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Arbeitsmarkt 27 Cent mehr Mindestlohn?

Eine Kommission berät über die Erhöhung der Lohnuntergrenze. Experten sind uneins, ob Sachsen-Anhalts Firmen ein Plus vertragen könnten.

26.06.2016, 23:01

Magdeburg l Eine neunköpfige Kommission aus Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretern wird am Dienstag über die Erhöhung des Mindestlohns zum 1. Januar 2017 beraten. Inzwischen steigt sowohl in der Wirtschaft als auch in der Politik die Spannung, wie sich wohl das Gremium entscheiden wird.

Der Gesetzgeber hat ursprünglich vorgegeben, dass sich die Kommission bei ihrer Beratung vor allem an der allgemeinen Lohnentwicklung orientieren soll. Maßstab ist der sogenannte Tarifindex, der vom Statistischen Bundesamt regelmäßig errechnet wird. Die Kommission soll von ihm nur dann abweichen, „wenn besondere, gravierende Umstände aufgrund der Konjunktur- und Arbeitsmarktentwicklung vorliegen“.

Da die Löhne zuletzt laut Tarifindex um 3,2 Prozent gestiegen sind, müsste die Kommission den Mindestlohn um 27 Cent auf 8,77 Euro die Stunde anheben. Doch einige Politiker fordern bereits, deutlich über die Marke hinauszugehen. Landesverbände der Linken sowie manche Gewerkschafter fordern eine Anhebung auf zehn bis zwölf Euro, arbeitnehmernahe Politiker von Union und SPD haben sich bislang für neun Euro stark gemacht. In Sachsen-Anhalt macht unter anderem der SPD-Arbeitsmarktpolitiker Andreas Steppuhn Druck. „Die bisherigen guten Erfahrungen seit der Einführung des Mindestlohnes und die positiven wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sprechen für eine deutliche Erhöhung des Mindestlohnes“, so der SPD-Politiker.

Kay Senius, Chef der Bundesagentur für Arbeit in Halle, äußert sich deutlich verhaltener. Er betont zwar, dass die Einfühung der Lohnuntergrenze entgegen mancher Befürchtungen kaum Jobs gekostet hat, spricht sich aber dennoch gegen eine stärkere Erhöhung aus. „Ich würde es für problematisch halten, wenn man das noch junge Mindestlohngesetz mit seinem Regelmechanismus aufweicht, um politisch motivierte Erhöhungen durchzusetzen“, so Senius.

Ein Anstieg des Mindestlohns um 27 Cent hält der Arbeitsmarktexperte für angemessen. „Eine moderate Erhöhung können die Unternehmen in Sachsen-Anhalt verkraften, denn die Lohnsteigerung führt dazu, dass die Kaufkraft der Arbeitnehmer steigt, was wiederum die Konjunktur belebt.“

Vom bisherigen Mindestlohn von 8,50 Euro die Stunde profitieren in Sachsen-Anhalt nach Angaben des Deutschen Gewerkschaftbundes rund 285 000 Arbeitnehmer und damit jeder dritte Beschäftigte. Änderungen an der Höhe der Lohnuntergrenze wirken sich hierzulande insofern deutlich stärker aus als in Westbundesländern, weil das Lohnniveau dort deutlich höher und der Anteil der Mindestlohn-Empfänger deutlich niedriger ist.

Die Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbände in Sachsen-Anhalt betrachten die Forderungen nach einem höheren Mindestlohn daher auch umso kritischer. Geschäftsführer Matthias Menger betont, dass keine außergewöhnlichen Umstände vorliegen würden, weshalb die Lohnuntergrenze über 27 Cent hinaus erhöht werden müsste.

Menger ärgert sich insofern auch über den politischen Druck von links: „Setzt sich der Trend der Einflussnahme fort, werden die Anpassungsdiskussionen immer mehr zum Spielball politischer Opportunitäten.“

Kritisch bewertet auch Wirtschaftsforscher Oliver Holtemöller die Diskussion. Er warnt: Je höher der Mindestlohn ausfällt, desto eher muss mit negativen Folgen für die Beschäftigung gerechnet werden. Der Vizepräsident des Instituts für Wirtschaftsforschung in Halle geht zudem davon aus, dass durch die Lohnuntergrenze langfristig vor allem im Ostdeutschland weniger neue Jobs entstehen werden.