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Fußball FCM-Trainer Krämer über Schlüsselmoment

Stefan Krämer, Trainer des 1. FC Magdeburg, spricht im Interview über den ersten Sieg, Dustin Bomheuers Verletzung und Aberglauben.

Von Manuel Holscher 09.08.2019, 01:01

Magdeburg l Seit Juni ist FCM-Trainer Stefan Krämer im Amt. Nach dem durchwachsenen Start freute er sich besonders über den ersten Saisonsieg in Meppen. Vor dem Pokalspiel am Sonnabend (15.30 Uhr) gegen den Erstligisten SC Freiburg stellt er sich im Interview.

Herr Krämer, nach dem 1:1 gegen Mannheim sagten Sie, dass Sie die ganze Nacht nicht schlafen konnten. Wie gut haben Sie nach dem 3:1 in Meppen in die Nacht gefunden?
Stefan Krämer:
Nach dem Meppen-Spiel war ich um halb eins zu Hause. Im Bus habe ich mir auf der Rückfahrt das Spiel noch mal komplett angeschaut. Ich war zwar nicht komplett zufrieden, aber deutlich zufriedener als in den Wochen zuvor. Das sorgt dann auch dafür, dass ich besser einschlafe.

Was machen Sie, wenn ein Spiel nicht gut gelaufen ist?
Dann geht bei mir das Gedankenkarussell los. Ich schaue mir bestimmte Szenen zwei-, dreimal an und überlege, was ich hätte anders machen können – ob ich im Training vielleicht etwas verpasst oder übersehen habe.

Nach nur zwei Punkten aus drei Spielen kam bereits Unruhe auf. Was bedeutet Ihnen der erste Saisonsieg?
Besonders gespannt war ich auf die Reaktion der Mannschaft nach der ersten Halbzeit in Meppen. Wir hatten schließlich ein gutes Spiel gemacht, lagen aber trotzdem 0:1 zurück. Als ich dann in die Kabine kam, wusste ich, dass wir das Spiel nicht verlieren. Es herrschte eine positiv aggressive Stimmung. Die Jungs waren voller Energie, haben sich gegenseitig angefeuert. Diese Reaktion hat mir gezeigt, dass die Mannschaft funktioniert. Es gibt immer Schlüsselmomente im Verlauf einer Saison. Das könnte einer dieser Momente gewesen sein.

Am Sonnabend spielt der FCM im DFB-Pokal gegen den Erstligisten SC Freiburg. Was ist drin?
Wir können sehr viel gewinnen und uns Selbstvertrauen holen. Das ist selbst dann möglich, wenn wir knapp verlieren sollten, aber trotzdem gut gespielt haben.

Sie wollen mit dem Club offensiven und attraktiven Fußball spielen. Wie weit ist die Mannschaft aus Ihrer Sicht?
Zufrieden bin ich mit der körperlichen Fitness der Mannschaft. Die Jungs haben auch die Bereitschaft, diese Fitness auf dem Platz zu lassen, sich voll auszupowern. Außerdem sind wir taktisch bereits sehr flexibel, obwohl wir erst wenige Wochen zusammenarbeiten. Wir haben in vier Spielen drei verschiedene Systeme gespielt und können auch während einer Partie schnell wechseln. Das finde ich aufgrund der Kürze der Zeit durchaus bemerkenswert.

Welche Taktik passt am besten zum FCM?
Das 4-2-3-1 bietet sich an, weil wir in diesem System auf den Außenpositionen doppeln können. Außerdem geraten wir mit drei Spielern im Zentrum nicht so schnell in Unterzahl. Für mich ist das ein bisschen wie im Schach. Wer das Zentrum kontrolliert, gewinnt das Spiel. Solange wir noch nicht so stabil sind, müssen wir vor allem das Zentrum schließen. Wenn die Abläufe noch besser passen, können wir auch gut in einem 4-4-2 spielen. Ich finde nämlich, dass Christian Beck und Sören Bertram im Sturm super zusammenpassen.

Wo hakt es noch?
In den Ballbesitzphasen treffen wir häufig noch die falschen Entscheidungen, sei es, wenn der Ball schnell gespielt wird oder die Seite vielleicht mal gewechselt werden sollte. Wichtig ist, dass sich die fünf, sechs Spieler, die das Gerüst bilden, nahezu blind verstehen. Das gilt beispielsweise für die Innenverteidiger und die beiden Spieler im defensiven Mittelfeld. Bisher war diese Abstimmung kaum möglich, weil wir verletzungsbedingt häufig wechseln mussten.

Die Mannschaft hatte in den ersten Spielen Probleme, das von Ihnen geforderte Gegenpressing umzusetzen. Warum?
Wir lassen noch zu oft Gegenpressing-Möglichkeiten liegen. Das hängt auch mit dem bisherigen Saisonverlauf zusammen, weil nach einem Ballverlust erst mal das Sicherheitsgefühl dominiert. Wir müssen nach einem Ballverlust in der Defensive besser absichern, als das noch gegen Braunschweig der Fall war. Im Training gelingt uns das momentan noch viel besser als im Punktspiel. Die Jungs müssen überzeugt sein. Das wird besser, wenn wir durch gute Ergebnisse sicherer werden.

Aus der Not heraus machten Sie den eigentlichen Mittelfeldspieler Jürgen Gjasula zum Innenverteidiger. Bleibt er hinten?
Wenn er so spielt wie zuletzt, kann ich mir nicht vorstellen, ihn noch mal im defensiven Mittelfeld aufzustellen. Er vereint auf der Innenverteidiger-Position viele Qualitäten, hat ein richtig gutes Pass – und Stellungsspiel. Er ist schnell und physisch stark.

Ist damit trotz der Verletzung von Dustin Bomheuer auch eine Defensiv-Neuverpflichtung vom Tisch?
Aktueller Stand ist, dass unsere Mannschaftsärzte grünes Licht gegeben haben, sodass Dustin ab der kommenden Woche in das Aufbautraining einsteigen wird. Grundsätzlich sind die Personalplanungen abgeschlossen, aber wir haben den Markt stets im Auge.

Zu Ihnen persönlich: Wie gehen Sie mit dem Druck um, der im Fußball allgegenwärtig ist?
Mein Anspruch ist, jeden Tag das Beste zu geben. Solange ich das Gefühl habe, dass ich das mache, komme ich mit mir selbst ganz gut klar. Ich reflektiere viel und wenn es sportlich nicht gut läuft, dann fange ich zuerst bei mir an, was ich nicht gut gemacht habe. Das finde ich besser und sinnvoller, als wenn ich um mich schlagen und die Fehler nur bei anderen suchen würde. Wenn es wie jetzt zum Start nicht so gut läuft, bekomme ich medial natürlich auch einiges ab. Ich interessiere mich aber nicht so sehr dafür, was andere Menschen über mich sagen. Das ist für einen Trainer eigentlich eine ganz gute Voraussetzung (lacht).

Was machen Sie als Ausgleich zum Fußball?
Ich höre gerne etwas härtere Musik wie Metallica. Das bringt mich genauso runter wie lange Spaziergänge mit meinen beiden Hunden. Mit ihnen bin ich dann schon mal zweieinhalb Stunden draußen unterwegs. Wenn ich zurückkomme, ist dann alles wieder gut. Wenn ich Stress nach einem schlechten Spiel habe, will ich das nie mit nach Hause nehmen. Meine Frau oder meine Hunde können schließlich nichts dafür.

Sie sind seit Juni in Magdeburg. Was haben Sie von der Stadt bisher gesehen?
Ich habe momentan eine kleine Wohnung in Ottersleben. Viel gesehen habe ich von der Stadt allerdings bisher noch nicht, weil mein Tag früh mit dem Weg zum Stadion beginnt und dort erst spät endet. Ich habe es nicht mal zum Friseur geschafft. Meine Frau und ich haben uns aber fest vorgenommen, in der Länderspielpause Anfang September Magdeburg ein bisschen zu erkunden. Für mich ist das hier nicht nur ein Job. Als Trainer weiß man zwar nie, wie lange man in einer Stadt ist. Ich möchte aber die Stadt, die Leute und deren Mentalität wirklich kennenlernen.

Wann fühlen Sie sich in einer Stadt angekommen?
Das geht sehr schnell. Ich bin Rheinländer und habe mit Menschen nur selten ein Problem. Überall, wo ich bisher war, kann ich durch die Vordertür zurückkehren. Das ist mir wichtig. Wenn ich irgendwann Magdeburg verlasse, was hoffentlich noch lange dauert, möchte ich, dass die Leute sagen, dass der FCM während meiner Zeit hier in guten Händen war. Ich glaube, dass der Club zu mir passt und dass ich zum Club passe. Ich hoffe, dass man das auch bald an der Tabelle ablesen kann.

Sie gelten als abergläubisch. Welchen Aberglauben pflegen Sie momentan?
Vor dem Auswärtsspiel in Meppen habe ich notgedrungen das erste Mal nicht auf meinem gewohnten Parkplatz gestanden, weil er besetzt war. Den neuen Platz gebe ich nach dem Sieg jetzt nicht mehr her. Das ist nicht verhandelbar. (lacht)

Was haben Sie früher gemacht?
Bei einer meiner ersten Trainerstationen hatte ich vor meiner Haustür eine Tankstelle, die umgebaut wurde und deshalb geschlossen war. Wenn ich tanken wollte, musste ich deshalb einen größeren Umweg in Kauf nehmen. Bei der anderen Tankstelle habe ich an einem Tag gelbe Kaugummis gekauft, die mir eigentlich überhaupt nicht geschmeckt hatten. Da wir aber das folgende Spiel gewonnen hatten, bin ich immer wieder zu dieser Tankstelle gefahren und habe die gelben Kaugummis gekauft. Das habe ich selbst dann noch gemacht, als die Tankstelle vor meiner Haustür längst wieder geöffnet war. Wir hatten dann sechs oder sieben Monate kein Spiel verloren. Für mich gab es einfach eine Verbindung zu dieser Tankstelle. Die Schublade mit den ganzen Kaugummi-Packungen gibt es übrigens noch immer.

Sie haben sich nach dem Aufstieg mit Bielefeld ein Arminia-Tattoo stechen lassen. Haben Sie die Entscheidung jemals bereut?
Das habe ich nie bereut, weil ich zu meinem Wort stehe. Das Tattoo war ein Versprechen: Als ich in Bielefeld Trainer wurde, waren wir Vorletzter in der 3. Liga. Bei einem Fanclub-Treffen sagte ein Fan, der schon ein paar Bierchen getrunken hatte, dass ich mir ein Arminia-Tattoo stechen lassen soll, wenn der Verein aufsteigt. Ich habe eingeschlagen, weil ich zu diesem Zeitpunkt nie davon ausgegangen bin, dass wir aufsteigen. Als wir es dann aber tatsächlich geschafft hatten, kam dieser Fan zu mir und erinnerte mich an mein Versprechen, das ich dann eingelöst habe.

Was machen Sie, wenn Sie mit dem FCM aufsteigen sollten?
Ich will mich jetzt nicht zu weit aus dem Fenster lehnen. Es wäre dann sicherlich nicht wieder ein Tattoo, aber irgendwas würde ich mir einfallen lassen. Ganz bestimmt. Aber dafür bedarf es noch Zeit und vor allem harte Arbeit.

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