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  7. Turmkapseln von St. Petri Ausleben enthüllen historische Schätze

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Historische Funde im Kirchturm von St. Petri Turmkapseln bei Sanierung in Ausleben entdeckt

Bei der Kirchturmsanierung von St. Petri werden zwei Zeitkapseln geöffnet, die spannende Einblicke in vergangene Jahrzehnte geben.

Von Yvonne Heyer Aktualisiert: 20.08.2025, 14:22
Norbert Augner (r.) öffnet die Kapseln der Turmkugel.  Der Spengler macht das alle drei, vier Monate und hat schon viele Überraschungen erlebt.
Norbert Augner (r.) öffnet die Kapseln der Turmkugel. Der Spengler macht das alle drei, vier Monate und hat schon viele Überraschungen erlebt. Foto: Yvonne Heyer

Ausleben. - Was wird wohl in den beiden Kapseln sein, die sich in der Turmkugel von St. Petri befinden? Die Spannung war sprichwörtlich in der Ausleber Kirche zu spüren. Norbert Augner, Geschäftsführer der Firma Dachbaukunst Quedlinburg, hatte als Spengler – so lautet die alte Berufsbezeichnung für Dachklempner – die schwierige Aufgabe, die gut verschlossenen Hüllen unter den neugierigen Augen der Zuschauer zu öffnen.

Gemeindekirchenratsvorsitzender Herwart Sturm, seine Frau Martina, Pfarrerin Cordula Haase, Küster Hans-Ulrich Venzke, Milena Schweigel und Laura Reinhold vom Planungsbüro Denkmalarchitekten, Heinz Morgenthal, Andrea Kagelmann und Birgit Ruhe warten gespannt.

Historische Daten der Turmkapseln aus 1949 und 1964

Klar ist schon mal, dass die Kapseln am 13. Oktober 1949 und am 23. September 1964 verschlossen wurden. „1964 war meine Mutter dabei“, erzählt Hans-Ulrich Venzke, während Norbert Augner versucht, die jüngere Hülse zu öffnen. Endlich ist es geschafft. Die Reise in die Geschichte kann beginnen. Zunächst holt Herwart Sturm eine Rolle aus der Hülse.

In einer Pillenschachtel wurden alte Münzen verwahrt.
In einer Pillenschachtel wurden alte Münzen verwahrt.
Foto: Yvonne Heyer

Das Packpapier sieht wie neu aus, als wäre die Kapsel erst gestern verschlossen worden. Die Altvorderen haben vor 61 Jahren eine gute Arbeit geleistet. Vorsichtig rollt Herwart Sturm das Päckchen auseinander und holt verschiedene Zeitungen hervor. Die Volksstimme, die Bode-Zeitung, das Neue Deutschland vom 22. September 1964 kommen zum Vorschein. Ein kleiner Briefumschlag gibt zunächst Rätsel auf, die Aufschrift kann nicht gleich entziffert werden.

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Als schließlich ein Foto zutage gefördert wird, ist klar: Heinz Goedecke, seinerzeit Postverwalter in Ausleben, hat den eingerüsteten Turm ohne Bekrönung fotografiert und es auf dem Briefumschlag vermerkt. Das Foto stammt vom 6. August 1964. Münzen aus jener Zeit werden hingegen vergebens gesucht.

Fundstücke aus der Turmkugel von 1891 und ihre Bedeutung

Inzwischen hat Norbert Augner die zweite Kapsel geöffnet. Auch hier muss festgestellt werden, dass die Hülse im September 1949 gut verlötet worden war, die ebenso in Packpapier eingehüllten Zeitungen waren sicher verwahrt und sind gut erhalten, obwohl der Inhalt viel weiter in der Geschichte zurückgeht.

Herwart Sturm beginnt, das unversehrte Päckchen aus der Kapsel zu öffnen.
Herwart Sturm beginnt, das unversehrte Päckchen aus der Kapsel zu öffnen.
Foto: Yvonne Heyer

Die Magdeburgische Zeitung, der Reichsbote, die Bode-Zeitung – sie war der General-Anzeiger für Neuhaldensleben, Oschersleben, Ballenstedt und Wanzleben – tragen das Datum vom 21. Juni 1891.

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Zugleich erfahren die „Zuschauer“ in der Ausleber Kirche, dass der 21. Juni 1891 ein Sonntag war. Sehr umfassend hat der damalige Pfarrer aus jener Zeit berichtet. Entziffern konnte niemand in der Runde die altdeutsche Schrift.

Überraschende Entdeckungen und historische Geldstücke

Schließlich kommt auch eine kleine Schachtel zum Vorschein. „Menthol Dragees“ aus Berlin waren einst darin. 1932 wurde darin das Geld jener Zeit für die Nachfahren in der Kapsel verwahrt. Auch Inflationsgeld aus den 1920er Jahren wurde gefunden.

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Reparatur und Geschichte der Turmkugel zwischen 1891 und 1949

Nach den Zeitungen aus dem Jahr 1891 macht der Inhalt jener Kapsel einen Sprung in das Jahr 1932. Es wird deutlich, dass die Turmkugel, möglicherweise auch der Turm in jenem Jahr repariert worden sind. Malermeister Willi Schlie hat mit einer Garantieurkunde bescheinigt, dass er die Turmkugel aus Kupfer mit Blattgold vergoldet hat.

Turmkugel und Wetterfahne sollen auch saniert werden. Dafür müssen zusätzliche Gelder aufgebracht werden.
Turmkugel und Wetterfahne sollen auch saniert werden. Dafür müssen zusätzliche Gelder aufgebracht werden.
Foto: Yvonne Heyer

1932? 1949? Warum wurde in einem so kurzen Abstand die Turmkugel erneut geöffnet? Eine Notiz in einer Zeitung aus dem Jahr 1949 brachte Licht ins Dunkle: Am 1. März 1949 ereignete sich ein schwerer Schneesturm. Die Turmkugel stürzte ab und wurde regelrecht vom Sims aufgespießt. Die Turmkugel wurde heruntergeholt, repariert und der Inhalt der Kapsel aktualisiert.

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Zukunft der Funde und Aufruf zur Dokumentation der Kirchturmgeschichte

In jedem Fall solle der Inhalt beider Kapseln in Ruhe gesichtet werden. Einige Woche ist Zeit, um möglicherweise auch die Schriften zu „übersetzen“. Und dann muss sich jemand finden, der berichtet, was sich zwischen 1964 und 2025 rund um den Kirchturm von St. Petri in Ausleben zugetragen hat.

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Schließlich sollen die Nachfahren der heutigen Generation erfahren, welche Zeitungen es gibt, wie aus dem DDR-Alugeld die D-Mark und schließlich der Euro wurde.

Sanierung des Kirchturms und aktuelle Baustellensituation

Seit gut vier Wochen ist der Turm von St. Petri in Ausleben eine Baustelle. Die dringend notwendige Sanierung konnte mithilfe von Leader-Fördermitteln starten. Allein drei Wochen haben die Gerüstbauer gebraucht, um für Dachdecker und Zimmerer einen sicheren Arbeitsort zu schaffen. Die Dachdecker haben die alten Schindeln heruntergenommen und damit den Blick auf den Dachstuhl freigemacht.

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„Der Dachstuhl ist in einem besseren Zustand, als angenommen“, kann Milena Schweigel vom Planungsbüro nach der Bauberatung berichten. Fehlerhafte Stellen werden von den Zimmerleuten einer Schönebecker Firma saniert. Dann setzten Steinmetze und Dachdecker die Arbeit am Turmhelm fort. Die Dachdecker waren es auch, die den Turmhelm samt Kugel und Wetterfahne heruntergenommen haben. Die Sanierung von Wetterfahne und Kirchturmkugel sind im Budget der Turmsanierung nicht enthalten.

Deshalb bittet die Kirchengemeinde um Spenden.