1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Magdeburg
  6. >
  7. Angst vor Spätdienst am Magdeburger Hassel

Kriminalität Angst vor Spätdienst am Magdeburger Hassel

Mehrere Bars am Hasselbachplatz in Magdeburg schließen. Was bedeutet das für die Zukunft der Barmeile? Die Volksstimme hat sich umgehört.

Von Christina Bendigs 09.10.2018, 01:01

Magdeburg l Immer wieder geriet der Magdeburger Hasselbachplatz in den vergangenen Monaten in die Negativ-Schlagzeilen. Regelmäßig muss die Polizei wegen Schlägereien und Übergriffen ausrücken. Die geahndeten Drogendelikte haben enorm zugenommen. Die Lage bleibt offensichtlich angespannt und es gibt einen Wandel auf Magdeburgs Kneipenmeile.

Der Grund: Alteingesessene Gastronomen haben dem Hasselbachplatz in der jüngsten Vergangenheit den Rücken gekehrt, darunter die Betreiber des Markant, der Urbar und des Deep sowie Uli Bittner vom Café Liebig. Auch die Cocktailbar Coco steht laut einer Anzeige im Internet zum Verkauf. „Es gibt noch zwei weitere einheimische Inhaber, die ihre Läden bereits unter der Hand anbieten“, sagt Arno Frommhagen von der Interessengemeinschaft Innenstadt.

Dem IG-Innenstadt-Sprecher gefällt die Entwicklung der Barmeile gar nicht. Frommhagen: „Der Hasselbachplatz hat eine Entwicklung genommen, die uns traurig macht.“ Die Straßen rund um den Kreisverkehr seien zum Problemviertel geworden. Schuld soll vor allem die Gesetzgebung des Landes sein. Was ein Alkoholverbot auf den Straßen sowie die Ausbreitung der Spätshops betrifft, habe man bei der Stadt Magdeburg alles versucht.

Die Spätshops bieten bis spät in die Nacht ihre Getränke vergleichsweise günstig am Hassel feil. Aktuell gibt es sieben solcher Läden. Sie seien „größter Anziehungs- und Konfliktpunkt“, heißt es von der Polizei. Probleme gebe es besonders vor einem Shop auf dem Breiten Weg, ganz in der Nähe des Kreisverkehrs.

Geht es nach Olaf Bernhardt, dem Betreiber von Curry 54, hätte die Polizei in der Vergangenheit viel härter durchgreifen müssen. „Man hätte zum Beispiel den Drogenhandel direkt im Keim ersticken müssen“, sagt Olaf Bernhardt. Er fordert schon lange mehr Taschenkontrollen und stärkere Präsenz der Beamten.

Eine Nachfrage bei der Polizei ergibt: Im Vergleich zum letzten Jahr sind die Drogendelikte am Hassel um 50 Prozent angestiegen. Das spreche für einen „erhöhten Kontrolldruck der Polizei“, erklärt eine Sprecherin des Magdeburger Reviers. Denn: Delikte in Sachen Drogenkriminalität würden nur durch Polizeikontrollen entstehen.

Wegen der dunklen Gestalten, die sich nachts im Bereich des Hasselbachplatzes rumtreiben, „wollen bereits die ersten Mitarbeiter keine Spätschicht mehr übernehmen“, macht der Curry-54-Betreiber deutlich. Was seine Einnahmen betrifft, seien diese in den Nächten freitags und sonnabends bereits um die Hälfte gesunken. Doch Olaf Bernhardt will durchhalten. „Wir haben alle investiert und die Sache nicht aufgegeben.“ Aber: Es müsse sich etwas ändern.

Durchhalten wird auch Marcel Koke. Er betreibt das Kartell, ehemals Espresso Kartell, in der Otto-von-Guericke-Straße. „Die Situation hier hat sich verändert, aber längst nicht so krass, wie es in den Medien dargestellt wird“, sagt Marcel Koke. Die Zahl seiner Gäste sei auch in den vergangenen Monaten stabil geblieben und bisher habe es auch keine Gäste gegeben, die zum Beispiel aus Angst nicht mehr bis spät in die Nacht blieben.

Über die regelmäßigen Einsätze von Ordnungsamt und Polizei ist er trotzdem froh. „Das sorgt für Sicherheit und könnte sogar manchmal noch mehr sein“, so Marcel Koke. Von April bis September gab es die gemeinsamen Streifen. Immer freitags und sonnabends zwischen 20 und 2 Uhr, zählt Stadtsprecherin Kerstin Kinszorra auf.

Schwerpunkt sei dabei gewesen, Lärm und Urinieren in der Öffentlichkeit zu unterbinden. „Durch eine erhöhte Präsenz hat sich die Situation bereits spürbar verbessert“, sagt Kerstin Kinszorra. Das hätten sowohl Anwohner und als auch Gewerbetreibende bestätigt.

Die Polizei spricht sogar von 30 Prozent weniger Straftaten in puncto Straßenkriminalität im Vergleich zu 2017. Was die Zahl der Personen angeht, die sich nachts im Bereich des Kreisverkehrs aufhalten, bliebe diese seit Wochen auf einem ähnlichen Niveau. Zu Spitzenzeiten halten sich laut Polizei 70 bis 80 Personen draußen auf. Schwerpunkt sind dabei die Bänke an der Ecke Liebigstraße.

Genau dort betrieb bis vor wenigen Tagen Uli Bittner sein Café Liebig. Ende September 2018 hat er es abgegeben – berufsbedingt, wie er erklärt. Als das Kaufangebot kam, habe er sich entschlossen, das Café zu verkaufen. Nichtsdestotrotz sei nicht von der Hand zu weisen, dass es schwieriger geworden sei, das Café am Hasselbachplatz zu betreiben. Die neuen Besitzer wollen nun ein italienisches Restaurant eröffnen. Die Umbauarbeiten laufen.

Um die anderen Gastronomen am Hasselbachplatz zu halten, sieht Kartell-Betreiber Marcel Koke Verbesserungsmöglichkeiten in der Zusammenarbeit mit der Stadt. Die Verantwortlichen sollten sich mehr für Magdeburgs Barkultur einsetzen. Zum Beispiel könnte die Stadt im Sommer das Terrassenöffnungszeiten-Gesetz lockern. Wenigstens am Wochenende sollte das über 1 Uhr hinausgehen. Seine Kritik: „Die Regularien sind sehr streng und es werden schnell Bußgelder verhängt.“

Auf Nachfrage erklärt Stadtsprecherin Kerstin Kinszorra, dass das Ordnungsamt Magdeburg tatsächlich kontinuierlich kontrolliert, ob die Lärmschutzbestimmungen eingehalten werden. Ein Grund dafür: Immer wieder gebe es Beschwerden von Anwohnern. Was die Strafen betrifft: Dieses Jahr wurden gegen zwei Gastronomen Zwangsgelder jeweils in Höhe von 1000 Euro verhängt, weil diese nach der Sperrzeit um 1 Uhr noch die Außengastronomie betrieben haben sollen, so die Stadtsprecherin. Trotz mehrmaliger Aufforderung hätten sich die Betreiber nicht an die Sperrzeit gehalten.

Was die Zusammenarbeit mit der Stadt betrifft, gibt es auch Kritik von Julia Mantwill vom Café Central in der Sternstraße. Gemeinsam mit den anderen Gastronomen wollen die Betreiber erneut das Kneipenfestival Hassel Fever aufleben lassen. Bereits am 23. November 2018 soll es so weit sein.

Julia Mantwill erklärt, dass vor Ort akuter Handlungsbedarf bestehe und „einmal mehr gibt sich die Verwaltung der Stadt nicht kooperativ“. Der Grund für die Kritik: Man wollte sich eigentlich für ein Organisationstreffen mit dem Ordnungsamt zusammensetzen. Mantwill: „Leider wurde unsere Anfrage mit der Auskunft beschieden, dass derzeit keine Termine für ein Planungsgespräch zu vergeben seien.“