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Ruhestand Abschied mit Erinnerungen

Die Kaufmännische Leiterin der Waldburg-Zeil-Klinik in Bad Salzelmen, Vera Effenberger, wurde in den Vorruhestand verabschiedet.

Von Olaf Koch 27.07.2018, 18:30

Bad Salzelmen l „Olle Kamellen“ waren das nicht. „Olle Kamellen“ – dieser Ausdruck kommt aus dem Niederdeutschen und bedeutet Kamille. Die Kamillenblüten sind für ihre heilende Wirkung bekannt. Allerdings verlieren sie ihre Heilkraft, wenn sie zu lange gelagert werden und werden „oll“ und nützen damit niemandem mehr etwas. Die Geschichten, die gestern über Vera Effenberger zum Besten gegeben wurden, waren zwar alte Geschichten, aber keine „ollen Kamellen“.

Vielmehr waren es Erlebnisse und Erinnerungen, die die langjährige Kaufmännische Leiterin der Rehabilitationsklinik Bad Salzelmen beschreiben, ihren Charakter und ihre Denkweise in einem ganz besonderen Licht zeigten. Nach 27 Jahren nämlich wurde die heute 64-Jährige feierlich in den Vorruhestand verabschiedet.

Und so gab es nicht nur Blumen, sondern eben auch den Blick zurück. Der Geschäftsführer der Waldburg-Zeil-Kliniken, Ellio Schneider, schaffte es rhetorisch, Vera Effenberger in einem Satz mit dem Brexit und US-Präsident Donald Trump zu bringen. „Die Welt ist im Moment manchmal so chaotisch. Sie waren und sind der ruhige Pol vom Bad Salzelmen“, so Schneider – und damit nicht nur von Bad Salzelmen, sondern wohl auch der ganzen Welt ...

Ellio Schneider erinnerte sich an ein geflügeltes Wort, das so manchen geschäftlichen Knoten entwirren ließ: „Vera, geh‘ doch mal eine rauchen!“ Das hieß so viel wie: Unter vier Augen nahm Vera Effenberger ihren Gesprächspartner mit auf dem Balkon der Reha-Klinik. Bei einer Zigarette oder nach einer Weile von fünf Minuten kamen beiden wieder mit einem „Deal“ – einem Geschäft – zurück.

Die Verabschiedung von Vera Effenberger gestern kam einem kleinen Ritterschlag gleich. Die Adjek- und Substantive, die die Redner für ihre Mitarbeiterin, Kollegin oder Freundin verwendeten, überboten sich förmlich in ihrem beschreibenden Inhalt: Geradlinigkeit, Loyalität, zuverlässige Art, Schlagfertigkeit, Neugierde, spontan, Frau der schnellen Entscheidung, Einsatz mit Herzblut, Ecken und Kanten, Menschlichkeit, Beharrlichkeit, unbequem, aber gerecht und voller Tatendrang.

Und das, so stellten es mehrere Redner immer wieder in den Vordergrund, obwohl oder weil sie eine Frau aus dem Osten ist. Diesen Fakt arbeitete in ihrer Verabschiedungsrede ausgerechnet eine andere Frau heraus: Sachsen-Anhalts Sozialministerin Petra Grimm-Benne (SPD). „Die Waldburg-Zeil-Kliniken haben damals etwas richtig gemacht. Sie haben für diese Stelle jemanden gefunden, die wusste, wie die Menschen hier ticken.“ Viele andere Firmen haben den Fehler gemacht, fremde Menschen aus ebenso fremden Regionen einzusetzen, so Grimm-Benne. Dass damals noch komisch geschaut wurde, ob eine Frau diese Leistung bringen könne, war der Zeit geschuldet. Heute sei das schon lange normal.

Vera Effenberger stammt aus in der Magdeburger Börde, nach dem Studium der Ökonomie in Leipzig begann sie als Verwaltungsleiterin im Solbad „Dr. Tolberg“, einer staatlichen Lungenheilstätte. So war sie bereits schon vor ihrem Eintritt in die Waldburg-Zeil-Kliniken eine feste Größe in Bad Salzelmen und damit auch in Schönebeck, wie es Oberbürgermeister Bert Knoblauch (CDU) feststellte.

Zusammen mit dem großen persönlichen Engagement und dem unternehmerischen Einsatz konnte der Neubau der heutigen Rehabilitationsklinik Bad Salzelmen zwischen 1992 und 1995 verwirklicht werden. Effenberger wurde gemeinsam mit zahlreichen anderen Mitarbeitern der Lungenheilstätte am 1. Januar 1992 ein Teil der Waldburg-Zeil-Kliniken. Gemeinsam gelang es, Bad Salzelmen als ältestes deutsches Solebad zu bewahren, durch den Wandel der medizinischen Rehabilitation zu führen und als qualitativ hochwertigen Standort zu entwickeln. Daran erinnerten gestern mehrere Redner ausführlich.

Die Reha-Klinik Bad Salzelmen ist heute als Fachklinik für Orthopädie, Onkologie und Pneumologie in der Region und darüber hinaus fest etabliert. In der Einrichtung sind rund 160 Mitarbeiter beschäftigt, jährlich werden etwa 3700 Patienten betreut.

Dass Vera Effenberger nicht irgendeine Mitarbeiterin ist, sondern zu jenen der ersten Stunde gehört, brachte auch die Anwesenheit von Seine Durchlaucht Fürst von Waldburg zu Zeil und Trauchburg zum Ausdruck. Der Inhaber der Klinikgruppe hielt ebenfalls eine Dankesrede auf Vera Effenberger und überzog den selbst gesetzten Zeitrahmen von fünf Minuten gnadenlos.

Aber was Seine Durchlaucht zu sagen hatte, spiegelt deutlich die Unternehmenskultur der Kliniken wider. So fragte sich Fürst von Waldburg zu Zeil und Trauchburg selbst, was ein erfolgreiches Unternehmen ausmache? „Ja selbstverständlich das Wagnis des Chefs, aber viel mehr ist es die Belegschaft, die maßgeblich zum Erfolg eines Unternehmens beiträgt. Es sind die Mitarbeiter, und es die Wertschätzung, die man ihnen entgegenbringt.“

Und nun? Waldburg-Zeil hält nach dem Weggang an der guten Tradition fest: Frau und Osten. Nachfolgerin von Vera Effenberger wird nämlich Orlen Freier. Sie wird vielleicht einiges anderes machen, aber die Richtung, die ihre Vorgängerin eingeschlagen hat, mit Sicherheit vorsetzen. Das ist nicht nur gut für die Klinikgruppe, sondern vor allem auch gut für Schönebeck.