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Briefwahl Stendal SPD erwägt Strafanzeige

Die SPD in Stendal erwägt eine Strafanzeige gegen Rathaus-Mitarbeiter. Sie fühlt sich in den Wahlskandal der CDU hineingezogen.

15.09.2017, 23:01

Stendal l Die Äußerungen von zwei Rathaus-Mitarbeiterinnen vor dem Landtags-Untersuchungsausschuss zur Aufklärung der Stendaler Wahlfälschung schlagen weiter hohe Wellen. SPD-Ratsmitglied Reiner Instenberg kündigte im Stadtrat an, dass seine Fraktion und Partei rechtliche Schritte einleiten werden, wenn das Rathaus und die beiden Mitarbeiterinnen die Äußerungen nicht klarstellten.

So hatte eine Mitarbeiterin auf intensives Nachfragen der Ausschussmitglieder erklärt, dass auch bei Wahlen 2014 und davor „zwischen fünf und zehn Vollmachten“ von Mitgliedern „der Spitzenparteien“ eingereicht worden seien.

„Das finde ich schon sehr krass, auch andere Parteien in die Nähe der Wahlfälschung zu rücken“, empörte sich Instenberg. „Nicht ein Mitglied der SPD oder ein ihr Nahestehender hat 2014 mehr als vier Vollmachten eingereicht“, versicherte der Sozialdemokrat. Durch die Äußerungen entstehe in der Öffentlichkeit der Eindruck, „dieser Mist treffe auf alle hier zu“, sprach er von einer „infamen und böswilligen Verleumdung“.

„Sollte das nicht klargestellt werden, werden wir rechtliche Schritte einleiten, weil dies eine Falschaussage gegenüber dem Untersuchungsausschuss war“, erklärte Instenberg. Die Mitarbeiterinnen hätten einen großen Arbeitsaufwand bei der Wahl gehabt und seien womöglich überfordert gewesen. Dies sei aber keine Entschuldigung für eine Lüge: „Das wirft ein Licht auf die Verwaltung, wie gearbeitet wird.“ Auch Linke/Grüne-Fraktionschef Joachim Röxe wies die Mitarbeiterinnen-Darstellung vor dem Landtagsausschuss „auf das Schärfste zurück“ und bat, „Belege zu nennen, welche Mitglieder meiner Partei gegen die Regelung verstoßen haben“.

Röxe vermutet, dass hier eine Verwechselung mit den Wählbarkeitsbescheinigungen vorliegen könnte, die jede Partei für ihre Kandidaten einreichen muss, was auch durchaus gebündelt geschehe: „Ich hoffe indes nicht, dass die Mitarbeiterinnen des Einwohnermeldeamtes diese von den Wahlunterlagen nicht auseinander halten können.“

Oberbürgermeister Klaus Schmotz (CDU) ergriff anschließend das Wort. „Ich würde auf das Protokoll warten, was tatsächlich formuliert wurde“, kündigte er Antworten an, „sobald ich das kann“.

Das Thema Wahlfälschung hatte auch gleich zum Auftakt der Sitzung eine Rolle gespielt. In der Einwohnerfragestunde wollte Steffen Roske wissen, ob es zum damaligen Zeitpunkt nicht regelmäßige Schulungen der Mitarbeiterinnen gegeben habe. „Der Eindruck entsteht, dass es hier einen rechtsfreien Raum gab, wo jeder schalten und walten konnte, wie er wollte. Das muss endlich ein Ende haben“, forderte er.

Der Oberbürgermeister antwortete: „Es gibt regelmäßige Schulungen für die Mitarbeiter, die mit Wahlen befasst sind.“ Er habe als Wahlleiter schon viele Wahlen verantwortet, die „ohne Wahleinsprüche abgegangen sind“.

2014 habe es „einen Fehler gegeben, weil eine Vorschrift nicht angewendet worden ist. Alle anderen Dinge sind ordnungsgemäß gelaufen“, beschwichtigte Schmotz.

Die Strafermittler und der Untersuchungsausschuss fördern jedoch ganz andere Tatsachen ans Tageslicht: So gab es bei der Wahl 2009 unter der Verantwortung des Oberbürgermeisters klare Indizien für gefälschte Stimmen. Für die Landratswahl 2012 laufen derzeit noch die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft.

Im Untersuchungsausschuss des Landtags vermittelten Zeugen aus dem Rathaus ein Bild über diffuse Abläufe in der Stadtverwaltung. Übereinstimmend sagten mehrere Mitarbeiter, dass sie vor 2014 nicht systematisch geschult worden seien. In einer Sitzungspause war das Stimmungsbild nahezu einhellig: „Die Performance hier ist krass“, sagte ein Ausschussmitglied.