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Forest Jump Der Traum vom eigenen Festival

Sechs Altmärker hatten die Idee, ein Festival bei Salzwedel zu initiieren. Mittlerweile ist das Forest Jump in ganz Sachsen-Anhalt beliebt.

Von Alexander Rekow 05.06.2018, 01:01

Pretzier l Das Geschrei zweier Kreissägen durchdringt die sonntägliche Ruhe am Ortsrand des beschaulichen Pretzier im Altmarkkreis Salzwedel. Hämmer klopfen, Akku-Schrauber brummen. Die Mittzwanziger Tobias Otto Arndt, Christian Kurschel und Gregor Roth werkeln an ihrem freien Tag in einer Tischlerei mit ihrem Freund und Tischler Felix Loth. Weitere Toilettenhäuschen werden gebraucht. „Wir erwarten in diesem Jahr rund 1200 Gäste“, blickt Gregor Roth voraus. Gemeint ist das Forest-Jump-Festival bei Salzwedel im Norden Sachsen-Anhalts, das seit 2012 von den jungen Altmärkern und Freunden organisiert und umgesetzt wird. Doch der Weg zum eigenen Festival war für die Freunde kein einfacher.

„Das erste Mal im Jahr 2012 war eigentlich eine gemeinsame Geburtstagsparty“, erinnert sich Tobias Otto Arndt. „Wir wollten nur unsere Freunde einladen – etwas mehr als 100 kamen“, sagt Felix Loth. Doch wohin mit so vielen Gästen? Die Wahl fiel auf die großmütterliche Wiese der Brüder Tillmann und Felix Loth, etwa zehn Kilometer von der Kreisstadt Salzwedel entfernt. Kurzerhand wurde auf dem Gelände ein Pkw-Anhänger als kleine Bühne für den DJ mit Lichttechnik präpariert. Noch ein Netz als Liegewiese und ein kleines Wohnzimmer mit Sesseln, Sofa, TV und Stehlampe aufgebaut – fertig war das Ambiente. „Den Strom haben wir damals noch vom benachbarten Melkstand mit einem 300 Meter langen Verlängerungskabel bekommen“, erinnert sich Tobias Otto Arndt. Als kleines Gimmick bekamen die Freunde Festivalbändchen. Die Idee eines eigenen Festivals war geboren.

Die Sägen und Hämmer in der Tischlerei Loth verstummen. Der Parkplatz vor dem Haus füllt sich. Ein junger Mann zieht eine Pumpe über den Hof hinter sich her, ein anderer hat Ordner unter seinen Arm geklemmt. Der junge Tross versammelt sich um eine Tischtennisplatte, „Mexikaner“, scharfer Tomatenschnaps, steht auf der Platte. Weitere Absprachen für das kommende Forest Jump im August 2018 stehen an diesem Sonntag an, Material wird zusammengetragen. Man trifft sich regelmäßig auf dem Gelände der beschaulichen Tischlerei.

2015 haben die Festival-Macher einen Forest-Jump-Verein gegründet. Mittlerweile zählen 23 Mitglieder dazu. Zum einen wuchs das Festival stetig, zum anderen wollte niemand privat haften. Doch so einfach war das nicht. „Das Amtsgericht Stendal hat uns eine Abfuhr erteilt“, grummelt Tobias Otto Arndt. Ein Konzept musste her. „Das haben wir im Australien-Urlaub erarbeitet“, sagt Tobias Otto Arndt grinsend. Das Stendaler Amtsgericht akzeptierte den zweiten Anlauf.

Was die Westaltmärker nicht bedachten, waren die zuständigen Ämter in Salzwedel. „Wir hatten 2013 noch nichts angemeldet“, erinnert sich Tobias Otto Arndt. Einlass wurde gegen Spende gewährt. Polizeipräsenz an den Zufahrtswegen und genervte Gäste bei der Abreise waren die Folgen. Es kam noch schlimmer. Hinterher flatterte den Festival-Machern eine Strafe der Kreisstadt samt fünfstelliger Strafandrohung aus dem Forstamt ins Haus. Kirsten Schwerin, für die Öffentlichkeitsarbeit und Wirtschaftsförderung der Stadt Salzwedel zuständig, weiß um die vielen Auflagen. Die reichen von der Versicherung über Glasverbot auf dem Partygelände, sanitäre Anlagen, Rettungswege, Lautstärke bei Nacht bis zur Security. In mehreren Gesprächen konnten sich die Mittzwanziger mit den Ämtern gütlich einigen. Schließlich trage das Festival zur Bereicherung des kulturellen Lebens der Stadt und Region bei, heißt es aus dem Rathaus.

In den folgenden Jahren drückten die Freunde ihrem Festival einen charmanten Stempel auf, etablierten den Namen „Zauberwald“ für das Gelände. Unter einem hölzernen Bogen geht es auf das Festival-Gelände. Hunderte Lichter in diversen Farben setzen das kleine Waldstück auf der Wiese in Szene, ein riesiger Schmetterling schwebt über den Gästen, Kunstelemente aus Fotografie und Handwerk zieren die Flora. Die Musik beim Forest Jump bietet den Gästen ein ebenso breites Portfolio wie die Dekoelemente. Von elektronischer Musik über Indie und hartem Rock bis Hip Hop ist alles dabei. Neben Größen der Hip-Hop-Szene wie „Audio88 & Yassin“ bieten die jungen Veranstalter aber auch ihren Freunden und lokalen Musikern eine Bühne. So stehen DJs und Bands aus der Altmark oder auch Teilnehmer vom Bandcontest Local Heroes auf der Bühne.

Aber auch abseits der Tanzfläche kann sich bewegt werden. Mit dem örtlichen Skateverein wurden Rampen gebaut, ein „Waldlaufrad“ steht daneben, ein Trampolin davor und die Kickerfreunde aus Salzwedel laden dahinter zum Spiel an den Profitisch. Kinder können vom Baumhaus rutschen oder in einem Einkaufswagen schaukeln. Hinterher können auf einer riesigen Netzliegewiese entspannt Pommes aus Eigenanbau gegessen werden. Das ganze Gelände wirkt etwas wie das faszinierende Wunderland von Alice.

„Im vergangenen Jahr haben wir das Festival erstmals auf zwei Tage ausgeweitet“, sagt Christian Kurschel glücklich. 2017 hat er eine Sofaschaukel für mehrere Personen gebaut. Mit den zwei Tagen und rund 1000 Gästen wurden die Auflagen der Stadt erhöht und die Infrastruktur musste abermals angepasst werden. Gerade beim Thema Hygiene und Trinkwasserversorgung, schließlich sollten nun auch Duschen her. Das lief vorher nicht so rund. „Wir hatten mal einen mit 800 Liter Urin gefüllten Behälter“, erinnert sich Tobias Otto Arndt. Der Urin schwappte bei der Entsorgung während der Fahrt raus. Vom Fahrer erfuhr er hinterher, dass der neue und verzinkte Anhänger am Folgetag Rost ansetzte. Eine neue Lösung musste her – die Aufgabe für Tobias Otto Arndt und seinen Großvater, einen Pumpenbauingenieur. Ein alter Milchtank von der benachbarten Agrargenossenschaft diente als Tank. Großvater und Enkel rechneten und zeichneten – verlegten Rohre und installierten Pumpen. Damit stand die Wasserversorgung samt warmer Duschen. Weitere Bio-Toiletten wurden gebaut. Eine Lkw-Plane dient als Sichtschutz im urigen Sanitärbereich.

Die Vereinsmitglieder tagen noch immer auf dem Hof der Tischlerei in Pretzier. „Es wird dieses Jahr etwas Interaktives mit Licht geben“, verrät Felix Loth. Was genau, will er noch nicht sagen: „Wir wollen die Gäste wie jedes Jahr mit etwas Neuem überraschen.“ Dafür stehen einige Bands wie „Neonschwarz“, „Zugezogen Maskulin“ oder „Dyse“ bereits fest.

Die jungen Festival-Veranstalter laden nur Bands ein, auf die sie auch selbst Lust haben. So auch 2018, wenn der Zauberwald wieder sein Holztor öffnet. „Wir haben uns mit dem Festival einen Traum erfüllt“, sagt Felix Loth glücklich.