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So kocht die Altmark Leckerer Tiegelbraten wie in Kindertagen

Katja Kleinau ist in Ritzleben mit den Traditionen der Altmark aufgewachsen und lebt dort mit ihrer eigenen Familie auf dem elterlichen Hof. Tiegelbraten weckt bei ihr Kindheitserinnerungen und gehört zu ihren Lieblingsgerichten.

Von Beate Achilles 27.07.2023, 10:00
Katja Kleinau mit Tiegelbraten am fertig gedeckten Tisch.
Katja Kleinau mit Tiegelbraten am fertig gedeckten Tisch. Foto: Beate Achilles

Ritzleben - Rind- und Lammfleisch in einer kräftigen klaren Brühe, das ist der traditionelle altmärkische Tiegelbraten. Ursprünglich wurde für das Rezept auch gerne Hammelfleisch statt Lamm verwendet, aber das ist heute schwierig zu bekommen. Deshalb gibt es den Tiegelbraten an diesem Abend in Ritzleben also mit Lamm. Genauer gesagt Lammkoteletts.

Die waren in dem Supermarkt erhältlich, wo die Gastgeberin am Nachmittag einkaufen war. Für das Rindfleisch stand Rinderbraten zur Auswahl. „Man sollte unbedingt gutes Fleisch kaufen“, rät die Gastgeberin. Viel Zeit für großartige Vorbereitungen hat die berufstätige Mutter von zwei Kindern an diesem Dienstag nicht. Für solche Voraussetzungen ist der Tiegelbraten ein praktisches Gericht, kommen doch die Zutaten Fleisch, Zwiebeln und Gewürze zunächst einfach nur zusammen in einen Topf mit etwas Wasser und köcheln dann längere Zeit vor sich hin.

Rind- und Lammfleisch, Zwiebeln und Lorbeerblatt für den Tiegelbraten im noch rohen Zustand im Topf. Beim Fleisch auf gute Qualität achten, rät Katja Kleinau.
Rind- und Lammfleisch, Zwiebeln und Lorbeerblatt für den Tiegelbraten im noch rohen Zustand im Topf. Beim Fleisch auf gute Qualität achten, rät Katja Kleinau.
Foto: Beate Achilles

Ein edles Tröpfchen verkürzt die Wartezeit

Als wir Gäste gegen 19 Uhr eintreffen, simmert das Gericht seit etwa einer Stunde auf dem Herd. Es wird also noch dauern mit dem Essen. So haben wir Zeit, mit einem Glas Wein in der Hand alle gemeinsam durch den Garten der Familie zu schlendern. Das Tröpfchen verdient Erwähnung, denn es handelt sich um einen Grauburgunder S (der Buchstabe steht für Selektion) trocken mit Prädikat vom einem Weingut in Rheinland-Pfalz, das seinen Wein auf den schon von Goethe erwähnten Monzinger Bergen an der Nahe anbaut. Der Grauburgunder S wird bei Deutschlands größtem inhabergeführten Weinhändler mit 94 von 100 Punkten bewertet. Es handelt sich also um alles andere als einen Allerweltswein, den Katja und ihr Mann uns hier kredenzen, ohne irgendein Aufhebens davon zu machen.

Zitronen-Taglilien kommen bei Kindern gut an

Während wir den Garten inspizieren, untersuchen auf der Terrasse Tochter, Sohn, Nichte und Neffe der Gastgeber die Schüssel mit Blattsalaten aus Lollo Bionda und Ruccola, garniert mit essbaren Blüten, die wir mitgebracht haben. Alle diese Zutaten hatten wir, ebenfalls mit wenig Zeit, zu Hause im Garten gepflückt und dazu ein schnelles Dressing aus kalt gepresstem Rapsöl, Apfel-Balsamico, gehackten Liebstöckelblättern, Senf, Salz und Pfeffer zusammengerührt. Die vier Blüten von Zitronen-Taglilien, die dem Salat optisch das gewisse Etwas gegeben hatten, sind schon bald in den Kindermündern verschwunden. In weiser Voraussicht hatten wir auch noch Ringelblumenblätter und Liebstöckelblütchen darin verteilt, die die jugendliche Neugier überdauern – zu hoch ist wohl der Aufwand, sie alle einzeln herauszupicken.

Zurück am Tisch machen wir Gäste uns daran, die dort bereit liegenden Möhren mit dem Sparschäler in Streifen zu schneiden. Daraus soll ein Möhrengemüse entstehen. Das gehört eigentlich nicht zum Tiegelbraten. Aber wir sind uns alle einig, dass etwas Gemüse als Ergänzung zu dem Fleischgericht nicht schaden kann. Und mit dem Schäler in Streifen geschnitten, sehen die Möhren auch richtig edel aus. Während die Karotten verarbeitet werden, kommt das Gespräch darauf, wie der Tiegelbraten wohl richtig zuzubereiten sei.

Welches ist das richtige Rezept für Tiegelbraten?

Die Gastgeberin hat zur Klärung dieser Frage ein altes DDR-Kochbuch zu Rate gezogen. „Gekochtes zwischen Harz und Havel“ heißt das liebevoll gestaltete Büchlein aus den frühen 1970er Jahren. Sie kocht Tiegelbraten an diesem Abend zum ersten Mal. „Ich brauche immer Besuch, um mich dazu zu bringen, etwas Neues auszuprobieren“, kommentiert Katja. Dabei kennt sie dieses Gericht schon aus Kindheitstagen:. „Ich sehe noch meinen Vater in der Küche stehen und Tiegelbraten zubereiten“, blickt sie zurück. „Wenn es dieses Gericht gab und ich mit ihm am Tisch saß, war die Welt in Ordnung.“

Die Gäste haben aus Neugier ebenfalls einen Blick in Tiegelbratenrezepte im Internet geworfen. Dort stand, man müsse zunächst die Zwiebeln einfach nur mitkochen. Später sollte das Fleisch mit der Brühe, dann mit weiteren, kurz in Butterschmalz angebratenen Zwiebelringen garniert und damit im Ofen bei 220 Grad überbacken werden, bis die Zwiebeln goldgelb sind.

Lesen Sie hier: Tiegelbraten - traditionell ein kräftiges Hochzeitsfrühstück

So kennt Katja das Gericht nicht. Wir beschließen, ihre 90-jährige Tante Elisabeth zu befragen, die ebenfalls auf dem Hof wohnt. Die betagte Altmärkerin wirft einen Blick auf das Rezept im Buch und bestätigt: „Genau so ist es!“ Wir gehen zurück in die Küche, wo Katja das Fleisch aus dem Sud nimmt, das inzwischen weich gekocht ist. Auf einem Holzbrett schneidet sie es in Würfel und entfernt den Knochen von den Lammkoteletts.

Katja Kleinau mit Tiegelbraten am heimischen Herd.
Katja Kleinau mit Tiegelbraten am heimischen Herd.
Foto: Beate Achilles

Dann ist der große Moment gekommen, an dem sie den Star des Abends aus dem Schrank holt: den gusseisernen, innen emaillierten Tiegel, ein Erbstück aus den Zeiten ihrer Großeltern. „Der stand früher immer in der Speisekammer und hat die vergangenen Jahre bei den ,alten Dingen’ auf dem Dachboden zugebracht“, verrät Katja. Wir Gäste, beide aus anderen Teilen Deutschlands, sind von dem traditionellen Gefäß mit drei Beinen, dem das Gericht seinen Namen verdankt, schwer beeindruckt.

Brühe wird abgeseiht und reduziert

Ehe er in den Backofen kommt, wird der Tiegelbraten noch mit Butterflocken garniert.
Ehe er in den Backofen kommt, wird der Tiegelbraten noch mit Butterflocken garniert.
Foto: Beate Achilles

Durch ein Sieb seiht die Köchin nun die Brühe ab und gibt etwa einen halben Liter davon in den Tiegel. Dann fügt sie das Fleisch hinzu, garniert alles mit ein paar Butterflöckchen und schiebt den Tiegel in den Backofen. Dort verbleibt er noch einige Minuten, um die Brühe zu reduzieren. „Früher wurde für das Gericht fettes Fleisch verwendet, deshalb musste es sehr heiß sein, wenn es auf den Tisch kam“, erzählt die Köchin.

Der fertige Tiegelbraten mit Beilagen am gedeckten Tisch
Der fertige Tiegelbraten mit Beilagen am gedeckten Tisch
Foto: Beate Achilles

Währenddessen zerlässt sie etwas Butter in einem Wok und schmort darin für etwa drei bis vier Minuten das Möhrengemüse. Der Herr des Hauses sieht nun den richtigen Moment gekommen, das Weißbrot in Scheiben zu schneiden, das traditionell zum Tiegelbraten gereicht wird. Nach knapp 10 Minuten kommt der Tiegel gegen 21 Uhr aus dem Ofen und auf den Tisch. In die tiefen Teller mit Goldrand – ebenfalls aus dem Familienbesitz – werden Brühe und Fleisch gefüllt.

Jeder nimmt sich etwas Weißbrot und stippt es in die Brühe. „Köstlich!“, befinden Gastgeber und Gäste. Wenn Katja auch der Meinung ist, dass es früher irgendwie anders geschmeckt hat. „Vielleicht muss man es erst erkalten lassen und wieder aufwärmen, damit sich die Aromen voll entfalten“, vermutet sie. Am nächsten Tag macht „Tantchen“ Elisabeth genau das. „Sie hat den Tiegelbraten probiert und für gut gelungen erklärt.“ Finden wir auch und wollen ihn bald nachkochen.