1. Startseite
  2. >
  3. Deutschland & Welt
  4. >
  5. Wirtschaft
  6. >
  7. Justizministerium will kriminellen Unternehmen an den Kragen

Drastisch höhere Strafen Justizministerium will kriminellen Unternehmen an den Kragen

Wenn Mitarbeiter etwas Verbotenes tun, profitiert davon oft das Unternehmen. Deshalb sollen sie auch stärker zur Verantwortung gezogen werden, meint Justizministerin Lambrecht. Doch ihre Pläne finden längst nicht nur Beifall.

22.08.2019, 17:09

Berlin (dpa) - Unternehmen müssen bei Verstößen mit deutlich höheren Strafen rechnen. Das schlägt Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) vor.

"Das soll also ein Anreiz sein, sich rechtstreu zu verhalten", sagte Lambrecht am Donnerstag in Berlin. "Weil man weiß: Das, was in Zukunft auf einen zukommt, ist nicht aus der Portokasse zu bezahlen, sondern soll abschrecken."

Ihren Gesetzentwurf zur Bekämpfung der Unternehmenskriminalität will sie demnächst an die anderen Ministerien weiterleiten. Das Vorhaben ist bereits im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD vereinbart worden. Der Bundestag muss ihm zustimmen.

Bisher zahlen Unternehmen für Vergehen wie Betrug höchstens Sanktionen von 10 Millionen Euro - unabhängig von der Größe. Für Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mehr als 100 Millionen Euro könnten den Plänen zufolge künftig bis zu zehn Prozent des Jahresumsatzes fällig werden.

"Bei großen Konzernen reden wir hier über mögliche Sanktionen bis hin zu zweistelligen Milliardenbeträgen", sagte Lambrecht der "Süddeutschen Zeitung" (Donnerstag). Hinzu kommt wie bisher schon die Gewinnabschöpfung, also der Einzug illegal erzielter Profite.

"Der Ehrliche darf nicht der Dumme sein", sagte Lambrecht. Das neue Gesetz könnte zum Beispiel Unternehmen treffen, die Gammelfleisch liefern oder Bestechungen zahlen, um Aufträge an Land zu ziehen. Wenn Mitarbeiter gegen Gesetze verstießen, dann täten sie dies oft zum Nutzen ihrer Firma - deshalb sollte diese als Profiteur auch zur Verantwortung gezogen werden. Betroffene können entschädigt werden. Neu ist, dass die Staatsanwaltschaft einem Verdacht nachgehen muss. Bisher ist das eine Ermessensfrage.

Das Ministerium schlägt außerdem Regeln für interne Untersuchungen vor, mit denen Unternehmen selbst Fehlverhalten in den eigenen Reihen aufklären - häufig mit Hilfe von Anwaltskanzleien oder Wirtschaftsprüfern. Gut geführte Untersuchungen sollen bei späteren Sanktionen strafmildernd wirken können, falls bestimmte Standards eingehalten werden. Dazu müssen etwa Mitarbeiter auf ihr Recht zu schweigen hingewiesen werden und darauf, dass Auskünfte in einem Strafverfahren gegen sie verwendet werden könnten.

Beifall kam von SPD und Linken. Die Pläne sorgten für fairen Wettbewerb, sagte Lambrechts Parteikollegin, SPD-Fraktionsvize Eva Högl. Niema Movassat, Obmann der Linken im Rechtsausschuss, zeigte sich erfreut: "Bislang sind es stets einzelne Personen, die verfolgt werden. Doch die Unternehmen als solche kommen davon. Das trifft nicht den Kern des kriminellen Unrechts." Allerdings brauche es dazu dringend mehr Personal bei den Staatsanwaltschaften.

Jan-Marco Luczak (CDU), der stellvertretende rechtspolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, begrüßte Teile der Pläne, meldete aber auch Bedenken an, etwa zu einem geplanten Register für Sanktionen. "Für mich ist dabei klar, dass beim neuen Gesetz nicht die Bestrafung im Mittelpunkt stehen darf. Besser ist, Anreize für Unternehmen zu setzen, dass diese sich zukünftig gesetzestreu verhalten." Der stellvertretende CSU-Landesgruppenvorsitzende Hans Michelbach sprach von einem "Generalangriff auf die Unternehmen", der zu Verlagerungen führen könne.

Auch der stellvertretende FDP-Fraktionschef Stephan Thomae warnte vor der Verlagerung von Unternehmen ins Ausland. Anstatt einzelne Schuldige zu ermitteln, drohten künftig alle Mitarbeiter sowie die Inhaber von Unternehmen in Mitleidenschaft gezogen zu werden. "Mit ihrem Gesetzentwurf schadet die Ministerin daher der deutschen Wirtschaft mehr, als dass sie ihr hilft." Der Verband "Die Familienunternehmer" warnte im "Handelsblatt" vor dem Verlust von Arbeitsplätzen.