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Feuer am Brocken Wie groß war der Waldbrand im Harz? Nationalpark-Leitung widerspricht der Feuerwehr

Der Brand im Harz ist gelöscht – die Gemüter bleiben erhitzt. Dass der Nationalparkchef eine ganz andere Größe zum Feuer nennt als die Kreiswehr, gießt Öl ins Feuer.

Von Sandra Reulecke Aktualisiert: 16.09.2022, 21:29
Beim Kampf gegen den jüngsten Waldbrand im Nationalpark Harz, der am 3. September ausgebrochen ist, waren zwei italienische Löschflugzeuge im Einsatz.
Beim Kampf gegen den jüngsten Waldbrand im Nationalpark Harz, der am 3. September ausgebrochen ist, waren zwei italienische Löschflugzeuge im Einsatz. Foto: Matthias Bein/dpa

Schierke/ Wernigerode - Maximal zwölf Hektar: So groß soll der jüngste Waldbrand am Brocken gewesen sein – maximal. Das teilte die Verwaltung des Nationalparks Harz am gestrigen Freitag mit. Nach einer Auswertung von Luftbildern der Brandstelle, die mit einer Drohne gemacht worden, sei man zu diesem Ergebnis gekommen.

Einem Ergebnis, das den Informationen von Landkreis-Verwaltung und Kreisfeuerwehr erheblich widerspricht. Beide berichteten davon, dass sich das Feuer Anfang des Monats auf eine Größe von 160 Hektar ausgedehnt hätte.

„Der Brand ist in der Region nachvollziehbarer Weise mit großer Sorge wahrgenommen worden“, wird der Nationalpark-Leiter Roland Pietsch in der Mitteilung zitiert. „Umso wichtiger ist es, transparent, offen und faktenbasiert über die abschließend betroffene Fläche zu informieren.“

Aber wie kommt diese deutliche Differenz der Größenangabe zustande? Roland Pietsch erläutert: „Während einer Einsatzlage ist dabei durch die Rettungskräfte verständlicherweise nur eine grob überschlägige Schätzung möglich.“

Eine Aussage, der die Leitung der Kreisfeuerwehr nicht widerspricht. Dennoch stößt die nun öffentlichkeitswirksam kommunizierte Korrektur des Nationalparks bei den Kameraden auf Verwunderung und Missfallen. Während des Brandes wurde dessen Größe regelmäßig aufgrund von aktuellen Luftaufnahmen, Daten von Wärmebildkameras und Geo-Daten von der Einsatzleitung aktualisiert, informierten sie. Bei diesen Berechnungen und der Herausgabe der Zahlen an die Presse sei Nationalparkchef Roland Pietsch anwesend gewesen und habe kein Veto eingelegt, beton die Wehrleitung.

Für Thomas Balcerowski ist es ohnehin ein Vergleich von Äpfeln und Birnen, die beiden Größenangaben gegenüberzustellen. „Der Nationalpark macht eine Rückwärtsbetrachtung“ - nun seien ausschließlich Drohnenaufnahmen der bereits gelöschten Brandstelle ausgewertet worden, „ohne Rauch und ohne Einbeziehung anderer, kleinerer Brandherde“, die aufgrund von Funkenflug entstanden seien. „Solche Bilder standen uns als Einsatzleitung während des Brandes natürlich nicht zur Verfügung. Wir haben uns auf das bezogen, was zu dem Zeitpunkt zur Verfügung stand“, so der Landrat.

Und eines stehe für ihn außer Frage: In Situationen wie beim Brand unterhalb des Brockens bliebe keine Zeit, für lange Abwägungen und Kleinrechnerei. „Hätten wir zu zögerlich gehandelt, wäre keine internationale Hilfe gekommen und das Feuer würde vermutlich heute noch brennen“, betont er.

Dass von der Nationalpark-Leitung eine so deutlich geringere Größe kommuniziert wird, wundere ihn nicht, so Balcerowski. „Es rundet das Bild ab, dass jetzt versucht wird, zu relativieren.“

Er hoffe nur, dass die neuen Zahlen nicht als Ausrede benutzt werden, um den Forderungen der Kreisfeuerwehr, die am Montagnachmittag vorgestellt wurden, nicht nachkommen zu müssen. In dem 16 Punkte umfassenden Schreiben der Kameraden ist unter anderem gefordert, präventive Brandschneisen auf Nationalpark-Gebiet zu schaffen. „Wie groß muss denn ein Feuer sein, dass sich endlich etwas ändert?“, fragt der Landrat rhetorisch und hörbar verärgert.

Er wisse, dass die Thematik Waldbrand eine hoch emotionale sei. „Darum nehme ich es auch keinem übel, wenn er im ersten Moment emotional reagiert – das tue ich manchmal auch.“ Dennoch dürfe die Lage nicht eskalieren und in Schuldzuweisungen in die eine oder andere Richtung ausufern. „Ich fordere ein professionelles Verhalten von allen Seiten.“

Und Ergebnisse. Es sei lang genug geredet worden – über Totholz, Brandschneisen, mögliche Brandgefahren. „Es ist an der Zeit, endlich zu handeln.“

Roland Pietsch fordert seinerseits eine sachliche Debatte. „Wir werden uns als Nationalparkverwaltung konstruktiv in die Nachbereitung in den entsprechenden Expertenrunden einbringen, damit wir den Schutz der Natur in unserem Nationalpark mit dem Schutz der Menschen in einen guten Ausgleich bringen können“, versichert er.

Hintergrund: Der Waldbrand am Brocken ist am Sonnabend, 3. September, unweit des Goetheweges ausgebrochen. Zwischenzeitlich rief Landrat Thomas Balcerowski den Katastrophenfall aus. Insgesamt waren 1800 Einsatzkräfte in die Löscharbeiten involviert. Zudem kamen zwei Löschflugzeuge aus Italien sowie elf Hubschrauber zur Brandbekämpfung zum Einsatz.

Wie Marco Söchting, Wernigerodes Stadtwehrleiter, berichtet, konnte erst am Montag „Feuer aus“ vermeldet werden. Noch am Wochenende hätten die 16 bis 20 zur Brandwache eingesetzten Feuerwehrleute Glutnester gelöscht. „Samstag waren es sieben oder acht, von denen noch sehr hohe Temperaturen ausgingen, am Sonntag zwei“, so Söchting.

Noch während der Löscharbeiten entbrannte eine Diskussion zum Thema Totholz und wie damit im Nationalpark verfahren wird, auf politischer Ebene. So sprachen sich Sachsen-Anhalts Forstminister Sven Schulze (CDU) und Thomas Balcerowski dafür aus, dass man das Konstrukt Nationalpark Harz – der sich über Flächen in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt erstreckt – grundsätzlich infrage stellen müsste, sollte sich nichts an der Situation ändern. Im schlimmsten Fall hieße das Trennung.