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  7. Streit um Subventionen: Bauern drohen mit radikalem Protest - Vorbild Frankreich

Entscheidung zu Agrardiesel in Berlin Bauern drohen mit Eskalation - entgleiten dem Bauernverband die Proteste?

Im Kampf um günstigeren Agrardiesel droht ein Teil der Landwirte mit verschärften Protesten nach französischem Vorbild. Die Verbände in Sachsen-Anhalt rufen zu Besonnenheit auf.

Von Alexander Walter und Antonius Wollmann Aktualisiert: 01.02.2024, 11:22
Bauern bei einer Blockade im Jerichower Land: Die Landwirte fordern die Rücknahme der Kürzungspläne beim Agrardiesel.
Bauern bei einer Blockade im Jerichower Land: Die Landwirte fordern die Rücknahme der Kürzungspläne beim Agrardiesel. Foto: Marco Papritz

Magdeburg - Zwei Tage vor der Verabschiedung des Bundesetats 2024 und damit des stufenweisen Abbaus der Agrardiesel-Subventionen für die Bauern schließen führende Vertreter der Landwirtschaftsverbände in Sachsen-Anhalt nicht aus, dass einzelne Bauern zu radikaleren Protestformen greifen, wenn der Bundestag die Abschaffung der Steuervorteile tatsächlich beschließt.

 
Bauernproteste eskalieren in Magdeburg. (Kamera: Thomas Schulz, Schnitt: Bernd Stiasny)

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Einige Bauern wollen radikaleren Protest

Als Vorbild werden die französischen Bauern genannt, die in den vergangenen Tagen unter anderem Regierungsgebäude mit Gülle besprüht und Autobahnen mit brennenden Heuballen sowie Mist blockiert hatten. „Es gibt viele Bauern, die eine ähnliche Eskalationsstufe bei uns sehen wollen“, sagte Landesbauernverbandschef Olaf Feuerborn, am Mittwoch der Volksstimme.

 
Bauernprotest am Mittwoch (31.01) in Sachsen-Anhalt: Landwirte protestieren auf der A 14 bei Calbe. (Kamera: Thomas Schulz, Schnitt: Bernd Stiasny)

Dass die Bundesregierung beim Agrardiesel hart bleibt, führe zu viel Frustration. Er distanziere sich aber von radikalen Maßnahmen. „Wir werden niemals dazu aufrufen, diesen Weg zu gehen“, sagte Feuerborn, der auch agrarpolitischer Sprecher der CDU im Landtag ist.

Politische Reaktionen und Strategien

Die Akzeptanz in der Bevölkerung sei bislang groß. „Das wollen wir nicht aufs Spiel setzen“, ergänzte er. Tatsächlich hatten in einer Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen zuletzt 68 Prozent der Bürger Verständnis für die Proteste geäußert.

Martin Dippe, Präsident des Landes-Bauernbundes, nimmt ebenfalls eine höhere Bereitschaft für spektakulärere Aktionen wahr. Französische Verhältnisse „halte ich aber für nicht zielführend“, sagte auch er.

SPD-Länder planen für Freitag Bundesratsinitiative

Drei SPD-regierte Bundesländer wollen unterdessen den Abbau der Steuervorteile in letzter Minute noch hinauszögern.

Die Abgeordneten auch der Ampel müssen Stellung beziehen: Wollen sie den Bauern helfen oder nicht.

Sven Schulze (CDU), Landwirtschaftsminister von Sachsen-Anhalt

Laut Landwirtschaftsministerium in Schwerin planen Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und das Saarland morgen im Bundesrat dazu, einen Entschließungsantrag zu stellen.

Der Abbau der Vergünstigungen soll dabei „so lange nach hinten verschoben werden, bis technische und wirtschaftliche Alternativen zu Diesel vorhanden sind“, hieß es. Bislang sind die Kürzungen in Schritten bis 2026 geplant. Der Steueranteil auf Agrar-Diesel soll dabei von 25,5 Cent auf 47 Cent steigen – das wären fast 85 Prozent mehr.

Das Gesetz zum Wegfall der Subventionen bedarf zwar nicht der Zustimmung des Bundesrats. Die Kammer könnte bei einer erfolgreichen Länderinitiative aber noch morgen Einspruch einlegen und den Vermittlungsausschuss anrufen.

CDU-Landwirtschaftsminister Schulze: Vorstoß ist „Ablenkungsmanöver“

Sachsen-Anhalt wird sich nicht am Vorstoß beteiligen. Landwirtschaftsminister Sven Schulze (CDU) sprach gestern gegenüber der Volksstimme von einem „Ablenkungsmanöver“. „Es geht im Papier ja nicht darum, die Kürzungen zurückzunehmen, sondern nur darum, diese zeitlich zu strecken“, sagte Schulze.

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Für den Fall, dass der Bundesrat Einspruch einlege, lande der Antrag zudem im Ausschuss und bleibe erstmals dort, ohne, dass sich etwas bewege. „Mich wundert zudem schon, dass der Kanzler in eine Richtung marschiert und exponierte Politiker seiner Partei wie Manuela Schwesig oder Stephan Weil in die andere“, ergänzte Schulze.

Der CDU-Politiker sieht den Ball jetzt im Feld von Bundestag und Regierung. „Die Abgeordneten auch der Ampel müssen Stellung beziehen: Wollen sie den Bauern helfen oder nicht“ , sagte Schulze.

Auch SPD-Bundestagspolitikerin Kersten hätte sich zeitliche Streckung gewünscht

Marcus Faber, Mitglied der FDP-Bundestagsfraktion, verteidigte die Kürzungen. Man habe eine praktikable und faire Lösung erzielt. Auf eine Streichung der Kfz-Steuerbefreiung habe man verzichtet und die Unterstützung des Agrardiesel laufe nicht abrupt aus.

Franziska Kersten, SPD-Landwirtschaftspolitikerin im Bundestag, verwies darauf, dass der Etat des Bundeslandwirtschaftsministerium im Vergleich zu den ursprünglichen Planungen um 100,6 Millionen Euro angehoben werde.

Beim Agrardiesel hätte auch sie sich aber eine deutliche Streckung der Kürzungen gewünscht, bis praxistaugliche und wirtschaftlich tragbare Alternativen entwickelt sind. „Deshalb müssen bis zum kommenden Jahr andere steuerliche Entlastungen erarbeitet werden“, sagte Kersten.

Autobahnblockaden in ganz Sachsen-Anhalt

Bundesweit haben Landwirte am Mittwoch bei Protesten gegen Kürzungspläne der Politik Autobahnauffahrten blockiert. Hunderte beteiligten sich auch in Sachsen-Anhalt daran.

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Laut Bauernverband waren 73 Sperren an Auffahrten im Land angemeldet. Allein im Raum Magdeburg registrierte die Polizei rund 320 Personen und rund 230 Traktoren. Staus gab es demnach kaum.

Mit Video: Blockade-Verbot - Sachsen-Anhalt verbietet unangemeldete Bauernproteste

Allerdings wurden einzelne unangemeldete Blockaden geräumt, so bei Dahlenwarsleben (Börde). Bei Calbe Saale kam es zu einer Auseinandersetzung zwischen einem Pkw-Fahrer und einem Traktor-Fahrer.

Das Landesverwaltungsamt Halle hatte am Dienstag ein 14-tägiges Verbot für unangemeldete Sperren verhängt.