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Polizeieinsatz Tote bei Anschlag vor Synagoge in Halle

In Halle hat es eine Schießerei gegeben. Zwei Menschen wurden getötet. Es ist eine rechtsextremistische Tat. Ein 27-Jähriger wurde gefasst.

09.10.2019, 12:10

Halle/Saale (vs/dpa) Bei Angriffen mitten in Halle/Saale sind vor einer Synagoge und in einem Döner-Imbiss zwei Menschen erschossen worden. Die jüdische Gemeinde entging unmittelbar vorher womöglich einer Katastrophe. Ein Täter mit Stahlhelm und Stiefeln versuchte Mittwochmittag die Synagoge mit Waffengewalt zu stürmen, scheiterte jedoch. In dem Gotteshaus feierten zu dem Zeitpunkt 70 bis 80 Menschen den höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur. Bei dem Täter handelt es sich um den 27-jährigen Neonazi Stephan B. aus Mansfeld-Südharz in Sachsen-Anhalt.

Update (10. Oktober): Der Angriff in Halle wirft viele Fragen auf.

 

Halle im Ausnahmezustand. So erlebten Augenzeugen den Angriff.

Die bewaffneten Angriffe in Halle haben nach Angaben von Bundesinnenminister Horst Seehofer sehr wahrscheinlich ein rechtsextremistisches Motiv. "Nach Einschätzung des Generalbundesanwalts gibt es ausreichend Anhaltspunkte für einen möglichen rechtsextremistischen Hintergrund", teilte der CSU-Politiker am Mittwochabend in Berlin mit.

Die Polizei hat am Abend ihre Warnung vor einer akuten Gefährdungslage für die Bevölkerung aufgehoben. "Sie können wieder auf die Straße, die Warnungen sind aufgehoben", twitterte die Polizei am Mittwochabend. Die Gefährdungslage werde nicht mehr als akut eingestuft.

Bei dem Angriff auf die Synagoge legte der Täter auch selbstgebastelte Sprengsätze vor dem Gotteshaus ab. Es seien dabei mehrere Schüsse gefallen. Ein weibliches Opfer ist vor der Synagoge von den tödlichen Schüssen getroffen worden, erfuhr die dpa weiter. Sie war offenbar ein Zufallsopfer. Außerdem habe es einen männlichen Toten im oder an einem Döner-Imbiss gegeben.

Jüdische Gemeinde entgeht Blutbad

Nach Angaben des Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde zu Halle, Max Privorozki, richtete sich der Angriff der Täter direkt gegen die Synagoge. "Wir haben über die Kamera unserer Synagoge gesehen, dass ein schwer bewaffneter Täter mit Stahlhelm und Gewehr versucht hat, unsere Türen aufzuschießen", sagte Privorozki der "Stuttgarter Zeitung" und den "Stuttgarter Nachrichten". "Aber unsere Türen haben gehalten." Der oder die Täter hätten außerdem versucht, das Tor des danebenliegenden jüdischen Friedhofs aufzuschießen, sagte der Vorsitzende.

 

Die Stadt Halle sprach am frühen Nachmittag von einer "Amoklage". Die Menschen in Halle sollten nach der Tat im gesamten Stadtgebiet in Sicherheit in Gebäuden bleiben. Das sagte ein Stadtsprecher am Nachmittag. Die Stadt Halle warnte die Hallenser zudem per Warn-App über die Vorfälle im Paulusviertel. Eltern sollten ihre Kinder nicht aus den Kitas abholen.

Die Polizei hatte zuvor mitgeteilt, mehrere bewaffnete Täter seien mit einem Auto auf der Flucht. Fotos und Videos, die von Medien veröffentlicht wurden, zeigten aber nur einen maskierten Schützen. Auch Augenzeugen sprachen nur von einem Täter. Am frühen Nachmittag meldete die Polizei die Festnahme einer Person. Aus Sicherheitskreisen hieß es am Abend, es deute nun doch alles auf einen Einzeltäter hin. Es handelt sich um den 27-jährigen Neonazi Stephan B. aus Mansfeld-Südharz in Sachsen-Anhalt.


Der Generalbundesanwalt zog die Ermittlungen an sich – wegen Mordes von besonderer Bedeutung. Ob es sich um eine antisemitische Tat handelt, sei noch unklar, sagte ein Sprecher in Karlsruhe.

Bei dem Angriff auf die Synagoge legte der Täter auch selbstgebastelte Sprengsätze vor dem Gotteshaus ab. Es seien dabei mehrere Schüsse gefallen. Ein weibliches Opfer sei vor der Synagoge von den tödlichen Schüssen getroffen worden, erfuhr die dpa weiter. Ob sie ein Zufallsopfer sei, sei unklar. Außerdem habe es einen männlichen Toten im oder an einem Döner-Imbiss gegeben.

Nach Angaben des Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde zu Halle, Max Privorozki, richtete sich der Angriff der Täter direkt gegen die Synagoge. "Wir haben über die Kamera unserer Synagoge gesehen, dass ein schwer bewaffneter Täter mit Stahlhelm und Gewehr versucht hat, unsere Türen aufzuschießen", sagte Privorozki der "Stuttgarter Zeitung" und den "Stuttgarter Nachrichten". "Aber unsere Türen haben gehalten." Der Täter hätte außerdem versucht, das Tor des danebenliegenden jüdischen Friedhofs aufzuschießen, sagte der Vorsitzende.

Anna T. vom Verein Maccabi war mit anderen Gemeindemitgliedern bis nach 16 Uhr in der Synagoge in Halle. "Die Polizei ist hier, wir werden beschützt", sagte sie am Nachmittag gegenüber der Volksstimme.

Später konnten die Besucher die Synagoge verlassen. Sie wurden per Bus weggebracht.

Levi Salomon vom Jüdischen Forum für Demokratie und gegen Antisemitsmus bestätigte der dpa nach einem Telefonat mit Privorotzki, der maskierte Täter habe gegen die Tür geschossen, dabei aber nicht in die Synagoge eindringen können. Rund 20 Menschen seien am Nachmittag noch in der Synagoge verschanzt gewesen, darunter auch mehrere Gäste aus den USA. Laut Salomon wurden auch Flaschen mit Flüssigkeit geworfen. Eine habe die Sukka (Laubhütte), eine andere den Jüdischen Friedhof in unmittelbarer Nähe und eine den Hof der Synagoge getroffen. Nur die Flasche gegen den Friedhof habe sich entzündet.

Etwa 30 Meter vor der Synagoge lag ein Todesopfer auf einer Straße mit einer blauen Decke bedeckt gegenüber der Synagoge, wie ein dpa-Reporter berichtete. Zudem soll nach Augenzeugenberichten ein Täter in einem Kampfanzug mit einem Gewehr in einen Döner-Laden geschossen und einen Besucher getötet haben.

Ein Augenzeuge berichtete gegenüber dem Fernsehsender ntv, dass er gerade einen Döner in einem Imbiss unweit der Synagoge kaufen wollte, als er von innen durchs Schaufenster einen militant gekleideten Mann mit Helm und Maske sah. Der Mann hatte demnach ein Sturmgewehr und etwas dabei, das wie eine Handgranate aussah. Die anderen Kunden seien weggelaufen, dann habe es einen Schuss gegeben. Der Mann neben dem Zeugen sackte zusammen - das ist der zweite Tote, von dem die Behörden sprechen.  Der Zeuge flüchtete auf die Toilette, wie er ntv erklärte. Dort schrieb er seiner Familie, dass er sie liebe. Später holte ihn die Polizei aus der Toilette.

Es hätte im Döner-Imbiss noch mehr Tote gegeben. Doch dem Täter versagte die Waffe.

Für die beiden Verletzten, die nach den Schüssen in Halle im Universitätsklinikum operiert worden sind, besteht derzeit keine akute Lebensgefahr. Das teilte Sprecher Jens Müller am Mittwochabend mit. Die Frau und der Mann hatten den Angaben nach schwerste Schussverletzungen. Die Operationen seien erfolgreich verlaufen. Nähere Angaben zur Identität und Nationalität der Patienten machte das Universitätsklinikum nicht.

Auch in Landsberg, rund 15 Kilometer östlich von Halle, gab es Schüsse, bestätigte eine Polizeisprecherin in Halle. Menschen sollen auch hier Gebäude und Wohnungen nicht verlassen, hieß es. Die Zufahrt zu dem Ortsteil Wiedersdorf war abgesperrt. Mehrere Mannschaftswagen der Polizei, darunter auch Fahrzeuge aus Sachsen, waren vor Ort. Auch zwei Krankenwagen waren zu sehen. Am Mittwochnachmittag gegen 16 Uhr landete auf einem Feld bei Wiedersdorf nach Angaben eines dpa-Reporters zudem ein Hubschrauber der Bundespolizei. Angaben zu den Hintergründen machte die Polizei nicht.

Die Stadt Halle hatte einen Krisenstab einberufen. Alle Rettungskräfte der Feuerwehr waren in Alarmbereitschaft versetzt worden. Die Polizei hatte seit den Mittagsstunden alle verfügbaren Kräfte in Sachsen-Anhalt abgezogen und sie nach Halle verlegt.

Der mutmaßliche Täter der Angriffe in Halle/Saale hatte in den sozialen Netzwerken ein Bekennervideo hochgeladen. In dem am Mittwoch verbreiteten Video ist zu sehen, wie offensichtlich in der Innenstadt von Halle geschossen wird. Unter anderem zeigt das Video, wie in einem Döner-Imbiss auf einen Mann geschossen wird. Es gibt auch Aufnahmen, auf denen zu sehen ist, wie die Frau von hinten erschossen wird. Die Aufnahmen stammen wohl von einer an einem Helm befestigten Kamera.

Außerdem ist zu sehen, wie ein junger Mann in Kampfanzug mit weißem Halstuch in einem Auto sitzt. Der Mann gibt in nicht muttersprachlichem Englisch extrem antisemitische Äußerungen von sich. In dem Video sind auch Szenen am jüdischen Friedhof von Halle zu sehen.

Der gesamte Linienverkehr in Halle/Saale war nach den tödlichen Schüssen am Mittwoch eingestellt worden. Das teilten die Stadtwerke mit. Straßenbahnen und Busse der Halleschen Verkehrs-AG fuhren somit nicht mehr.

Im benachbarten Leipzig hatte die Polizei ihre Kräfte vor der Synagoge verstärkt. Auch in anderen deutschen Städten wurde der Schutz von Synagogen verstärkt.

Der Bahnhof von Halle war wegen polizeilicher Ermittlungen gesperrt. Es kam zu Verspätungen. Die Bundespolizei verstärkte ihre Kontrollen an Bahnhöfen und Flughäfen in Mitteldeutschland. Das gelte auch für die Verkehrswege nach Polen und Tschechien, hieß es.

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff erklärte: „Ich bin entsetzt über diese verabscheuenswürdige Tat. Es wurden durch sie nicht nur Menschen aus unserer Mitte gerissen, sie ist auch ein feiger Anschlag auf das friedliche Zusammenleben in unserem Land. Mein Mitgefühl gilt den Angehörigen der Opfer." Haseloff erreichte die Nachricht von der Tat bei einer Konferenz des Ausschusses der Regionen in Brüssel. Der Ministerpräsident wird die Veranstaltung zum Strukturwandel in den Kohleregionen verlassen und am Abend wieder in Sachsen-Anhalt erwartet.

Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht zeigt sich ebenfalls betroffen. "Es ist schwer in Worte zu fassen, was heute in Halle passiert ist und passiert", erklärte der CDU-Politiker am Nachmittag in Magdeburg. Er sei tief betroffen und erschüttert, wozu Menschen fähig seien, egal, was sie dazu bewegt habe. Stahlknecht sprach den Angehörigen der beiden Opfer sein Mitgefühl aus. Zugleich dankte er den Einsatzkräften für das entschlossene Handeln. Die Nachricht über die Tat erreichte Stahlknecht im Urlaub. Er brach ihn ab und traf am Nachmittag wieder in Magdeburg ein.

Sachsen-Anhalts Linke-Fraktionschef Thomas Lippmann und der Parteivorsitzende Stefan Gebhardt erklärten: „Sollte sich der Verdacht eines antisemitischen Anschlages bestätigen, müssen wir von einer neuen Dimension antisemitischen Terrors ausgehen. Diese entschieden zu verurteilen reicht nicht mehr aus, dieser Radikalisierung in unserer Gesellschaft muss entschiedener Widerstand entgegengesetzt werden.“ Antisemitismus  müsse politisch geächtet und bekämpft werden.

Die Abgeordneten der Landtagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen erklärten: „Wir fühlen mit der Jüdischen Gemeinde, der dieser Anschlag am höchsten jüdischen Feiertag, Yom Kippur, offenbar unter anderem galt. Wir sind solidarisch mit den Betreibern des türkisch-kurdischen Restaurants, dem zweiten Anschlagsziel. Wir stehen zusammen gegen Antisemitismus und Rassismus.“

Halles Oberbürgermeister  Bernd Wiegand teilte am Abend mit: „Unsere Stadt wurde von einem schrecklichen Anschlag erschüttert. Zwei Menschen verloren ihr Leben; zwei weitere werden derzeit im Krankenhaus behandelt. Unser tiefes Mitgefühl gilt den Angehörigen der Opfer.“ Er dankte für die „große Solidarität und Anteilnahme, die die Stadt Halle in diesen schweren Stunden erfährt.“

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ließ über ihren Sprecher mitteilen: „Unsere Solidarität gilt allen Jüdinnen und Juden am Feiertag Yom Kippur, unser Dank den Sicherheitskräften, die noch im Einsatz sind.“


Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) sagte: „Dass am Versöhnungsfest Yom Kippur auf eine Synagoge geschossen wird, trifft uns ins Herz. Wir alle müssen gegen den Antisemitismus in unserem Land vorgehen.“

Im Europaparlament gab es eine Gedenkminute für die Opfer des Anschlags in Halle. "Die Kollegen aus ganz Europa sind über die Bilder und Nachrichten aus Sachsen-Anhalt genauso erschüttert wie ich", twitterte Sven Schulze.

Außenminister Heiko Maas (SPD) hat die Schuss-Attacke in Halle scharf verurteilt. „Dass am Versöhnungsfest #YomKippur auf eine Synagoge geschossen wird, trifft uns ins Herz“, erklärte er am Mittwoch im Kurznachrichtendienst Twitter. Alle im Land müssten gegen Antisemitismus vorgehen, schreib Maas weiter. Seine Gedanken seien bei den Toten und Verletzten, ihren Angehörigen und der Polizei.

Der Grünen-Politiker Cem Özdemir hat sich bestürzt über die tödlichen Schüsse von Halle/Saale geäußert. "Schreckliche Nachrichten aus Halle, heute am jüdischen Versöhnungstag Jom Kippur. Ich bin erschüttert & traurig", twitterte der frühere Grünen-Chef. Allen Verletzten und Angehörigen wünschte er viel Kraft und dankte den Einsatzkräften.

Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch schrieb auf Twitter: "Am höchsten jüdischen Feiertag ein Anschlag auf jüdisches Leben in Deutschland – ekelhaft! Antisemitismus darf in unserer Gesellschaft keinen Millimeter Platz haben.

AfD-Fraktionschefin Alice Weidel twitterte: "Meine Gedanken sind bei den Opfern und ihren Familien. Ich hoffe, die Polizei fasst den oder die Täter schnell, ohne dass weitere Menschen zu Schaden Alice Weidel twitterte:kommen."

Die Grünen-Bundestagsfraktion beantragte eine Sondersitzung des Bundestag-Geheimdienstgremiums zu Halle.

Österreichs Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat sich ebenso schockiert zu den Schüssen in Halle geäußert. Es seien "entsetzliche Nachrichten über zwei Tote und einen Angriff auf eine Synagoge in Halle – heute an #JomKippur", teilte Van der Bellen über den Kurznachrichtendienst Twitter mit. Sein Mitgefühl sei bei den Opfern, ihren Angehörigen und ihren Freundinnen und Freunden. "Wir müssen alles tun, damit Jüdinnen und Juden in Sicherheit leben können", betonte der Bundespräsident.

Die US-Botschaft in Berlin erklärte: „Der Anschlag war ein Angriff gegen uns alle, und die Täter müssen dafür zur Verantwortung gezogen werden.“

Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, hat nach dem Angriff auf eine Synagoge in Halle/Saale schwere Vorwürfe gegen die Polizei erhoben. "Dass die Synagoge in Halle an einem Feiertag wie Jom Kippur nicht durch die Polizei geschützt war, ist skandalös", teilte Schuster am Mittwochabend mit. "Diese Fahrlässigkeit hat sich jetzt bitter gerächt."

Schuster erklärte weiter: "Die Brutalität des Angriffs übersteigt alles bisher Dagewesene der vergangenen Jahre und ist für alle Juden in Deutschland ein tiefer Schock."