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Sozialarbeit Ist es in Magdeburg-Neustadt gefährlich?

Die Stadt Magdeburg nahm Stellung zur Lage in Neue Neustadt und löschte ad hoc einen Passus über den Einsatz von Sozialarbeitern.

Von Franziska Ellrich 26.10.2017, 15:16

Magdeburg l „Die Landeshauptstadt hat eine Fürsorgepflicht für ihre Beschäftigten. Sozialarbeiterinnen in Form der aufsuchenden Sozialarbeit in diese Brennpunkte zu schicken, wäre unverantwortlich.“ So ist es am Vormittag des 25. Oktober 2017 noch in einer aktuellen Stellungnahme der Stadt Magdeburg zu lesen, unterzeichnet vom Ordnungsbeigeordneten Holger Platz.

Auf einem Dutzend Seiten hat die Stadtverwaltung Magdeburg eine Erklärung zu möglichen Maßnahmen für Neue Neustadt abgegeben.

Seit Monaten schwelt im Wohngebiet um den Moritzplatz der Konflikt zwischen hinzugezogenen Familien aus Rumänien und den Alteingesessenen. Über Lärmbelästigung und Müllprobleme wird geklagt.

Dass das Gefahrenrisiko für Sozialarbeiter in diesem Bereich zu hoch sei, steht an Mittwochabend nicht mehr in der Stellungnahme. Zuvor hatte die Volksstimme in einer Anfrage wissen wollen: Worauf beruht diese Einschätzung? Hat es bereits Vorfälle gegeben?

Stunden später am frühen Abend folgte dann der Anruf aus der Pressestelle der Stadt Magdeburg: „Die Absätze beziehen sich allein auf den Hasselbachplatz“, erklärt Stadtsprecherin Kerstin Kinszorra. Bei der Stadt sei man dankbar für die Anfrage, da jetzt die betroffenen Absätze zeitnah aus der Stellungnahme gelöscht werden könnten. Sie seien ein Versehen gewesen, behauptet die Stadt.

Was die Sozialarbeit in Neue Neustadt betrifft, macht Kerstin Kinszorra deutlich: „Selbstverständlich findet dort Sozialarbeit statt.“ Auch Frauen seien vor Ort im Einsatz. Und das soll auch in Zukunft der Fall sein.

In puncto Gefahr lautet die aktuelle Einschätzung der Polizei mit Blick auf Neue Neustadt: „Der Stadtteil ist kein kriminalpolizeilicher Schwerpunkt“, sagt Polizeisprecher Marc Becher. Die Polizei würde trotzdem weiterhin verstärkte Präsenz mit Streifenfahrten zeigen. Unter anderem aufgrund des unsicheren Gefühls einiger Bürger.

Bevor am Mittwochnachmittag die Stadt Magdeburg die beiden Absätze in der Erklärung gelöscht hat, wurde in der Stellungnahme eine Parallele zur Situation am Hasselbachplatz gezogen und dabei „teils betrunkene, lautstarke Männergruppen“ als ein Risiko ausgemacht. Jugendsozialarbeit würde in diesen Fällen keinen Sinn machen, konkretisiert die Stadtsprecherin diese Aussage.

Brisant bleibt das Papier auch nach der Überarbeitung. Allein durch die Prognose: Die Sprachbarrieren genau wie die „Verweigerungshaltung“ würden sozialpädagogische Angebote „ins Leere“ laufen lassen.

Ein Streetworker habe bereits in Neue Neustadt versucht, „einen Eingang in das soziale Netzwerk der Bewohner zu bekommen“. Jedoch ohne Erfolg. Die „Störer“ hätten sich jeglicher Kommunikation verweigert, heißt es in der Erklärung.

Mit diesen „Störern“ seien einzelne Personen gemeint, erklärt die Stadtsprecherin. Keinesfalls würde das die gesamte Gemeinschaft der zugezogenen Rumänen betreffen.

Aus zwei Gründen sei es Kerstin Kinszorra zufolge schwer für den Streetworker, Zugang zu den Anwohnern rund um den Moritzplatz zu finden und eine dauerhafte Beziehung aufzubauen: Zum einen wegen der Verständigung, zum anderen wegen der hohen Fluktuation.

Dass ein Austausch mit den Rumänen möglich ist, zeigen Aktionen wie das Müttercafé, ein Filmprojekt im Moritzhof oder gemeinsame Kochabende. Über dieses Engagement von freien Trägern und Ehrenamtlichen ist man offensichtlich bei der Stadt Magdeburg froh und weist in der Stellungnahme auf Fördermöglichkeiten durch das Land Sachsen-Anhalt hin.

Zudem taucht der Vorschlag auf, einen Sozialarbeiter bestenfalls mit rumänischen Wurzeln zu finden, der den Kontakt zur Zielgruppe der Jugendlichen herstellen kann. Auch die Schulsozialarbeit in Kindertagesstätten oder Schulen soll eine Option bleiben.

Was die Schulen in dem Viertel betrifft: Die Zuordnung der Einschüler zu Schulbezirken der Grundschulen soll ab dem Jahr 2018/19 besser laufen. Der Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund beträgt in der Grundschule Am Umfassungsweg aktuell 60 Prozent, an der Sekundarschule Thomas Müntzer sind es 40 Prozent.

Was das Problem Müll betrifft, haben erste Maßnahmen der Stadt Magdeburg bereits gefruchtet. In regelmäßigen Abständen wird der Sperrmüll am Straßenrand abtransportiert. „Es bewegt sich was“, ziehen Anwohner im Gespräch mit der Volksstimme ein erstes positives Resümee. Man habe das Gefühl, dass im Stadtteil wieder mehr Rücksicht aufeinander genommen werde.

Um gemeinsam nach Lösungen zu suchen, soll laut Stellungnahme der Stadt ein „Runder Tisch“ geschaffen werden. Darüber wird am 26. Oktober 2017 auf der Sitzung der Gemeinwesenarbeitsgruppe ab 17 Uhr in der Brüderstraße 1a diskutiert.