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Parasport Nach der WM ist vor den Paralympics

Für Andrea Eskau vom USC Magdeburg ist nach der Radsport-WM vor den Winter-Paralympics in Pyeongchang.

Von Janette Beck 01.10.2017, 01:01

Magdeburg l Bei den Para-Radsport-Weltmeisterschaften Anfang September im südafrikanischen Pietermaritzburg war Andrea Eskau wieder mal eine Klasse für sich: Gold im Straßenrennen, Gold im Zeitfahren. Und das mit 46 Jahren und jeweils großem Vorsprung vor der geballten, oft sehr viel jüngeren Konkurrenz. Angesichts der Dominanz der Handbikerin vom USC Magdeburg kann, ja muss man sagen: Je oller, je doller!!

„Ich war bei der WM wirklich in einer super Form, und es lief diesmal alles wie am Schnürchen. Die Zeiten konnten sich sehen lassen“, erklärt die sechsfache Paralympics-Siegerin – und damit mit Abstand erfolgreichste Behindertensportlerin Sachsen-Anhalts. „Das liegt sicher auch daran, dass ich im Vorfeld störungsfrei durchtrainieren konnte. Ich habe selten so viel im Grundlagenbereich geschrubbt wie in diesem Jahr – 15000 Kilometer sind da gut und gerne zusammengekommen. Alles natürlich auch mit Blick auf die Parympics im März“, rechnet die Diplompsychologin, die seit einem Radunfall 1998 querschnittgelähmt ist, vor.

Von ihrer Leistungsfähigkeit überzeugt, ging die „Tigerin“ bei ihren WM-Rennen voll auf Angriff – und wurde ihrem Spitznamen einmal mehr gerecht. „Ich habe unserem Bundestrainer vorher gesagt, ich werde gleich beim ersten Anstieg kurz nach dem Start versuchen wegzuziehen.“ Er sei von ihrer Taktik, das Rennen von vorne zu machen, nicht besonders begeistert gewesen, so die Handbikerin vom USC Magdeburg. „Trotzdem habe ich das durchgezogen – und am Ende sogar so viel Vorsprung dadurch herausgefahren, dass mich selbst ein Platter nicht mehr hätte stoppen können“, freut sich die Powerfrau über ihren „x-ten“ WM-Titel. „Keine Ahnung, wie viele es genau sind, an die 20 sind wohl schon zusammengekommen. Aber solche Statistiken sind mir eigentlich wurscht. Ich freue mich, wenn ich ein geiles Rennen gemacht habe, meine Taktik aufging und ich das Bestmögliche abliefern konnte.“

Und so nimmt sie aus Südafrika neben zwei Goldmedaillen vor allem eine Erkenntnis mit: Sie liegt voll im Plan für die Paralympics im März 2018 in Pyeongchang. „Der paralympische Winter kann kommen. Ich bin bereit und in der Form meines Lebens“, so Eskau, die bis zu sechs Stunden täglich ackert und einige der ganz wenigen Leistungssportlerinnen weltweit ist, die sowohl im Sommer als auch im Winter erfolgreich auf Medaillenjagd geht.

Der Umstieg vom Handbike in den Rennschlitten erfolgte nahezu fliegend, denn die gebürtige Apoldaerin hat sich nach der WM keine Auszeit gegönnt. Wieder daheim auf dem Lande in Elsdorf bei Köln angekommen, wo sie mit ihrer Freundin Amira und Mischlingshund Pommes lebt, wurden nur schnell die Klamotten gewechselt. Dann ein kurzer Abstecher zum Bundesinstitut für Sportwissenschaft in Köln, wo sich auf dem Schreibtisch der Leiterin des Fachgebiets „Behindertensport“ die Arbeit stapelt - und ab ging es ins Höhentrainingslager. Hier wurde auf Skirollern trainiert. „Jede Einheit Richtung Südkorea zählt und die Höhenkette muss geschlossen bleiben“, so Eskau, die sich zudem noch an ihren neuen, von Toyota-Motorsport gesponserten und auf den Leib geschneiderten Carbon-Schlitten gewöhnen muss.

Das passiert derzeit in Oberhof, wo mit dem sechsköpfigen „Top-Team Pyeongchang“ des Deutschen Behindertensportbundes in der Skihalle auf Kunstschnee wettkampfnah trainiert wird. „Ich bin eine Perfektionistin. Das ist mein Laster. Oder meine Tugend. Wie man’s nimmt.“ Vor allem beim Biathlon brauche es „viele Übungsstunden und Wiederholungen, bis alles automatisiert ist. Aber ich komme immer besser zurecht und beherrsche inzwischen den Schlitten und nicht er mich.“ Und was ist nach Bronze (Biathlon, 10 km) und Silber (Langlauf, 5 km) von Vancouver sowie zweimal Gold (Biathlon, 6 km und Langlauf, 5 km) von Sotschi bei ihren dritten Winterspielen drin? Andrea Eskau, die sechs Starts plant, atmet einmal tief durch und sagt dann: „Ich mache mir keinen Druck, und das Gute ist, ich brauche niemandem mehr etwas beweisen. Aber klar ist auch: In jedem Rennen habe ich eine Medaillenchance – vorausgesetzt ich komme weiter verletzungsfrei durch. Was am Ende dabei herauskommt, werden wir sehen.“

In der Volksstimme-Serie „Sieger mit Handicap“ wurden folgende Sportler vorgestellt: Marcel March und Paul Hünecke (26. Juni), Jens Sauerbier (28. Juni), Pascal Rentsch (15. Juli) sowie Marie Brämer-Skowronek und Alizera Kardooni (2. August).