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Ausgehen Austellung in Genthin zeigt frühe Rundfunkjahre

Aus Anlass einer Sonderschau: Die Volksstimme sucht die ältesten noch funktionierenden Radiogeräte im Landkreis.

Von Mike Fleske 07.03.2024, 13:47

Genthin. - Als am 29. Oktober 1923 die regelmäßige Ausstrahlung begann, bekamen es die meisten Menschen in Deutschland gar nicht mit. Die Zahl der Hörer war überschaubar. Überhaupt war Radiohören technisch eine ziemlich abenteuerliche Sache.

„Knopf drehen und der Ton kommt - das ging nicht“, erläutert Dr. Peter Walther, Kurator der Ausstellung „Der Traum vom Fernhören. Literatur im Rundfunk der Weimarer Republik“, die derzeit im Kreismuseum Jerichower Land in Genthin zu sehen ist.

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„Entweder Sie hatten ein Rundfunkgerät, das aus mehreren Komponenten, Empfänger, Trichterlautsprecher, Verstärker und Batterie, bestand, oder sie hatten ein Detektor-Gerät, bei dem mit einer Nadel in einem Kristall gestochert werden musste, bis über einen Kopfhörer ein Sender empfangen wurde.“

Überschaubare Hörerzahl

Außerdem begann die Ära des Rundfunks in Deutschland in einer Zeit der Hyperinflation. Wer Radio hören wollte, musste damals sein Gerät bei der Post anmelden und zahlte dafür 350 Milliarden Mark. Ein Sack Kartoffeln kostete damals 90 Milliarden Mark.

Wie sich der Rundfunk in den 1920er Jahren entwickelte, ist in der Ausstellung anhand von zahlreichen Schautafeln und historischen Exponaten, von Rundfunkgeräten bis Gebrauchsanleitungen und Programmzeitschriften, nachzuvollziehen.

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Außerdem gibt es an mehreren Stationen originale Tondokumente der frühen Rundfunkjahre. Diese reichen von einer Silvesteransprache von 1899/1900 bis zu NS-Propagandaminister Joseph Goebbels. Auch die Stimme des Genthiner Schriftstellers Edlef Köppen. ist zu hören.

Neben bekannten Radionamen dieser Zeit, wie Hans Bredow (Begründer des deutschen Rundfunkwesens), Alfred Braun (bekanntester Radioreporter der Weimarer Republik), Hans Flesch (der 1924 mit „Zauberei auf dem Sender“ das erste deutschsprachige Hörspiel umsetzte), gehört auch Edlef Köppen in die Reihe der Pioniere.

Edlef Köppen brachte Literatur ins Radio

Köppen habe als Schriftsteller gute Kontakte zu Kollegen gehabt und in der Berliner-Funk-Stunde als einer der ersten Literatur präsentiert. So kamen Schriftsteller wie Alfred Döblin, Gottfried Benn oder Bertolt Brecht ans Mikrofon. Allerdings waren nicht alle Kulturschaffende gleichermaßen von den neuen Möglichkeiten angetan. Rundfunk habe damals als eine Art Jahrmarktsattraktion gegolten.

Von Literaturnobelpreisträger Thomas Mann sei, so Peter Walther, der Ausspruch überliefert: „Ich habe nicht gern die Öffentlichkeit in meinem Zimmer“. Der Schriftsteller Arnold Zweig, der mit einer Erblindung zu kämpfen hatte, stand dem Rundfunk aufgeschlossener gegenüber.

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Andere Schriftsteller führten Musterprozesse, damit ihre Werke nicht ohne Honorierung im Rundfunk aufgeführt wurden. Auch hier habe Edlef Köppen vermitteln können, da ihm beide Sichtweisen, die des Literaten und die des Radiomachers, vertraut waren.

Der Rundfunk entwickelte sich schnell, und neben rund 80 Rundfunkzeitschriften erblühte die Bastler- und Funkerszene.

Geräte stören Radioempfang

Ein Thema bei frühen Radioenthusiasten: Störung und Entstörung. „Es gab damals Aufrufe, elektrische Geräte abends nicht zu nutzen, damit ein Rundfunkempfang möglich würde. Denn die Leistung der Sender war nicht so stark, wie wir es heute kennen.

Als Hörer sollte man sein Gerät angemeldet haben und die zwei Mark Monatsgebühr bezahlen, denn: Wer als Schwarzhörer erwischt wurde, bekam eine Strafe und sein Name wurde im Rundfunk verlesen.“

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Spätestens Ende der 1920er Jahre war Radiohören bei einem Großteil der Bevölkerung en vogue. Doch der Pioniergeist der 20er Jahre, in dem sich eigene Rundfunkgattungen und Sendereihen entwickelten, verschwand schnell. Peter Walther berichtet, dass sich der Rundfunk schon bald in einem politischen Spannungsfeld befand, mit Angriffen vor allem von rechtskonservativen Kreisen.

Besonders deutlich wurde dies bei der Sendung „Wir standen vor Verdun“, die 1931 von Edlef Köppen verantwortet wurde und in der der einstige Weltkriegssoldat die Schrecken des Krieges beschrieb. Das wollte nicht jeder hören: Köppen wurde in der konservativen Presse angegriffen.

Austellung bis Ende April in Genthin

Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten wurde der Rundfunk zum Propagandainstrument umgebaut. Die Pioniere wurden entlassen oder dienten sich den neuen Machthabern an. Edlef Köppen starb 1939 an den Folgen seiner Verletzungen aus dem Ersten Weltkrieg.

Ihm sind in der Ausstellung mehrere Tafeln gewidmet, die der Edlef-Köppen-Freundeskreis erarbeitet hat. Die Ausstellung ist bis 28. April im Kreismuseum (Di. Mi. Do. 10 – 16 Uhr, Fr. 10 – 12 Uhr, So. 14 – 17 Uhr) zu sehen.

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Wir möchten die Sonderausstellung mit einer kleinen Aktion begleiten und fragen: „Wer hat das älteste funktionierende Radiogerät im Jerichower Land? In welcher Garage, in welchem Hobbyraum oder Wintergarten steht ein jahrzehntealtes Gerät, dass noch immer seinen Dienst tut? Wir bitten Sie um Fotos und Geschichten, die Sie unter der E-Mail-Adresse Redaktion.Genthin@Volksstimme.de einsenden können.