Serie „Otto ist Einheit“ über 35 Jahre Wiedervereinigung Mit Video: „Was willst du als Westdeutsche hier?“ Warum die Puppentheater-Chefin Magdeburg inzwischen trotzdem liebt
Warum Magdeburgs Puppentheater-Chefin Sabine Schramm 15-mal umzog, Magdeburg einstige Schmährufe verzeiht und welches Potenzial sie in der Stadt sieht.

Magdeburg - In einer Serie erzählen Menschen aus Magdeburg mit Ost- oder West-Hintergrund ihre Geschichte über Wiedervereinigung und Deutsche Einheit seit 35 Jahren. Heute: Sabine Schramm, seit 2023 Intendantin des Magdeburger Puppentheaters.
Im zehnten Jahr nach dem Mauerfall im November 1989 kommt Sabine Schramm zum ersten Mal nach Magdeburg. Bis 2001 ist die gebürtige Bayerin Ensemblemitglied im hiesigen Puppentheater und in sieben Produktionen zu sehen. „Ziemlich grau“ sei die Landeshauptstadt Sachsen-Anhalts damals gewesen, erinnert sich die aktuelle Intendantin des renommierten Magdeburger Puppentheaters.
Video: Sabine Schramm
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Man sah die Verletzungen der Stadt
„Man sah die Verletzungen der Stadt. Als ich 1999 kam, waren viele Menschen unglücklich über ihre private und berufliche Situation“, blickt die Regisseurin, Puppenspielerin und Schauspielerin in die Vergangenheit. „Viele fragten mich damals: Was willst du als Westdeutsche hier? Ich habe mich oft im Draußen gefühlt, wie ein Zaungast.“
Aus dem Grau ist eine schöne Stadt geworden
Das aber, ist im wahrsten Sinne des Wortes graue Vergangenheit. Denn Sabine Schramm ist zurückgekommen. Seit August 2023 leitet sie das Magdeburger Puppentheater und sagt: „Aus dem Grau ist eine helle und schöne Stadt geworden, die in Bewegung ist.“
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Als kleines Mädchen beschäftigt sie eine Nachricht ihres Vaters sehr, nämlich, dass das eigene Land nach dem Krieg durch eine Mauer geteilt worden ist – auch Familien, die nun voneinander getrennt, leben müssen. „Ich war erschüttert. Diese Vorstellung war für mich kaum fassbar.“ Ihr Vater zeigte wenig Hoffnung, dass das geteilte Deutschland je wieder zusammenfinden würde. Umso bewegender war der Abend des 9. November 1989 als der Vater seine ganze Familie zu sich ruft und sagt „Das müsst ihr sehen – dieser Tag wird in die Geschichte eingehen!“
Aufregende Wendezeit
Nach der aufregenden Wendezeit und den damit einhergehenden Veränderungen in Ost- und Westdeutschland beginnt für Sabine Schramm ein neuer Lebensabschnitt. Nach dem Abitur macht sie ihr Staatsexamen in Bildender Kunst. Doch es ist die Freie Kunst im Allgemeinen und die Verflechtung von Bildender und Darstellender Kunst im Speziellen, das ihre ganze Aufmerksamkeit und ihr Interesse weckt. Sabine Schramm studiert Schauspiel in Wien und Figurentheater in Stuttgart.
Weg durch Ost, Süd, West und Nord
Ihr künstlerischer Weg führt sie durch ganz Deutschland; durch Ost und West, Süd und Nord. Neben dem Engagement in Magdeburg ist sie unter anderem in Rostock, Tübingen, München, Saarbrücken und Regensburg engagiert, ebenso auf internationalen Festivals zu sehen und lehrt an Hochschulen und Universitäten ihre Kunst. Am Theater Altenburg-Gera leitet sie mit großem Erfolg von 2011 bis 2023 die Puppentheatersparte. „Ich bin bisher 15-mal umgezogen“, sagt sie mit einem Schmunzeln. „Das Wagnis und die Neugierde sind mein täglich Brot.“
Deshalb kam sie nach Magdeburg zurück
Ihre Rückkehr nach Magdeburg ist Ausdruck von Überzeugung und von dem Wunsch geprägt, hier weiterzudenken, was begonnen wurde; nicht zuletzt, weil sie die Stadt über das Puppentheater in die Welt hinaustragen will. Aber „Kunst und Kultur sind auch Stadtentwicklung“, betont sie.
Das durch sie weiterentwickelte Quartier p. sei ein Meilenstein und soll das Puppentheater Magdeburg zu einem Zentrum für europäische Puppenspielkunst und zu einem Campus wachsen lassen - ein Ort für Austausch, Forschung und neue Formen des Figurenspiels.
Die Welt ein wenig besser machen
Sabine Schramm, für die ihr Beruf längst zur Berufung geworden ist, begegnet mitunter einem Lächeln – für ihren festen Glauben an die Wirksamkeit von Kunst. „Ich bin überzeugt, dass wir mit unserem Theater die Welt ein wenig heller, offener und besser machen können“, sagt sie. „Diesen Idealismus trage ich in mir – und er scheint unverwüstlich.“
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Gleichzeitig bleibt sie wach für die Brüche der Geschichte. „Wir sind noch nicht wirklich vereint. 1989 hat uns alle überrascht. Es wurde nicht genug aufeinander gehört und sensibel nachgespürt.“ Sie versteht den Schmerz vieler Ostdeutscher: „Deren gewachsene Strukturen oft nicht anerkannt wurden – stattdessen hat man neue Wertmaßstäbe darübergelegt, ohne ein gegenseitiges Zuhören oder abwägen.“ Umso mehr setzt sie auf den Dialog – über die Kunst.
Magdeburg schützt die Kultur
Das Puppentheater ist ein städtischer Eigenbetrieb mit einem eigenen und ganz großartigen Ensemble und mannigfaltigen Möglichkeiten. Ihre Rückkehr nach Magdeburg bereut sie keinesfalls, ganz im Gegenteil. „Ich habe mir diese Aufgabe und Herausforderung ja gewünscht.“
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Sie weiß: In Magdeburg hält man eine schützende Hand über die Kultur und das Theater. „Ein großartiges Signal einer Stadt, die im Aufbruch ist und ein wunderbares Zeichen für ein menschliches Miteinander.“