Was bleibt Ihnen aus der Corona-Zeit dennoch Positives in Erinnerung?

Zuerst will ich da den Zusammenhalt und Hilfsbereitschaft in den ersten Wochen der Pandemie nennen. Als noch niemand wirklich wusste, was da auf uns zukommen wird, haben hier in Oschersleben zahlreiche Menschen angeboten, für Ältere oder in der Bewegung eingeschränkte Menschen Besorgungen zu machen, haben Oscherslebener Masken genäht und sich Gedanken gemacht, was könnte wichtig werden. Ansonsten war 2020 ja kein reines Katastrophenjahr – als echten „Leuchtturm“ im städtischen Kalender haben wir einen erfolgreichen Schwimmhallen-Neubau begonnen, der sogar im Zeit- und Finanzplan liegt. Ich glaube man sollte versuchen, immer das Positive im Blick zu halten und nicht durch die Hervorhebung von Negativem den Blick zu verengen.