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Coronavirus Nicht ohne mein Sozialleben

Freunde besuchen, auf Kaffee-Runde zum Nachbarn: Nicht jeder hält sich im Altmarkkreis Salzwedel an die Kontaktsperre.

Von Alexander Rekow 02.04.2020, 12:37

Salzwedel l „Er sagt, er will sich nicht einsperren lassen“, ärgert sich eine Leserin im Telefongespräch mit der Volksstimme. Die Rede ist von ihrem „beratungsresistenten“ Nachbarn, der sich wohl vorsätzlich über die derzeitige Kontaktsperre hinwegsetze. Alles gute Zureden sei vergeblich. Und das, was die Leserin am Telefon erzählt, ist kein Einzelfall im Altmarkkreis. Noch immer treffen sich Menschen jedweden Alters regelmäßig zum Feierabendbier oder auf einen Schnack beim Nachbarn. Beispielsweise im Salzwedeler Burggarten, der unlängst von der Hansestadt Salzwedel vorläufig für den Besucherverkehr geschlossen wurde. Trotzdem sind bei gutem Wetter noch immer ständig junge Menschen auf dem Areal unterwegs. Gleiches gilt beim Einkaufen: Während sich viele Kunden rücksichtsvoll verhalten, agieren andere noch immer, wie sie wollen. Die Verordnung des Landes Sachsen-Anhalt und die Ansagen des Landrates zur Kontaktbeschränkung werden allenfalls belächelt. Und das ärgert viele, die sich daran halten. Immerhin gefährden renitente Personen nicht nur ihr eigenes, sondern auch das Wohl aller.

Wöchentlich fahre der eingangs erwähnte Nachbar in ein anderes Dorf im Landkreis, um dort einen mehr als 80-Jährigen zu besuchen. „Ich sagte ihm, er kann doch telefonieren.“ Doch davon wolle er nichts hören. Das habe er schon immer so gemacht und werde es weiterhin tun, habe er gesagt. Vielmehr sei die ganze Corona-Pandemie für den Nachbarn politisiert, das habe ihm seine Schwiegermutter zugetragen.

Vielmehr ist der Nachbar der Meinung, dass es sich bei dem Coronavirus um eine „normale Lungenentzündung“ handele. Die Daten des Robert-Koch-Instituts hin oder her.

Seine Nachbarin, die sich an die Volksstimme wandte, weiß sich zumindest keinen Rat mehr. „Er bringt ja damit auch seine eigene Familie in Gefahr.“ Doch wenn sie was sage, werde er noch laut. „Ich hoffe einfach, dass er, wenn er es in der Zeitung liest, umdenkt.“

Die Leserin selbst verstehe auch nicht, weshalb ihr Nachbar überhaupt so ein großes Problem mit der verordneten Kontaktsperre habe. „Wir wohnen in einem Dorf. Da haben alle einen Garten.“ Dort sei es nicht so wie in den Plattenbauten von Salzwedel, wo jeder in seinen eigenen vier Wänden bleiben müsse. „Wir können uns doch alle über den Gartenzaun oder die Straße unterhalten“, sagt sie. Außerdem böten menschenleere Feldwege genug Platz, um sich die Füße zu vertreten. Doch gerade ihre älteren Nachbarn, die zur Risikogruppe gehören, würden für die derzeitigen Schutzmaßnahmen wenig Verständnis zeigen. „Die brauchen scheinbar ihre Unterhaltung.“ Dabei schränke die Anruferin ihr Leben gerade wegen der Risikogruppen selbst ein. „Ich gehe nur einmal oder maximal zweimal in der Woche einkaufen.“ Kontakte würden am Telefon gepflegt. Und genau das erwarte sie auch von ihren Mitmenschen: „Die sollen sich mal langsam daran halten – auch in den Dörfern.“

„Das Bemühen aller sollte sein, in dieser Hinsicht präventiv tätig zu sein“, heißt es dazu aus der Kreisverwaltung. Sachlichen Hinweisen, die über unterschiedliche Kanäle eingehen, werde pflichtgemäß durch Polizei und Ordnungsamt nachgegangen, versichert Kreissprecherin Birgit Eurich. In diesem Zusammenhang verweist der Altmarkkreis nochmals auf die Verordnung des Landes, die nach Auskunft von Lesern noch nicht überall angekommen sei beziehungsweise nicht jeder wüsste, was er darf.

Hierzu hat die zweite Verordnung über Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des Coronavirus Bestand. Und wie Ministerpräsident Reiner Haseloff am 1. April nach einer Telefonkonferenz mit den anderen Ministerpräsidenten und Kanzlerin Angela Merkel vereinbarte, wird die Kontaktsperre, die eigentlich bis zum 5. April gilt, bis zum Sonntag, 19. April, verlängert. „Der Kampf gegen das Virus ist noch lange nicht gewonnen. Deswegen müssen die Ausgangsbeschränkungen verlängert werden“, so Haseloff.

Demnach hat die Verordnung zur Pandemie-Eindämmung bis nach Ostern bestand. Das heißt unterm Strich, dass der Aufenthalt im öffentlichen Raum nur alleine oder mit einer weiteren Person stattfinden darf. Ausnahme ist die eigene Familie. Wer vor die Tür geht, muss einen triftigen Grund haben. Sprich: Arbeit, Einkauf, Arzt, Dritte versorgen, Begleitung Minderjähriger, Sport allein an der frischen Luft, auf behördliche Anweisung oder der Versorgung von Tieren. Wer nur mal Klönen möchte, hat keinen triftigen Grund. Und wer sich außerhalb der eigenen vier Wände bewegt, muss einen Mindestabstand von 1,5 Metern zu Personen einhalten.

Wie bereits der Altmarkkreis erklärte, werde Zuwiderhandlungen nachgegangen. Dies wird von den jeweiligen Ordnungsämtern im Landkreis und der Polizei kontrolliert. In der Verordnung des Landes heißt es dazu kurz und knapp: „Verstöße können nach Infektionsschutzgesetz als Ordnungswidrigkeit sowie mit Geld- und Freiheitsstrafe geahndet werden.“