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Kritik Was das Stück „Betti Kettenhemd“ im Magdeburger Puppentheater zeitlos macht

Für die jüngste Premiere des Magdeburger Puppentheaters gab es viel Applaus. Erzählt wird in „Betti Kettenhemd“ die Geschichte eines ungewöhnlichen Mädchens.

Von Klaus-Peter Voigt 11.03.2024, 05:30
Am Puppentheater Magdeburg feierte das Stück „Betti Kettenhemd“ Premiere.
Am Puppentheater Magdeburg feierte das Stück „Betti Kettenhemd“ Premiere. Foto: Viktoria Kühne

Magdeburg - Man kann die Erlebnisse von „Betti Kettenhemd“ zeitlos nennen. Das Hörspiel von Albert Wendt, der unter anderem mit „Der Sauwetterwind“ und „Der Vogelkopp“ bekannt wurde, entstand 1997. Als Kinderbuch in gedruckter Form und später auf der Bühne fand es seinen Weg in die Herzen von Mädchen und Jungen, die selbst Erwachsene kaum unberührt lässt. Doch erst im Theater bekommt die Heldin ein Gesicht.

Die Fassung für das Magdeburger Haus schuf Leonard Schubert, der zudem die Regie übernahm. Er verlässt das ursprüngliche Konzept, indem er zusätzlich zu dem Erzähler die handelnden Personen selbst zu Wort kommen lässt.

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Das geschieht mit Überraschungen und reizvollem Agieren der vier Puppenspieler Luisa Grüning, Anna Wiesemeier, Florian Kräuter und Kaspar Weith, die einmal alle gemeinsam in die Rolle der Betti schlüpfen, dann wieder den anderen Figuren zum Leben verhelfen.

Fantasievolle Puppen treten in Magdeburg auf

Dieses ständige Wechseln verlangt Kraft und entwickelt sich zu einer tollen, geschlossenen Leistung der Akteure. Jonathan Gentilhommes Ausstattung, die fantasievollen Puppen von Magdalena Roth tun in Verbindung mit den Videoeinspielern von Hannes Hesse ihr Übriges.

Das Mädchen Bettina ist von Furcht geprägt, sie hat Angst vor allem und jedem. Doch der riesige, unheimliche Hund, genannt der Schwarze Mülleimer, erweist sich als besonders gefährlich. Als sie allen Mut zusammennimmt und das Tier aus dem Dornengestrüpp vor dem Haus befreit und ihn mit Wasser versorgt, werden die beiden Freunde.

Die Kette des Vierbeiners, von dem das Mädchen ihn befreit, woraufhin der das Weite sucht, wird an ihrem Körper ein schützendes Hemd, macht sie mutig und stark. Betti streift nun allein über Felder, Wiesen und den Brennesselgraben, lernt das Rebhuhn Tek-Tek, kennen, das ihr die Natur näherbringt.

Zwischen Fantasie und Wirklichkeit

Ordnungswillen und die Logik der Erwachsenen sind dabei unwichtig, ein autonomes Leben gewinnt die Oberhand. Jäger Dr. Müller-Meckel mag solches Leben nicht. Er will das Mädchen loswerden, egal wie.

Als er in einem Hundezwinger einen gefährlichen und aggressiven gelben Hund entdeckt und diesen in den Wald bringt, geschieht das Unerwartete.

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Das Tier entpuppt sich als der Schwarze Mülleimer, dessen Fell in Gefangenschaft durch diverse Mittelchen seine Farbe änderte. Zwei alte Freunde schließen sich zum Ärger von Dr. Müller-Meckel in die Arme: Happy End.

Auf der Bühne erleben die Zuschauer in 60 Minuten ein Feuerwerk von Eindrücken. Zur schlichten Dekoration, die vornehmlich aus wechselnden, schmucklosen Quadern besteht, schaffen die meist in schwarz-weiß gehaltenen Videosequenzen Raum und Nähe.

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Zusätzliche farbige Lichteffekte machen so aus einem der Quader eine grüne Hecke. Wolken, Regen, Schneegestöber und der Brennesselgraben verleihen der Bühne ein besonders Flair.

Puppen und Figuren werden vielfältig inszeniert

Die Puppen kommen in vielfältiger Ausführung daher. Der Schwarze Mülleimer, Tek-Tek und der dicke, runde Jäger mit einer sehenswerten Maske werden als Kostüm getragen.

Die vier Spieler verwandeln sich durch blonde Perücken in Betti, treten gemeinsam oder allein, zu zweit oder zu dritt auf, stehen für die verschiedenen Gemütszustände, die das Mädchen in sich vereint, von der panischen Angst bis zur Freude.

Auf einer Art Nebenbühne agieren Holzfiguren, die Tiere und Hauptakteure des Stücks darstellen, quasi kommentierend zu den einzelnen Handlungssträngen. Diese Vielfalt der Figuren fasziniert, wie in einer gelungene Szene, wenn der Kopf eines Spielers mit einem Puppenkörper zu einem Ganzen verschmilzt und als Miniatur-Schlagersänger brilliert.

„Betti Kettenhemd“ ist eine Geschichte, die von ihrer Zeitlosigkeit und poesievollen Darstellung lebt. Dem Magdeburger Puppentheater gelang mit der Inszenierung ein Glücksgriff.