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Bierbrauer Wernigeröder wollen Hasseröder kaufen

Seit Monaten ist die Hasseröder Brauerei auf dem Markt. Jetzt denken drei Wernigeröder darüber nach, das Traditionsunternehmen zu kaufen.

Von Regina Urbat 30.10.2017, 00:01

Wernigerode l In Wernigerode gibt es Überlegungen, die Hasseröder Bierbrauerei wieder an sich zu reißen, bevor sie eventuell nach China oder Japan verkauft wird.

Der Großkonzern Anheuser-Busch InBev (AB-InBev) hat seit einiger Zeit vor, die Marken Hasseröder und Diebels mit den Brauereistandorten in Wernigerode und Issum zu verkaufen. Wie die Unternehmens-Sprecherin Claudia Hauschild auf Volksstimme-Anfrage mitteilt, habe es mit ausgewählten Interessenten einen Dialog gegeben, die Hasseröder kaufen möchten. Einige hätten Unterlagen für eine Prüfung erhalten. „Der Vorgang dauert noch an“, so Hauschild weiter.

Ob zu den Interessenten Wernigeröder gehören, dazu gab sie keine Auskunft. Doch offenkundig ist das Interesse in der Harzstadt vorhanden: Drei Initiatoren sind Ende vergangener Woche zu einem Gespräch im Wirtschafts-Ministerium Sachsen-Anhalts gewesen, um von der Kauf-Idee zu berichten.

„Das ist schon irre“, sagt Wirtschaftsminister Armin Willingmann (SPD), der seit 2009 auch im Stadtrat von Wernigerode sitzt. Er hält den Vorstoß für „sehr ambitioniert“ und „verblüffend“ zugleich. Im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten werde sein Haus das Vorhaben unterstützen, kündigt Willingman an. Immerhin, so der Minister weiter, setzten sich Menschen für ihre Region ein. „Die Hasseröder Brauerei ist mit ihrem internationalen Bekanntheitsgrad ein wichtiges Unternehmen für Wernigerode und das Land“, sagt Willingmann.

Warum also nicht kaufen? Das sagen sich Walter Schmidt, von 1993 bis 2007 Geschäftsführer der Brauerei in Wernigerode und zuletzt Vorstand der Einbecker Brauhaus AG, Rainer Schulze, Buchhändler und SPD-Stadtrat, sowie mit Uwe Treetzen ein ehemaliger leitender Mitarbeiter bei Hasseröder. Sie sind das Trio, das in Magdeburg war und in erster Linie Möglichkeiten einer Unterstützung durch das Land ausloten wollte.

„Wir sind in dieser Hinsicht keine Profis, aber mit Herzblut dabei“, sagt Schmidt. Als Vertriebsexperte wisse er: Das Bier mit dem Auerhahn „ist immer noch eine tolle Marke“. Nun müsse zunächst Geld aufgebracht werden. „Wir reden hier nicht über ein paar tausend Euro“, so der 66-Jährige. Eine konkrete Summe wollte er aber nicht nennen.

Der Kauf könnte so ablaufen: Ein Anteil könnte von einem Investor getragen werden. Interesse sei bereits signalisiert worden. Mit im Boot könnten auch die Stadt Wernigerode, ein weiterer Geldgeber oder viele Anteilseigner sein. „In dieser Hinsicht sind wir noch ganz am Anfang. Fest steht aber, wir würden keine Bruchbude kaufen“, betont Schmidt.

Die Brauerei am Stadtrand von Wernigerode ist 1997 gebaut worden und gehört immer noch zu den modernsten Produktionsstätten in ganz Europa. Aus Sicht von Rainer Schulze sei sie jedoch seit dem Verkauf der Gilde-Gruppe, zu der Hasseröder seit 1991 gehörte, an den Großkonzern Interbrew im Jahr 2002 „systematisch heruntergewirtschaftet“ worden. Das habe das Traditionsunternehmen nicht verdient. „Es ist deshalb eine tolle Idee, wenn Wernigerode es schafft, die Hasseröder Brauerei wieder zurückzuholen“, sagt Schulze.

Neu ist diese Idee nicht, aber „sicher interessant“, so Wernigerodes Oberbürgermeister Peter Gaffert (parteilos). „Sobald sie öffentlich wird, dürfte sie jedoch bereits chancenlos sein“, befürchtet er.

Diese Meinung teilt Matthias Winkelmann nicht. Der CDU-Stadtrat hat zu dem Vorstoß maßgeblich angeregt, als er in einer Sitzung von seinen Überlegungen offen sprach. „Mit den Verkaufsabsichten ergeben sich für die Stadt und das Land völlig neue Perspektiven“, so Winkelmann.

Als „Motivation“, den Erwerb der Brauerei mit ihren derzeit rund 260 Mitarbeitern und den hochmodernen Produktionslinien „unbedingt zu versuchen“, nennt der 47-Jährige: Erhalt von Arbeitsplätzen, Steuereinnahmen, die der Stadt und dem Land zugute kommen würden, verbessertes Sponsoring und Nutzung der Fachkompetenz vor Ort, um beispielsweise mit neuen Biersorten mehr den regionalen Bezug herzustellen sowie im Trend zu bleiben. Und, so der Goldschmiedemeister und Geschäftsmann weiter: „Hasseröder würde wieder an Ansehen gewinnen und mehr getrunken werden.“

Zuletzt verkaufte die Brauerei nach eigenen Angaben rund 2,1 Millionen Hektoliter Bier, Tendenz sinkend. Vier Jahre zuvor waren es noch 2,7 Millionen Hektoliter. Anheuser-Busch Inbev ist die weltgrößte Brauereigruppe mit Marken wie Becks, Franziskaner und Corona.