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10 Tage Sudenburg Audienz bei Harry IV. und Herrchen

Die Volksstimme beleuchtet an zehn Tagen das Leben in Magdeburg-Sudenburg einmal von den weniger bekannten Seiten. Heute: Tag 5.

Von Robert Richter 26.08.2017, 01:01

Magdeburg l Vormittags um zehn in Sudenburg. Harry IV. liegt im Schatten eines Baumes bäuchlings auf dem Kopfsteinpflaster und blickt über den Ambrosiusplatz zur „Halber“, wo sich Auto an Auto reiht.

Harry IV., ein sieben Jahre alter Mischling aus Border Collie und Altdeutschem Hund, gehört zu Dieter Käpernick. Herrchen entspannt auf der Parkbank zu Füßen der Ambrosiuskirche, deren Türme in den Himmel über Sudenburg stechen. Seine Arme hängen über der Holzlehne, im Rücken hat er die Sudenburger Feuerwache.

So sind Harry und Dieter beinahe täglich auf dem Ambrosiusplatz anzutreffen. „Ich gehe jeden Tag meine Runde und ruhe mich dann an der Kirche ein bisschen aus“, sagt Käpernick. Der Weg des 81-jährigen Ur-Sudenburgers führt von seinem Haus in der Cochstedter Straße zunächst zur St.-Michael-Straße. „Dort füttere ich hinter der Musikschule meines Sohnes auf dem Hof die Zwergkaninchen. Die haben wir vor einer Weile für die Kinder angeschafft.“

Vor der Musikstunde schaue so mancher Knirps eben gern noch schnell bei den beiden putzigen Langohren im Stall vorbei. Sind die Kaninchen versorgt, spaziert er mit Harry IV., seinem vierten Hund gleichen Namens seit 1980, weiter zum Ambrosiusplatz.

Dort ist er auch an jedem Sonnabend um 18 Uhr zu hören. Dann steigt er als Sudenburger Turmbläser die 120 Stufen auf den von vorn gesehen linken Turm hinauf. Oben öffnet er die Klappen und trompetet, oft allein, zuweilen mit Begleitung eines oder mehrerer Musiker. „Das mache ich seit 1946, damals als 10-Jähriger noch mit meinem Vater, der den Posaunenchor mitbegründet hatte. Es gab nur eine Unterbrechung des Turmblasens, als uns in der DDR 1956 für ein Vierteljahr keine Genehmigung erteilt wurde“, berichtet Käpernick, der 1936 in der Braunschweiger Straße geboren wurde.

Das Turmblasen hätten Sudenburger aber bereits 1930 begründet. Dieter Käpernick führt die Tradition unermüdlich fort, genau wie den Posaunenchor.

Sein Elternhaus stand auf dem Areal des heutigen katholischen Kindergartens. 1940 zog die Familie in die St.-Michael-Straße. Dort befand sich viele Jahre auch die Tischlerei der Käpernicks, gegründet von Dieters Vater.

Was ist für ihn das Besondere an Sudenburg? Dieter Käpernick, das Sudenburger Original, zuckt mit den Schultern. „Ich habe mein ganzes Leben hier verbracht. Ich war ja nie woanders, außer kurzzeitig bei der Evakuierung zum Ende des Zweiten Weltkriegs. Da kamen wir in Staßfurt unter.“

Die Serie im Überblick:

Tag 1: Bei den "Ureinwohnern" in der Bierstube

Tag 2: Eine Melange am Ambrosiusplatz

Tag 3: Die ganze Klaviatur - Musik in der Kirche

Tag 4: Klavierbauer verleiht Flügel an Stars

Tag 6: Jutebeutel auf Abwegen

Tag 7: Probe bei singenden Plaudertaschen

Tag 8: Der Ambrosiuskirche aufs Dach gestiegen

Tag 9: Magdeburg lernt laufen

Tag 10: Der Chronist vom Friedhof