"Planet A" Kunst trifft Alge

Algen rücken immer mehr in den Fokus. Da ist es nicht verwunderlich, dass die pflanzlichen Kraftwerke nun Einzug in die Kunst halten.

Von Siegmar Riedel 18.06.2016, 03:00

Klötze l Irgendwie scheinen sie Seelenverwandte zu sein: Zoé Farac und Tito Lee, die beiden Künstler aus der Schweiz, und Jörg Ullmann, Geschäftsführer des Algenherstellers Roquette in Klötze. Letzterer forscht seit Jahren an neuen Einsatzmöglichkeiten für Mikroalgen, die beiden Schweizer arbeiten an einem Kunstprojekt, das sich mit der Zukunft und der Reise zu fernen Planeten befasst. Und dabei können auch sie die Algen nicht links liegen lassen. Im Internet kam es deshalb fast zwangsläufig zum ersten Kontakt, in den vergangenen Tagen verschafften sich Zoé Farac und Tito Lee von der Agentur „El Patrol Art“ einen Einblick in die Algenproduktion in Klötze.

Doch wie kommen die Schweizer gerade auf die Firma in der Altmark? „Ich hatte mir eine Schwermetallvergiftung zugezogen“, berichtet Tito, denn wir sind schnell beim Du. „Ich habe viele Mittel versucht. Irgendwann kam ich auf die Chlorella-Alge, das hat super funktioniert und mir geholfen.“ Und dieses Algenpräparat stammte aus Klötze. „Die Klötzer Algen gibt es auch in der Schweiz“, erzählt Tito, „sie gelten dort als die besten.“

Weil die Klötzer Algenfarm weltweit die größte ihrer Art ist, lag es nah, dass sich die Schweizer auf den Weg in die Altmark machten. Zoé und Tito haben sich nicht nur alles angesehen, sie packten auch selbst mit zu. „Wir haben die Algen gefüttert, aber streicheln durften wir sie nicht“, scherzt Zoé. Auch einen Kessel haben sie geputzt, „einen richtigen Crashkurs Algenherstellung gemacht“, sagt sie. So wollen die 34-Jährige und der 44-Jährige Ideen sammeln für ihr Kunstprojekt.

„Derzeit sind wir in der Phase der Entwicklung. Wir gucken, was machbar ist, wie es umgesetzt werden kann und skizzieren“, erläutert Tito. Ihr Projekt setzt sich mit dem Thema Raumfahrt auseinander, mit Algen als Ressource zur Sauerstoffgewinnung und als Nahrungsmittel. „Die Ausstellung wird deshalb wie ein Raumschiff gestaltet“, kündigt Tito an.

Die amerikanische Raumfahrtbehörde NASA forscht bereits seit vielen Jahren auf dem Gebiet der Lebenserhaltungssysteme, weiß Jörg Ullmann. „Wichtige Zukunftsfragen sind doch: Wohin entwickeln wir uns? Wir ernähren wir die Weltbevölkerung? Denn klar ist, dass wir über unsere Verhältnisse leben.“

Für Jörg Ullmann ist Kunst ein probates Mittel, um Menschen an diese Fragen heranzuführen. „Kunst transportiert Ideen ganz anders. Große Zusammenhänge werden besser verstanden“, sagt er. „Ein solches Projekt zeigt die Relevanz des Themas und wie viele Leute bereits daran arbeiten. Es erreicht ein anderes Publikum.“ Zudem sei die Kooperation mit den Schweizern keine Einbahnstraße. „Auch ich lerne dazu. Das ist ganz spannend. Viele Dinge lassen sich für meine Arbeit ableiten“, freut sich Jörg Ullmann.

Zoé und Tito sagen, der urbane Raum biete gute Möglichkeiten, an gesunde Nahrungsmittel zu kommen und in kleineren Anlagen selbst zu produzieren. Sie denken dabei beispielsweise an kleine Bioreaktoren, in denen Algen auf der Fensterbank wachsen können. Das ist für Jörg Ullmann gar nicht mehr weit entfernt. „Ich habe schon Anfragen für die Algenproduktion zuhause“, berichtet er.

Die Ausstellung von Zoé und Tito soll ein trans- oder multimediales Projekt werden mit Videos, Sound und Installationen, beschreiben sie. Wann die Schau zu sehen sein wird, ist allerdings noch nicht klar. „Das ist nicht vorhersehbar“, erklärt Zoé, „weil noch viele Probleme zu knacken sind. Bei Kunst an der Schnittstelle zur Wissenschaft kann viel schief gehen.“ Das Ziel der beiden ist es aber, die Ausstellung spätestens auf dem FLUX Art Festival 2017 in Brasilien zu präsentieren, das ebenfalls ein Projekt der Schweizer ist.