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„Atzendorf Quartiere“ Was der alten Eisfabrik im Weg steht

Wohnen nebst Agrikultur: Die Vermarktung des Mischgebiets „Atzendorf Quartiere“ geht voran. Ein Gutachten jedoch stellt Fragen, der Landwirt will Rechtssicherheit.

Von Tobias Winkler 18.12.2025, 18:30
Wohnen an der alten Eisfabrik – „in ruhiger Lage“: Die Salzlandsparkasse vermarktet seit einiger Zeit die „Atzendorf Quartiere“.
Wohnen an der alten Eisfabrik – „in ruhiger Lage“: Die Salzlandsparkasse vermarktet seit einiger Zeit die „Atzendorf Quartiere“. Foto: Tobias Winkler

Atzendorf - Seit 1994 in Besitz der aus dem Bayrischen stammenden Familie Hauser, steht das Gut Atzendorf seit 2013 für Kartoffeln und Zwiebeln magdeburgsch-mauritanischen Anbaus. Das „Wohnen an der alten Eisfabrik“, in direkter Nachbarschaft der Hausers, ist bereits seit ein paar Jahren eines der politischen Vorzeigeprojekte, um Staßfurt als Speckgürtel der Landeshaupstadt zu bewerben. Die Vermarktung der Salzlandsparkasse läuft – nun jedoch, passend zur 1.080-Jahr-Feier Atzendorfs und dem geplanten Start von Erschließung und Bau im kommenden Jahr, beschert ein neues Gutachten Umplanungs- beziehungsweise Bedarf der Konkretisierung. „Wohnen in ruhiger Lage“, wie es die Immobilienspezialisten formulieren? „Unmöglich“, sagt Landwirtschaftsmeister Sebastian Hauser. Neuer Lärm ums Ruhegebiet.

Knackpunkt ist die Schallimmissionsprognose, die Grundstückseigentümerin Dijana Cosic, bekannt für Fassaden, Maler- und Pflasterarbeiten oder auch das Tourismuszentrum Womopark 24, beim Atzendorfer Akustikbüro von Physikerin Steffi Deiter in Auftrag gegeben hat.

Die Werte seien zu niedrig angesetzt, sagt Bauer Hauser. Böse Überraschungen, etwaige Beschwerden und Krieg am Maschendrahtzaun seien seine Sache nicht – vielmehr sollten die neuen Nachbarn von vornherein wissen, worauf sie sich einlassen. „Für Entschuldigungen können sich Leute nix kaufen.“

Bis zu 13 Wohnhäuser

Im Bebauungsplan 66/22 beziehungsweise den bauleitplanerischen Entwicklungen des Unseburger Architekten Christian Boos sind zehn bis 13 freistehende Einfamilienwohnhäuser vorgesehen.

Außer kommunal-/baubehördlicher Vorgaben soll es keinerlei kreative Beschränkung geben, sogar die lange umstrittene Sonnenkraft/Photovoltaik hat sich dem Vernehmen nach durchgesetzt – ins Mischgebiet eingebunden.

„Der Flächennutzungsplan zeigt die Zielsetzung zur städtebaulichen Entwicklung in jeglicher Hinsicht auf“, erläuterte Boos im Sommer. Auf dieser Grundlage entwickle man Bebauungspläne und schaffe Baurecht. Derzeit präzisierten beziehungsweise passten die Beteiligten die Pläne an.

Es ist unklar, welchen Anteil jeder einzelne Betrieb hat.

Manfred Weiße

Insbesondere unklar sei, wie viel des Lärms auf wen zurückgeht, letztlich auf wem beruht, sagt der Gutachter Manfred Weiße.

Der von Landwirt Hauser beauftrage Bauphysiker aus dem Seegebiet Mansfelder Land (Südharz) legt den Akteuren allem voran die Nutzung einer seit einigen Jahrzehnten bewährten Software aus dem unterfränkischen Würzburg ans Herz.

„Eine Ausweisung der anteiligen Beurteilungspegel“, so Weiße, getrennt nach Hauser und dem ebenfalls angrenzenden Landwirtschaftsbetrieb mit Tierhaltung Voigtländer, „ist zwingend erforderlich.“

Bandwurm-Infekt

Dazu kommen weitere Schall-Quellen und Empfänger beziehungsweise Baudenkmäler – laut Landesamt für Vermessung und Geoinformation neben Bauern- und Gutshöfen oder -häusern die benachbarte Villa, der Bördedom St. Eustachius, aber auch die Bundesstraße 71, im medizinischen Kontext auf Bandwurm-Infektionen codiert.

Der Betrieb Voigtländer und Sohn, unter anderem mit Rinderställen, Fahrsilos, Güllebehälter, Mistplatte oder Halle, falle in den Messungen insbesondere durch Traktoren, Hoflader und Futtermischwagen auf, begutachtet Deiter. Grundlage: die Ortsbesichtigung von 2023.

Für Entschuldigungen können sich Leute nix kaufen.

Bauer Hauser

„In dem Gutachten von Frau Deiter wird leider die Nutzung meiner Hofstelle, die direkt an der nördlichen Planungsgrenze mit circa 8.000 Quadratmetern angrenzt, nicht berücksichtigt“, sagt Sebastian Hauser. „So können widersprüchliche Nutzungen nicht aufgedeckt werden.“

Eine seinerseits angebotene Verpflichtungserklärung, ihn als Landwirtschaftsbetrieb zu schützen, sei bis dato abgelehnt worden.

„Das Planungsgebiet wird in ruhiger Lage beworben – was falsche Erwartungen weckt und später für Ärger sorgt.“ Nicht zuletzt, weil auch er eine Erweiterung plane. Mit einer neuen Mehrzweckhalle, etwa für Sortierung. „Ich bin gespannt, wie das miteinander funktionieren soll.“

Ein Gutachter aus dem Seegebiet Mansfelder Land (Südharz) stellt die zugrundeliegenden Schallimmissionsprognosen infrage.
Ein Gutachter aus dem Seegebiet Mansfelder Land (Südharz) stellt die zugrundeliegenden Schallimmissionsprognosen infrage.
Foto: Tobias Winkler

Seit drei Jahrzehnten, seit wenigen Monaten als „Regionalvermarkter 2025“ von Land, Kammern und Agrarstrategen, für die Region aktiv, ist der Landwirtschaftsmeister politisch als Stadtrat für die liberale, freie Demokratie unterwegs.

Letztlich gehe es ihm um eine vernünftige Planung und den Schutz jahrzehntelang angesiedelter Unternehmen. Und Rechtssicherheit. Für alle Seiten. „Wir brauchen ein realistisches, nach bestem Wissen und Gewissen erarbeitetes Gutachten.“