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Ausgrabungen Knochenfund in der Halberstädter Schützenstraße

Bei Schachtarbeiten zur Verlegung einer Erdgasleitung in Halberstadt sind menschliche Überreste ans Tageslicht befördert worden.

Von Sabine Scholz 08.08.2015, 14:39

Halberstadt l Skelettfund in der Grünanlage an der Schützenstraße in Halberstadt. Menschliche Oberschenkel- und Armknochen, Rippen und Schädelteile liegen beziehungsweise stecken im Erdaushub - teilweise in kleine Stücke zerbrochen. Sie sind bei Arbeiten zur Verlegung einer Erdgasleitung zu Tage befördert worden, die im Auftrag der Halberstadtwerke erfolgen. Handelt es sich um Spuren eines Verbrechens? Oder ist ein archäologischer Schatz ans Tageslicht befördert worden? Fakt ist: die Knochen erregen bei Passanten Aufsehen, die Bauleute kümmern sich scheinbar nicht darum.

Armin Schulze, Direktor des Städtischen Museums Halberstadt, liefert am gestrigen Freitag auf Volksstimme-Anfrage eine erste Spur. „In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts hat sich an der heutigen Schützenstraße ein Friedhof befunden. Es war der Martini- und Paulskirchen-Friedhof.“ Im Stadtplan von 1784 sind Anfänge der Bestattungsanlage (siehe Plan rechts) verzeichnet. Sie begann am Breiten Tor und nahm später fast den gesamten Stadtgraben an der Schützenstraße, Ausdehnung in nördliche Richtung, ein, informiert der Museumsdirektor. Archäologische Schätze gehen durch die Baggerarbeiten und die damit verbundene Zerstörung der Gräber nicht verloren, gibt Armin Schulz Entwarnung.

Das Gedächtnis Halberstadts, Stadtchronist Werner Hartmann, weiß noch mehr zum Fundort der Skelettüberreste. „Der Friedhof bestand von 1775 bis 1872 und befand sich im Eigentum der evangelischen Martini-Gemeinde.“ 1905 habe die Stadt Halberstadt den Friedhof erworben. Während des Bombenangriffs am 8. April 1945 sei der Friedhof zerstört und danach das Areal zur Grünanlage umgestaltet worden. „Auf dem Friedhof hat auch Bürgermeister Benjamin Lieberkühn 1789 seine letzte Ruhe gefunden“, berichtet Werner Hartmann. Lieberkühn habe sich während des Siebenjährigen Krieges (1756 bis 1763) um Halberstadt verdient gemacht. Er rettete die Stadt vor der Zerstörung durch den österreichischen Generalfeldmarschall Ried. Heute trägt in Halberstadt eine Straße Lieberkühns Namen.

Soweit zur Geschichte des Areals. Doch wie geht man jetzt mit den Gebeinen um? Die Halberstadtwerke, von der Volksstimme auf die Knochenfunde aufmerksam gemacht, kontaktieren die Untere Denkmalbehörde. Zur Baugenehmigung gehört auch die Stellungnahme der Archäologen, die vom alten Friedhof wissen, hier aber nichts Wertvolles vermuten. Doch bei ungewöhnlichen Funden ist das Denkmalamt zu informieren. Dort ist am Freitag jedoch niemand, der für Halberstadt zuständig ist. Einzig ein Kollege für den Quedlinburger Raum sagt auf Volksstimme-Frage der Pressesprecherin des Kreises, Ingelore Kamann, dass man in der Nachbarstadt in solchen Fällen die Kirchengemeinden kontaktiert, die dann die Gebeine bestatten.

In Halberstadt gehörte der einst kirchliche Friedhof ab 1905 der Stadt. Die jedoch hält sich erstmal nicht für zuständig, wie eine Nachfrage ergab. Es gibt den Verweis auf die Untere Denkmalschutzbehörde beim Landkreis...

„Wir lassen in der Schützenstraße neue Gasleitungen so dicht wie möglich an den bereits dort liegenden Gasrohren verlegen“, informierte Halberstadtwerke-Sprecher Frank Neumann. Die alten Leitungen waren vor gut 25 Jahren verlegt worden. Damals hat es, so scheint es, entweder keine Knochenfunde gegeben, oder es hat niemanden interessiert.

Was aus den Gebeinen wird, ist derzeit völlig offen. „Wir kümmern uns drum, aber das wird erst ab Montag gehen, wenn die Ämter wieder besetzt sind“, sagt Neumann.