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Kolumne Flickenteppich Magdeburg

Gebäudesanierungspläne, die Gefahr von steigenden Mieten und was Gebäude aus der Gründerzeit damit zu tun haben.

Von Nico Esche 07.05.2020, 23:01

Magdeburg | Blickt man in die Vergangenheit, muss Magdeburg ein beeindruckendes Stadtbild geboten haben. Man denke da nur an die einst prächtige Bahnhofsanlage in Neustadt oder das Kaiser-Denkmal am Uni-Ring. Die ehemals schönste Barockstraße Deutschlands? Der Breite Weg in Magdeburg. Gleich ein ganzer Haufen Bilder Magdeburgs vergangener Zeiten kursieren durch das Netz, die die Schönheit unserer Heimatstadt aufzeigen. Die Zerstörungen im 2. Weltkrieg und der heute irre anmutende Wiederaufbau der Stadt im Sozialismus, verunstaltete Magdeburg.

Immerhin, viele Fassaden im Altstadtkern wurden seit der Wende wiederhergestellt und deuten auf längst vergangene Zeiten hin, in denen Magdeburg zu einer der wichtigsten und schönsten Städte Deutschlands zählte. Vor allem rund um den Hasselbachplatz sowie der Hegelstraße, erstrahlen die einst in der Gründerzeit erbauten Häuser (ca. 1880 bis 1920) wieder in in altem Glanz.

Für Touristen, die zugegebenermaßen in Zeiten von Corona eher Mangelware sind, präsentiert sich die Stadt aber auch hier wie einen Flickenteppich verschiedener Baustile (siehe Bildergalerie) - die auf den ersten und aber auch zweiten Blick wie eine Patchwork-Decke anmuten. Ganz zu schweigen vom Domplatz und dessen sich ringsum säumenden Gebäuden, der gleich vier verschiedene Jahrhunderte Architektur präsentiert.

Doch woran liegt es, dass eine gefühlte Sanierungs-Willkür der Fassaden Magdeburgs vorherrscht? Stadtsprecherin Kerstin Kinszorra erklärt die Lage: “Die Stadtverwaltung kann bei der Sanierung der Bebauung der Gründerzeit nicht an die Stelle der Eigentümer*innen treten, aber aus der Sicht der Stadtteil- und Quartiersentwicklung den planerischen Rahmen für die Nutzung der historischen und erhaltenswerten Bausubstanz schaffen.” Am Ende des Tages sind es die Eigentümer der Immobilie, die entscheiden, ob sich ihr Gebäude also optisch in das Stadtbild einfügt, oder eben nicht. Auch eine Frage von Kosten.

Die Stadtsprecherin spricht auch dieses Thema an, und deutet darauf hin, dass die Stadt erpicht darauf sei, eben jenes Stadtbild auf Vordermann zu bringen. So ist von Förderprogrammen und Planungsinstrumenten die Rede. Diese sollen Eigentümern von “Gründerzeitgebäuden” steuerliche Vorteile bieten und mit bis zu 40 Prozent Kostenbeteiligung von Sanierungen unter die Arme greifen. Außerdem bietet die Stadt, in Kooperation mit der Leistungsgesellschaft Haus + Grund, Beratungen an.

“Das Ziel besteht in der Entwicklung lebendiger und vielfältiger Wohn- und Geschäftsquartiere unter weitgehender Erhaltung der gründerzeitlichen Bausubstanz mit behutsamen baulichen Ergänzungen,” berichtet Kerstin Kinszorra. “In Bezug auf das ‘Stadtbild’ werden die planerischen Ziele in stadtteilbezogenen Erhaltungssatzungsgebieten festgesetzt.” Bedeutet: Potenzielle Gebäude sollen schick gemacht werden - was sich im besten Falle nicht in überteuerten Mieten widerspiegeln wird.

Sanierung ja, aber unter welchen Voraussetzungen? Denn: In Berlin wird gerade über letztes bitter gelacht. Im Zentrum der Hauptstadt werden sanierte Gründerzeit-Wohnungen für 15 Euro pro Quadratmeter und mehr vermietet. In Leipzigs saniertem Zentrum stieg die durchschnittliche Grundmiete zwischen 2003 und 2015 um 38 Prozent an und liegt nun bei rund 10 Euro/m². In Magdeburg liegt der Preis für ähnliche Gebäude (noch) bei rund 7 Euro der Quadratmeter, was eine Steigerung von satten 3,1 Prozent zwischen 2018 und 2019 bedeutet. Eine ähnliche Entwicklung, wie in Berlin und Leipzig, wäre für Magdeburg wohl ein wirtschaftliches Desaster.

Festzuhalten gilt, dass die Stadt Magdeburg viel geschaffen hat in den vergangenen 30 Jahren. Die Attraktivität steigt: Allein von 2018 zu 2019 stieg die Anzahl der Übernachtungen in der Landeshauptstadt um etwa 5,5 Prozent, ausländische Besucher zieht es im ostdeutschen Ländervergleich sogar überdurchschnittlich oft nach Magdeburg. Das könnte auch am Füllen städtebaulicher Lücken (Domviertel) und dem Herausputzen von präsenten Gebäuden im Stadtkern liegen. Jedoch darf nicht vergessen werden, dass jede Sanierung ihren Preis hat. Ob Magdeburg und ihre Bewohner diese Last stemmen könnten, steht im Raum. Wobei auch erwähnt werden muss, dass diesbezüglich und aktuell keine konkreten Erhöhungen geplant sind - ob von der Stadt oder den Eigentümern.

Übrigens: Auch in anderen Gebieten der Stadt soll Hand angelegt werden. Kerstin Kinszorra dazu: “Neben dem Südlichen Stadtzentrum, der Alten und Neuen Neustadt, Sudenburg und Stadtfeld Ost gibt es in den südöstlichen Stadtteilen Buckau, Fermersleben und Salbke zahlreiche Wohnhäuser der Gründerzeit.” In diesen Stadtteilen sollen “voraussichtlich über einen längeren Zeitraum ähnliche Entwicklungen stattfinden," wie rund um den Hasselbachplatz geschehen.

Und das kann im Endeffekt viele von uns betreffen - sei es durch den wohligen Anblick künstlerisch gefertigter Fassaden, dem Plus an Touristen … oder aber dem Steigen von Mieten in Magdeburg. Manch einer spottet gar hinter vorgehaltener Hand: “Leipzig ist das neue Berlin und Magdeburg das neue Leipzig.” Und damit sind nicht Red Bull Leipzig, Union Berlin und der 1. FC Magdeburg gemeint.